Die Bundesregierung prüft eine Senkung der Umsatzsteuer auf Covid-19-Impfstoffe und -Tests. Das teilt sie in einer Antwort (BT-Drs. 19/27702) auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion (BT-Drs. 19/27037) mit.
Rechtlicher Hintergrund
Den Aufwand für die Testungen in Testzentren trägt in der Regel die öffentliche Hand; nicht anders verhält es sich bei Corona-Schutzimpfungen. Unternehmen, die in ihren Betrieben Corona-Tests für ihr Personal anbieten, tragen demgegenüber den damit verbundenen finanziellen Aufwand selbst.
Für Tests in Corona-Testzentren auf Länderebene gibt es bislang weder eine gesetzliche Regelung noch eine Verwaltungsanweisung zur umsatzsteuerlichen Behandlung. Heilbehandlungsleistungen sind nach § 4 Nr.14a UstG von der Umsatzsteuer befreit. Zu diesen zählen auch Dienstleistungen zur Vorbeugung und Diagnose von Krankheiten (A 4.14.1 Abs.4 UStAE), ferner nach der Rechtsprechung (BFH 22.1.2020 – XI R 24/19, BFH/NV 2020, 785) auch Laborleistungen zur Analyse und Befundung von Gewebeproben, auch in privaten Laboreinrichtungen (EuGH vom 02.07.2015 – C-334/14, EU:C:2015:437.
Welche Produkte und Dienstleistungen sind betroffen?
In der politischen Diskussion wird bereits seit einigen Monaten eine Umsatzsteuerbefreiung für COVID-19-In-Virto-Diagnostika einschließlich damit verbundener Dienstleistungen gefordert. COVID-19-In-vitro-Diagnostika sind alle In-vitro-Diagnostika gemäß der Richtlinie 98/79/EG und Verordnung (EU) 2017/746, die vom Hersteller zur In-vitro-Untersuchung von aus dem menschlichen Körper stammenden Proben bestimmt sind und dazu dienen, Informationen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) zu liefern. Dies betrifft u. a. Invitro-Diagnostika zum Nachweis des Erregers SARS-CoV-2, zum Nachweis von Antikörpern gegen das Virus und auch solche, mit denen sich der Verlauf von COVID-19 vorhersagen lässt.
Liefer- und Verpackungskosten sind Nebenleistungen zur Hauptleistung und unterfallen damit auch dem Steuersatz der Hauptleistung. Eng mit der Lieferung von COVID-19-In-vitro Diagnostika verbunden sind sonstige Leistungen, die für die Lieferung von COVID-19-In-vitro Diagnostika typisch und unerlässlich sind, regelmäßig und allgemein bei solchen Lieferungen vorkommen und damit unmittelbar oder mittelbar zusammenhängen.
Wer profitiert von einer Umsatzsteuersenkung?
Ich hatte bereits berichtet: Am 7.12.2020 hat der EU-Rat die am 11.12.2020 in Kraft getretene Richtlinie 2020/2020 beschlossen (ABl. EU L 419, 1), mit der die Richtlinie 2006/112/EG zeitlich befristet bis 31.12.2022 geändert wird. Damit ging der EU-Rat über den Kommissionsbeschluss (EU) 2020/491 (3) , ABL. EU L 103 I, S.1) hinaus, der bislang nur Einfuhrlieferungen und nicht innergemeinschaftliche Lieferungen oder Inlandslieferungen abdeckte.
Der Beschluss erlaubt den Mitgliedstaaten, Gegenstände, die zur Bekämpfung der Auswirkungen des COVID-19-Ausbruchs zwingend benötigt werden – darunter auch In-vitro-Diagnostika – vorübergehend von der Mehrwertsteuer und von Eingangsabgaben zu befreien. Schon im Gesetzgebungsverfahren zum 3. Corona-SteuerhilfeG hatte die Opposition vergeblich versucht (BT-Drs.19/26883), die Umsatzsteuerbefreiung mit Vorsteuerabzugsrecht für die Lieferung von COVID-19-In-Vitro Diagnostika und aller damit verbundenen Dienstleistungen auch in Deutschland für alle erlaubten Fälle umzusetzen.
Von einer Steuerbefreiung mit Vorsteuerabzug würde primär der Hersteller der Produkte profitieren, meint die Bundesregierung. Seine Umsätze würden mit 0 Prozent Umsatzsteuer belastet, gleichzeitig könnte er weiterhin den Vorsteuerabzug geltend machen. Ob ein Hersteller den Preisvorteil, der aus der Senkung von Umsatzsteuersätzen resultieren würde, an seine Abnehmer weitergebe oder zur Erhöhung der Gewinnspanne nutze, entscheide allein der Hersteller.
Von staatlicher Seite könne eine Preisreduktion nicht erzwungen werden, es sei denn, der Gesetzgeber schreibt verbindliche Abgabepreise vor. Darüber hinaus würden die Umsatzsteuereinnahmen mit den Ländern und Kommunen geteilt. Auch diese hätten wegen der Pandemie erhebliche finanzielle Lasten zu tragen.
Ich bleibe dabei: Wenn eine flächendeckende Impfung mit begleitender Testung den einzigen Ausweg aus der Corona-Pandemie beschreibt, muss der Gesetzgeber jetzt fiskalische Einnahmeinteressen zurückstellen und – wie andere europäische Nachbarländer auch – der EU-rechtlichen Ermächtigung entsprechend eine zeitlich befristete Umsatzsteuerbefreiung für alle COVID-19-In-Vitro Lieferungen und die damit verbundenen Dienstleistungen zu regeln. Denn Corona-Impfstoffe, Schnell- und Selbsttests einschließlich der damit verbundenen Logistik- und Dienstleistungskosten sind für alle Betroffenen auch ein Kostenfaktor. Das gilt für allem für Unternehmen, die dem MPK-Beschluss vom 22.3.2021 (Ziff. 7) folgend im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung mit hohem Aufwand kostenlose Testangebote für ihre Mitarbeiter machen.
Quellen
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/277/1927702.pdf (BT-Drs.19/27702)