In einem Haftungsprozess wegen eines mutmaßlichen Impfschadens vor dem OLG Bamberg muss der Arzneimittelhersteller jetzt umfassend Daten offenlegen und Auskunft erteilen. Das kann Signalwirkung für eine Vielzahl gleichgelagerter Prozesse haben.
Hintergrund
Ich hatte im August 2023 im Blog über einen Haftungsprozess vor dem OLG Bamberg wegen eines mutmaßlichen Corona-Impfschadens berichtet (Corona-Impfschaden: Müssen Impfstoffhersteller haften?). Dort ging es vor allem um die Verletzung von Aufklärungspflichten im „Beipackzettel“ für einen Corona-Impfstoff, der in der Anfangsphase der Corona-Pandemie zugelassen worden war.
OLG Bamberg erlässt richtungsweisendes Teilurteil
Im Prozess um einen mutmaßlichen Corona-Impfschaden muss nach einem Teilurteil des OLG Bamberg (8.4.2024 – 4 U 15/23) der Impfstoffhersteller Astrazeneca jetzt umfassend Auskunft über Nebenwirkungen seines Impfstoffs „Vaxzevria“ erteilen. Das Unternehmen muss Daten zu allen bekannten Wirkungen und Nebenwirkungen des Impfstoffes zur Verfügung stellen sowie zu Erkenntnissen, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen des Impfstoffes von Bedeutung sein können, soweit sie das Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom betreffen. Die Auskunft muss für den Zeitraum der Zulassung des Impfstoffs am 27.12.2020 bis 19.2.2024 erteilt werden.
Bedeutung der Entscheidung
Das Ergebnis der erfolgreichen Auskunftsklage könnte für weitere Verfahren von großer Relevanz sein, in denen es ebenfalls um Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche nach mutmaßlichem Corona-Impfschäden geht. Die weitere Frage vor dem OLG Bamberg wird sein, ob eine Aufklärung über das Risiko nach dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand geboten war, das Gegenstand des jetzigen Auskunftsverlangens war. Kann ein Geschädigter nämlich eine Schädigung durch einen (Corona-) Impfstoff nachweisen, kommen zivilrechtliche Schadenersatzansprüche gegen den Hersteller des Impfstoffs in Betracht, etwa für Heilkosten- und Krankenbehandlung, Haushaltsführungskosten und Schmerzensgeld.
Das OLG-Verfahren weist aber noch eine weitere Besonderheit in Bezug auf Impfschäden im Zuge der Corona-Pandemie-Bekämpfung: In einer damaligen Verordnung der Bundesregierung aus dem Jahr 2020, der MedVBSV, war eine Gefährdungshaftung der Hersteller unter den besonderen Bedingungen der Pandemie weitgehend ausgeschlossen worden; andernfalls wären die Hersteller das Risiko eines sehr frühen Produktstarts auch nicht eingegangen. Es sind also noch etliche Hürden zu überwinden bis zu einer erfolgreichen Schadenersatz- und Schmerzensgeldklage.
Weitere Informationen:
OLG Bamberg v. 8.4.2024 – 4 U 15/23 (openjur.de)
Corona-Impfstoff-Prozess: Astrazeneca muss Daten offenlegen (tagesschau.de)
Lesen Sie hierzu auch:
Jahn, Die rechtlichen Folgen der Corona-Pandemie, NWB Sanieren Nr. 12 vom 27.12.2023 Seite 374 (für Abonnenten kostenfrei. Sie sind noch kein Abonnent? Nutzen Sie unsere kostenfreien Testmöglichkeiten).