Anfang April 2019 hat das BMF den Referentenentwurf für ein Grundsteuer-Reformgesetz (GrStrG) vorgelegt. Das Kanzleramt hat den Entwurf postwendend zurückgewiesen und Nachbesserungen bei den Plänen zur Reform der Grundsteuer gefordert. Der Plan sei noch nicht reif, um in die Ressortabstimmung zu gehen. Der politische Streit um die Grundsteuerreform eskaliert damit inzwischen auch innerhalb der Bundesregierung – kein gutes Zeichen für eine fristgerechte Grundsteuerreform bis Jahresende!
Hintergrund
Das Bundesverfassungsgericht (10.4.2018 – 1BvL 11/14 u.a.) hat die geltende Rechtslage als verfassungswidrig beanstandet und eine Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts verlangt. Bis Ende des Jahres 2019 muss eine neue Regelung vorliegen, die spätestens Anfang 2025 in Kraft treten muss. Ich habe bereits berichtet, dass die Reform der Grundsteuer mit einem Aufkommen von 14 Milliarden € jährlich zwischen Bund und Ländern heftig umstritten ist. Die Vorstellungen reichen von einer völligen Abschaffung der Grundsteuer bis hin zu einem spürbaren Abbau der mit der Steuererhebung verbundenen Bürokratielasten. Zuletzt hat im Bundestag die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Abschaffung der Umlagefähigkeit der Grundsteuer auf Mieter gefordert (BT-Drucks. 19/8827).
Was sieht der Referentenentwurf des BMF vor?
Der Referentenentwurf eines Grundsteuer-Reformgesetzes des BMF sieht im Kern vor, das bisherige Bewertungs- und Grundsteuerrecht in seiner Grundstruktur zu erhalten und unter Berücksichtigung der Vorgaben des BVerfG und Einsatz der Digitalisierung fortzuentwickeln. Der Plan ist, dass die Wertsteigerung von Immobilien in die Berechnung der Grundsteuer einfließt. Wegen der Explosion der Immobilienpreise in den letzten Jahren würde damit das Grundsteueraufkommen stark ansteigen. Deshalb sieht der Gesetzentwurf auch Korrekturfaktoren vor. Zur Wertermittlung beabsichtigt der Referentenentwurf die Erhebung von fünf Daten:
- die Art der Immobilie,
- das Alter des Gebäudes,
- die Wohnflächen,
- die Mietniveaustufe
- sowie den Bodenrichtwert.
Das klingt nicht nur wie ein gewaltiges Bürokratiemonster – es ist eins.
Ein Eckpunkt des GrStRG ist auch die Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken: Steuerliche Anreize bei der Grundsteuer sollen helfen, baureife Grundstücke für eine Bebauung zu mobilisieren und nicht mehr als Spekulationsobjekt zu halten. Bei dem für Zwecke der Grundsteuer eingeführten Ertragswertverfahren soll bei Mieten neben der Unterscheidung nach drei Grundstücksarten, drei Wohnflächengruppen sowie fünf Baujahrsgruppen auch nach sechs gemeindebezogenen Mietniveaustufen differenziert werden.
Union lehnt Pläne rundum ab
Die Union lehnt auf Bundes- und Länderebene die BMF-Pläne ab. Bayern sowie CDU/CSU wollen – viel einfacher – nur die Flächen von Gebäuden und Grundstücken zum Ausgangspunkt der Berechnung nehmen. Ferner plädiert die Union für die Einführung einer Länderöffnungsklausel, die es bei einem Bundesgesetz den einzelnen Ländern erlaubt, eine eigenständige Regelung zu treffen. Zudem kritisiert das Unionslager den immensen Bürokratieaufwand, weil bei der Wertermittlung zu viele Parameter abgefragt werden müssten.
Wie geht es weiter?
Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass bei der Frage der Grundsteuerreform ein tiefer Riss nicht nur durch das gesamte Parlament, sondern auch durch die Regierungskoalition geht. Das ist kein gutes Zeichen, insbesondere nicht für die Kommunen. Trotz eines erneuten Milliardenüberschusses in 2018 – allein bei den Einnahmen aus Grundsteuer B von mehr als 200 Mio. € – sehen die Kommunen keinen Spielraum; weder für niedrigere Hebesätze noch für einen (teilweisen) Verzicht auf die Grundsteuer überhaupt. Deswegen wächst jetzt der zeitliche Druck. Sollte es vor der Sommerpause keine grundsätzliche Einigung geben, ist mit Rücksicht auf den erforderlichen zeitlichen Vorlauf des Gesetzgebungsverfahrens kaum zu erwarten, dass bis zum Jahresende ein neues Grundsteuergesetzt vorliegt.
Weitere Informationen:
Referentenentwürfe des Bundesministeriums der Finanzen:
- Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz – GrStRG)
- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken
- Verordnung zur Durchführung des § 254 Absatz 2 des Bewertungsgesetzes
Lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag im NWB Experten-Blog:
Grundsteuer rechtssicher und gerecht – BMF-Vorschlag überzeugt nicht!
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Jahn,
um die politische Blockade zwischen „WAM und WUM“ zu lösen bedarf es m.E. konkreter Kompromissvorschläge aus der Fachwelt, z. B.:
„Modifiziertes Bodenwertmodell“:
1. Ausgangswert: Grund und Boden-Fläche mit Bodenrichtwert mit Abschlag für übergroße Grundstücke z.B. hälftig ab 1.500 qm.
2. Multiplikation mit einem Faktor, der sich nur an den bekannten Größen Gebäudetyp mit Zahl der Wohnungen und der Höhe des Bodenrichtwertes orientiert.
Der Faktor steigt nicht linear mit der Zahl der Wohnungen, sondern begünstigt Mehrfamilienhäuser (z. B: EFH: 1,5; ZFH: 2,3; 3-FH 2,8, 4-FH, 3,1 usw.).
Da Baukosten pauschaliert überall gleich hoch sind, wird der Faktor zudem rechnerisch an Höhe der Bodenrichtwerte angepasst (z. B. Stadt: keine Anpassung, Land: 3fache).
3. Zur Abmilderung von Härten z.B. 10jährige Übergangsregelung: 1. Jahre max. 10fache des bisherigen EW, 2. Jahr 12 fache usw.
Beispiel:
EFH auf dem Lande, GruBo 2.500qm Bodenrichtwert € 50,-:
Bodenwert: 2000X50 + 500X25 = 112,5 T€ X Faktor 1,5 = ca. 168 T€; Anpassung X 3 = ca. 500 T€ Einheitswert
4-FH in der Stadt, 600qm, Bodenrichtwert € 600,-
Bodenwert: 600X600 = 360 T€ X Faktor 3,1 = ca. 1,1 Mio.€; keine Anpassung = ca € 1,1 Mio. Einheitswert
(pro Wohnung T€ 275)
Vorteile:
– kein aufwendiges Bewertungsverfahren nötig (alle Daten vorhanden)
– pauschalisierte Bewertung orientiert sich am kommunalen Aufwand (Straßen, Versorgung usw.) als verfassungsrechtlich zulässigem Maßstab. Dieser hängt pauschaliert betrachtet ab von der Grundstücksfläche und der Zahl der Wohnungen, während die Größe und der Wert der Wohnung unbeachtlich sind (keine Konkurrenz zur Vermögensteuer). Trotzdem werden im Schnitt realistische Werte erreicht.
– Begünstigung von Mietshäusern (keine Explosion der Nebenkosten)
– bundeseinheitliche Bewertungsmethode ohne verfassungsrechtlich fragliche Öffnungsklausel
– formaler Kompromiss zwischen Flächen- und Wertmodell zur politischen Gesichtswahrung
– Übergangsregelung trägt Bedenken wegen verbreiteter „Horrorzahlen“ Rechnung.
Mit freundlichen Grüßen
Til Clemens
Fachanwalt für Steuerrecht
Dipl.-Finw. (FH)
Sehr geehrter Her Clemens
danke für Ihren Kommentar. Ihr Vorschlag ist ein interessanter Diskussionsbeitrag; allerdings sollte aus meiner Sicht Kernanliegen der Reform ein einfaches Modell ohne großen Erhebungs- und Bewertungsaufwand sein. Das ist mE bei einem wertabhängigen Modell schwierig zu erreichen.
Zur Position der Wirtschaft darf ich Ihnen die aktuelle Eingabe der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft von gestern zur Kenntnis geben. Darin hat der DIHK gemeinsam mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft am 9. Mai 2019 zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts sowie eines Gesetzes zur Änderung des Grundsteuergesetzes zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken an das Bundesministerium der Finanzen Stellung genommen. Bundesminister Scholz wird sich laut Presseberichten (FAZ v. 3. Mai 2019, S. 17, „Verwirrung um Grundsteuer“) zur Thematik einer Länderöffnungsklausel am heutigen Freitag (10. Mai 2019) mit seinen Länderkollegen aus Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz treffen und zusammen mit vier Vertretern aus der Wissenschaft die Möglichkeiten einer Öffnungsklausel ausloten. Die vier Wissenschaftler sollen sein: Prof. Johanna Hey (Köln), Prof. Thorsten Ingo Schmidt (Potsdam), Prof. Joachim Wieland (Speyer) und Prof. Henning Tappe (Trier).
Übrigens: Für die Umsetzung der Reform der Grundsteuer müssen rund 30,9 Millionen wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens neu bewertet werden. Hinzu kommen 4,4 Millionen wirtschaftliche Einheiten im Bereich Land- und Forstwirtschaft sowie rund eine Million Fälle, in denen aufgrund der Anwendung der Ersatzbemessungsgrundlage kein Einheitswert vorliegt. Dies teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (BT-Drucks. 19/9538) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (BT-Drucks. 19/8910) mit.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. jur. Ralf Jahn