Die Bundesregierung hat auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion (BT-Drs. 19/18898) zum Umsetzungsstand der Grundsteuerreform informiert (BT-Drs.19/19317). Die wichtigste Botschaft: der Start der IT-Umsetzung verzögert sich.
Hintergrund
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (10.04.2018 – 1 BvL 11/14) waren die bisherigen Bewertungsregeln für die Grundsteuererhebung verfassungswidrig, eine Neuregelung musste bis Ende 2019 im Bundesgesetzblatt stehen (BGBl. 2019 I S.1546). Im Anschluss besteht jetzt bis 2024 Zeit, die Grundlagen für die Anwendung des neuen Rechts zu schaffen. Neben der Einführung einer neuen Grundsteuer C zur Mobilisierung baureifer Grundsteuer und der Verabschiedung neuer Bewertungsregeln war vor allem die Änderung des GG ein zentraler Streitpunkt: Denn diese war nicht nur für die Absicherung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes erforderlich (Art.105 Abs. 2 GG), sondern vor allem für eine Länderöffnungsklausel, die es den Ländern ermöglicht, abweichende Regeln zu schaffen (Art. 73 Abs. 3 Nr.7 GG). Diese gesetzliche Grundlage dafür ist Ende 2019 in Kraft getreten (BGBl. 2019 I S. 1546).
Welche Grundsteuerkonzepte verfolgen die Länder?
Dem Bundesmodell wollen nach aktueller Mitteilung der Bundesregierung (BT-Drs. 19/ 19317) sechs Länder folgen: Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen. Das Bundesmodell sieht nach dem GrStRefG (vom 26.11.19, BGBl. I S. 1794) vor, dass die Bewertung künftig grundsätzlich nach einem wertabhängigen Modell (BT-Drs. 19/11085, 14138 und 14158) erfolgt: Bei einem unbebauten Grundstück ist hierfür der Wert maßgeblich, der durch unabhängige Gutachterausschüsse ermittelt wird. Ist das Grundstück hingegen bebaut, werden bei der Berechnung der Steuer auch Erträge wie Mieten und Pachten berücksichtigt. Um das Verfahren zu vereinfachen, wird für Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietgrundstücke und Wohnungseigentum ein vorgegebener durchschnittlicher Soll-Ertrag in Form einer Netto-Kaltmiete je Quadratmeter in Abhängigkeit der Lage des Grundstücks angenommen.
Demgegenüber wollen Hessen und Bayern ein eigenes Grundsteuerkonzept mit eigenen Bewertungsregeln. In den übrigen Ländern ist der Meinungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen. Hessen und Bayern wollen ein wertunabhängiges Flächenmodell, das leichter zu administrieren ist. Hessen will das mit einem „Flächen-Faktor-Verfahren“ umsetzen: Neben Flächengrößen soll auch die Lage eine Rolle dabei spielen, in welchem Umfang die Grundstücksnutzer von kommunaler Infrastruktur profitieren können. Mit einem einfachen Faktorverfahren wird das Ergebnis des Flächenmodells erhöht oder vermindert, je nachdem, wie sich die Lagequalität des betreffenden Grundstücks im Vergleich zu einer durchschnittlichen Lage in der Gemeinde darstellt.
Das bedeutet: Einfache Lagen werden gegenüber dem reinen Flächenmodell niedriger, gute Lagen höher besteuert. Für die Berechnung sollen die bereits vorhandenen Bodenrichtwertzonen genutzt. Das Modell nimmt auf die Gegebenheiten vor Ort Rücksicht. In Gemeinden mit keinen oder nur sehr geringen Unterschieden im Bodenwertniveau soll es zu gleichen Ergebnissen wie das Flächenmodell führen.
Baden-Württemberg tendiert zu einer Bodenwertsteuer; hiernach soll die Grundsteuer ausschließlich nach dem Bodenrichtwert bemessen werden, Gebäude werden bei der Wertermittlung nicht berücksichtigt.
Wie sind die Modelle zu bewerten?
Die Bewertungsregeln waren einer der zentralen Streitpunkte der Grundsteuerreform. Aus Sicht des Steuerbürgers ist wünschenswert, dass das künftige Bewertungsverfahren bürokratiearm und leicht nachvollziehbar ist. Das ist beim Bundesmodell kaum gewährleistet, weil es sehr aufwendig und kompliziert ist. Die Berücksichtigung des Grundstückswertes hat für sich, dass auch Standortvorteile aus öffentlichen Leistungen wertbildend berücksichtigt werden. Eine Bodenwertsteuer hat für sich, dass sie mit geringem Aufwand zu brauchbaren Wertansätzen kommt; ihr Nachteil ist, dass sie die Nutzung der Grundstücke ausblendet. Bleibt der Gebäudewert gänzlich unberücksichtigt und beruht die Grundsteuer allein auf dem Bodenwert, sinkt der Erhebungsaufwand – das ist ein Vorteil. Allerdings wäre dann ein Landesgesetzgeber gut beraten, eine unangemessen hohe Belastung des Bodenwerts zu vermeiden, etwa durch eine gesetzliche Beschränkung des Grundsteuerhöchstsatzes.
IT- Umsetzung verzögert sich
Der Zeitrahmen für die Umsetzung der Bewertungsreform sieht vor, dass die erste Hauptfeststellung für die Grundsteuerwerte auf den 1.1.2022, für die Hauptveranlagung auf den 1.1.2025 durchgeführt werden soll. Zentrales Zieldatum ist die Annahme der Steuererklärungen der Steuerpflichtigen (Erklärungsannahme) zum 1.7.2022, so dass die Finanzämter den weit überwiegenden Teil der Feststellungen der 36 Mio. Grundsteuerwerte und Grundsteuermessbeträge möglichst bis zum 30.6.2024 bewältigen können. Die Gemeinden sollen dann in der Lage sein, ihre Hebesätze zu ermitteln und die Grundsteuerbescheide bekanntzugeben. Das Land Niedersachsen, das die Gesamtkoordination für die Grundsteuerreform übernommen hat, hat in einem Zwischenbericht vom 27.2.2020 allerdings mitgeteilt, dass sich der Start der IT-Umsetzung verschoben hat. Grund hierfür ist, dass sich das Gesetzgebungsverfahren bei der Reform der Grundsteuer verschoben hat. Das bringt den gesamten Zeitplan ins Wanken: Denn die Entwicklung der bundeseinheitlichen IT-Komponenten muss grundsätzlich im April 2021 abgeschlossen sein, damit daran die Testphase (innerhalb der Verfahren und zwischen KONSENS-Verfahren und bestehenden Verfahren der Einheitsbewertung) sowie die Phase der Anpassung der bestehenden Verfahren mit der Implementierung der einheitlichen Berechnungsmodule anschließen kann. Nach derzeitigem Kenntnisstand der Bundesregierung führt die neue Arbeitssituation infolge der Corona- Krise aber nicht zu einer zusätzlichen wesentlichen Verzögerung.
Gerade mal zehn Monate bleiben also jetzt, um die IT-Voraussetzungen der Grundsteuerreform umzusetzen – das ist anspruchsvoll!
Quelle
BT-Drs. 19/19317 vom 19.5.2020