BFH widerspricht der Finanzverwaltung
In einem aktuellen Grundsatzurteil vom 01.03.2021 (Az. IX R 27/19) hat der BFH die Veräußerung der selbstbewohnten Immobilie als nicht steuerbar behandelt, auch wenn in dem Objekt ein häusliches Arbeitszimmer unterhalten – und steuerlich abgezogen worden ist. Dies widerspricht der langjährigen Verwaltungsauffassung (BMF-Schreiben vom 05.10.2000, BStBl I 2000, 1383, Rz 21), die hinsichtlich des als häusliches Arbeitszimmer genutzten Gebäudeteils eine anteilige Steuerpflicht des Veräußerungsgewinns nach § 23 EStG bejahte.
Der entschiedene Streitfall
Die Klägerin machte bei der Ermittlung ihrer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Lehrerin – wie auch in früheren Jahren – Aufwendungen für ein in ihrer ETW liegendes häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend, die vom Finanzamt jeweils mit dem Höchstbetrag in Höhe von 1.250 € anerkannt worden sind. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte sie zudem einen aus der Veräußerung der ETW resultierenden, anteilig auf die Grundfläche des häuslichen Arbeitszimmers entfallenden Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 10.918 €. Diesen Gewinn zog das Finanzamt zur Besteuerung heran, da insoweit keine Nutzung der Immobilie zu eigenen Wohnzwecken erfolgte, sondern eine ausschließliche berufliche Nutzung des Raumes der Wohnung. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG befreite aber nur die Gewinne aus der Veräußerung der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Immobilien von der Einkommensteuer.
Dem liegt ein dogmatisches Argument zugrunde: Im Einkommensteuerrecht ist der steuermindernde Abzug von Aufwendungen für ein Wirtschaftsgut, das zur Erzielung von Einkünften genutzt wird, zumeist auch mit der zwingenden Besteuerung eines Veräußerungsgewinns aus diesem Wirtschaftsgut verbunden.
Hiergegen wandte sich die Klägerin und wurde vom BFH bestätigt. Der BFH entschied, dass auch das häusliche Arbeitszimmer von der Besteuerung ausgenommen ist. Das Tatbestandsmerkmal der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG setze voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist und vom Steuerpflichtigen bewohnt wird. Ausreichend sei, dass der Steuerpflichtige das Gebäude zumindest auch selbst nutzt; unschädlich sei, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt. Eine Nutzung zu „eigenen Wohnzwecken“ liegt hingegen nicht vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen. Ein Gebäude werde auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Nach diesen Grundsätzen liege eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch hinsichtlich eines – in der im Übrigen selbst bewohnten Eigentumswohnung befindlichen – häuslichen Arbeitszimmers vor.
Wer profitiert vom Grundsatzurteil?
Die aktuelle Entscheidung begünstigt diejenigen Steuerpflichtigen, die in ihrer selbstbewohnten Wohnimmobilie ein (steuerlich anerkanntes) häusliches Arbeitszimmer nutzen und die Immobilie bereits innerhalb von zehn Jahren seit Erwerb oder Errichtung weiterveräußern (z. B. auch unfreiwillig aufgrund Wechsels des Arbeitsortes).
Nicht tangiert werden hingegen selbständige Einzelunternehmer und Freiberufler, die ein häusliches Arbeitszimmer nutzen und den entsprechenden Gebäudeteil in ihrer Gewinnermittlung als Betriebsvermögen nutzen. Durch die Zuordnung zum Betriebsvermögen bleibt der Gebäudeteil – auch nur ein einzelner Raum – dauerhaft steuerverstrickt, dass heißt auch ein Veräußerungsgewinn nach mehr als zehn Jahren der Nutzung unterliegt stets der Besteuerung. Abhilfe kann hier ggf. nur in den Grenzen eines Grundstücksteils von untergeordneter Bedeutung geschaffen werden, für die in § 8 EStDV ein besonderes Wahlrecht eingeräumt wird (Behandlung „wie“ Privatvermögen).
Hinweis:
Da sich der BFH in seiner Entscheidung vor allem auf den gesetzlichen Wortlaut der Ausnahme einer privaten Immobilienveräußerung von der Einkommensteuer in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG stützt, könnte eine sprachliche Anpassung des EStG hier die vormalige Sachlage wiederherstellen.
Unsystematisch wäre eine solche künftige Änderung – wie oben gezeigt –nicht, wenngleich deutlich zulasten des veräußernden Immobilieneigentümers.
Weitere Informationen: