Das BVerfG hat im April 2018 (10.4.2018 – 1 BvR 889/12, 639/11; 1 BvL 11/14, 12/14, 1/15) die derzeitige gesetzliche Wertermittlung für die Grundsteuer als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. Bis spätestens 31.12.2019 muss der Gesetzgeber eine Neuregelung finden, die eine realitätsgerechte Besteuerung gewährleistet. Für die Umsetzung einer Neuregelung auf Verwaltungsebene hat das BVerfG eine Frist bis 31.12.2024 gesetzt. Nach einem ersten BMF-Vorschlag im vergangenen November haben sich jetzt Bund und Länder auf Eckpunkte einer Reform verständigt. Doch wie ist der Kompromiss vom 1.2.2019 zu bewerten?
Eckpunkte des Kompromisses:
- Wohnimmobilien sollen anhand der durchschnittlichen Nettokaltmiete (Daten des Statistischen Bundesamtes) und des Bodenrichtwertes bewertet werden. Ein Rückgriff auf die tatsächlich vereinbarten Mieten – so der BMF-Vorschlag vom November – soll nur in Betracht kommen, wenn diese geringer (bis zu 30 Prozent) sind als die Durchschnittsmieten. Das bedeutet: Es wird eine „Günstigerprüfung“ erforderlich, was sehr aufwändig ist.
- Für unternehmerisch genutzte Immobilien soll weiterhin das aufwändigere Sachwertverfahren (Bodenrichtwert + standardisierte Baukosten) angewendet werden. Die hierbei erforderliche Datenabfrage würde zu einer zusätzlichen bürokratischen Belastung der Unternehmen im Vergleich zu Wohnimmobilien führen.
- Grundlage für die Bewertung von Grund und Boden sollen weiterhin die Bodenrichtwerte sein, Gutachterausschüsse sollen Bodenrichtwertzonen zu größeren Zonen zusammenfassen können. Für Kommunen, deren mittleres Bodenwertniveau unter dem Landesdurchschnitt liegt, soll optional das für die Kommune jeweils ermittelte „mittlere Bodenwertniveau“ als „Ortsdurchschnittswert“ angesetzt werden können (De-minimis-Regelung).
- Die Steuermesszahl soll nach Grundstücksarten differenziert werden. Dies birgt die Gefahr, dass gewerblich genutzte Grundstücke systematisch stärker belastet werden.
- Die Kommunen erhalten die Option, eine Grundsteuer C auf unbebaute, aber baureife Grundstücke zu erheben.
- Bei der Grundsteuer für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke soll ein Ertragswertverfahren auf Basis des Bundesratsvorschlags (BR-Drucks. 515/16) eingeführt werden.
Bewertung:
Das neue Eckpunktepapier ist kein „großer Wurf“ und erst recht kein Durchbruch: Die Orientierung an Bodenrichtwerten und Mietkosten führt zu hohen administrativen Belastungen, insoweit erweisen sich die Pläne als „Bürokratiemonster“. Intransparente Bewertungsverfahren führen zu Rechtsunsicherheit und provozieren geradezu Rechtsmittelverfahren. Es bleibt dabei: Sehr viel einfacher und rechtssicherer wäre ein wertunabhängiges Flächenmodell, wie es von der Spitzenverbänden der Wirtschaft vorgeschlagen wird. Nur drei Daten wären dann nötig: Grundstücksfläche, bebaute Fläche und Gebäudehöhe. Mit dem jetzt vom BMF veröffentlichten Kompromiss ist die Einhaltung der Umsetzungsfrist bis Ende 2024 und damit das Steueraufkommen für die Gemeinden gefährdet.
Wie geht’s weiter?
Auf Basis des beschlossenen Modells soll nun das BMF einen Gesetzesentwurf entwerfen, der möglicherweise noch im Februar im Koalitionsausschuss beraten wird. Im weiteren Verfahren müssten dann noch die Länder zustimmen – da kann sich noch einiges ändern. Fazit: Es bleibt weiter spannend!
Weitere Informationen:
- BMF, Pressemitteilung v. 1.2.2019
- BVerfG v. 10.04.2018 – 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12
Lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag hier im NWB Experten-Blog:
Grundsteuer rechtssicher und gerecht – BMF-Vorschlag überzeugt nicht!