Nachdem auf EU-Ebene die Lieferketten-RL beschlossen hat, fordert die Union ganz aktuell die Aufhebung des (deutschen) LKSG. Fällt das LKSG?
Hintergrund
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG v. 19.7.2021, BGBl 2022 I S. 2959) gilt seit dem 1.1.2023 für Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Mitarbeitern. Seit dem 1.1.2024 für Unternehmen ab einer Größe von 1.000 Mitarbeitern und verpflichtet sie, bestimmte Sorgfaltspflichten mit dem Ziel zu beachten, dass menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken vorgebeugt wird, dass diese minimiert oder beendet werden. Es ist mit dem Ziel geschaffen worden, Wirksamkeit beim besseren Schutz von Menschenrechten zu verbinden mit Rechtssicherheit und Handhabbarkeit für die betroffenen Unternehmen.
Mit der Europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) ist inzwischen eine verbindliche Vorgabe geschaffen worden, bei der die Bundesregierung nicht verhindern konnte, dass sie teilweise weit über die deutsche Regelung hinausgeht; ich habe im Blog wiederholt berichtet. So verpflichtet die CSDDD Unternehmen zur Einhaltung von Standards über die gesamte Lieferkette hinweg. Außerdem müssen Unternehmen nach der CSDDD künftig einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sind. Bei Verstößen gegen Menschenrechte sollen Unternehmen künftig vor europäischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden können.
Unionsantrag fordert sofortige LKSG-Aufhebung
Am 13.6.2024 berät der Bundestag in erster Lesung den Unions-Gesetzentwurf „zur Aufhebung des Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten“ (Lieferkettensorgfaltspflichtenaufhebungsgesetz, BT-Drs. 20/11752). Sie beantragt, ohne Ausschussüberweisung in die zweite Beratung des Entwurfs einzutreten. Über diesen (seltenen) Geschäftsordnungsantrag stimmt das Parlament zunächst namentlich ab.
Es sei nicht sinnvoll, an den „teilweise deutlich unterschiedlich geregelten Verpflichtungen aus dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz festzuhalten und gleichzeitig von den Unternehmen zu erwarten, dass sie sich auf das Inkrafttreten der EU-Lieferkettenrichtlinie vorbereiten. Diese “vermeidbare Mehrbelastung“ würde einen nicht gerechtfertigten Wettbewerbsnachteil deutscher Unternehmen innerhalb der EU zur Folge haben, so die Union.
Anstatt das Gesetz weiterhin umzusetzen, Berichte anzufordern und zu prüfen, sollten das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) sowie der Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung darauf ausgerichtet werden, Unternehmen in Deutschland auf die kommende Verpflichtung, die EU-Lieferkettenrichtlinie zu beachten, vorbereitet werden, etwa in Form entsprechender Beratungsangebote. Dies gelte gerade auch für mittelständische Unternehmen, die etwa durch Ausschreibungsbedingungen mittelbar von den rechtlichen Vorgaben betroffen seien.
Bewertung
Die Fülle an Berichtspflichten und bürokratischen Auflagen hat in den letzten Jahren stetig zugenommen, die Wettbewerbsbedingungen deutscher Unternehmen haben sich insgesamt verschlechtert. Deshalb ist es richtig, in Bezug auf die Verpflichtungen in Lieferketten die deutschen Unternehmen nicht stärker zu belasten als die europäische Konkurrenz.
Zwei Dinge sind besonders bemerkenswert: Die Union verlangt den Verzicht auf die sonst bei Gesetzen übliche Ausschussberatung; dies ist nachvollziehbar, weil die betroffene Materie den Parlamentariern vollumfänglich bekannt ist, eine weitere „Beratung“ als Grundlage der Willensbildung hier also aus Zeitgründen ausnahmsweise verzichtbar erscheint. Vor allem ist aber zu berücksichtigen, dass selbst BM Habeck vor wenigen Tagen Vertretern der deutschen Wirtschaft einen Dispens vom LKSG bis zur Umsetzung der CSDDD in Aussicht gestellt hat. Die FDP unterstützt diese Sichtweise. Jetzt hängt im Bundestag alles an der SPD, die das „Zünglein an der Waage“ für die erforderliche Abstimmungsmehrheit bilden könnte.
Weitere Informationen:
BT-Drs. 20/11752