Update Finanzamtszinsen – Bundesregierung lehnt Zinssatzänderung weiterhin ab!

Die Politik lässt weiterhin jeden Willen vermissen, den sechs Prozent pro Jahr betragenden Zinssatz auf Steuernachforderungen (§ 238 Abs. 1 AO) zu senken. Die Finanzausschuss des Deutschen Bundestages hat am 25.9.2019 einen entsprechenden FDP-Antrag (BT-Drs. 19/10158) zurückgewiesen. Bei so viel politischer Unvernunft bleibt es dabei: Jetzt kann nur noch das Bundesverfassungsgericht helfen!

Hintergrund

In der nach wie vor  anhaltenden Niedrigzinsphase sind die in den Steuergesetzen festgelegten typisierenden Zinssätze von 6 Prozent (§ 238 AO und § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG) bzw. von 5,5 Prozent (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG) Luftschlösser: Sie sind in die Kritik geraten, weil sie durch ihre „realitätsferne Bemessung“ den Bezug zum langfristigen Marktzinsniveau längst verloren haben. Beim Bundesverfassungsgericht sind verschiedene Verfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Zinssätze anhängig (2 BvR 2706/17, 2 BvL 22/17, 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17). Der BFH hat mit seinen viel beachteten Beschlüssen v. 25.4.2018 – IX B 21/18 und v. 3.9.2018 – VIII B 15/18 bezogen auf § 233a AO Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt wegen „schwerwiegender verfassungsrechtlicher Zweifel“ an der Zinshöhe von 6 Prozent nach § 233a AO i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO. Das FG Hamburg (v. 31.1.2019 – 2 V 112/18) hat nachfolgend den Abzinsungszinssatz von 5,5 Prozent (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG) beanstandet.

Beim BFH ist unter dem Az. IV R 19/19 inzwischen eine Revision anhängig, ob die Zinshöhe in den Fällen des § 4 Abs. 4a S. 3 EStG noch verfassungsgemäß ist. Politische Vorstöße zur Änderung der geltenden Zinssätze sind bislang ohne Erfolg geblieben (BR-Drucks. 396/18, 397/18 vom 21.9.2018).

Finanzausschuss lehnt FDP-Antrag ab

Nach dem erfolglosen politischen Vorstoß vom Herbst 2018 hat die FDP am 14.5.2019 im Bundestag abermals einen Antrag mit dem Ziel eingebracht, den Nachzahlungszins von 6 Prozent /Jahr realitätsgerecht anzupassen (BT-Drs. 19/10158). Danach sollte der Zinssatz nur noch ein Zwölftel des Basis-Zinssatzes im Sinne des § 247 BGB, mindestens aber 0,1 Prozent, betragen. Dafür stimmten die Fraktionen von FDP und AfD, alle anderen Fraktionen lehnten den Antrag jedoch ab – damit bleibt alles beim Alten.

Für die Bundesregierung orientiert sich der Nachzahlungszinssatz nicht an den Marktzinsen, sondern an den Sätzen für Verzugs- und Überziehungszinsen. Die vom BFH geäußerte Kritik (BFH v. 25.4.2018 – IX B 21/18) werde nicht geteilt, erklärte die Regierung in der Sitzung lapidar. Die CDU/CSU-Fraktion empfahl, ein ausstehendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Nachzahlungszinssätzen abzuwarten. In diese Richtung argumentierte auch die SPD-Fraktion, die zusätzlich darauf hinwies, dass der Nachzahlungszinssatz in den ersten 15 Monaten gar nicht erhoben werde und im Übrigen auch auf Rückzahlungen von den Finanzämtern Anwendung finde – na toll! Die AfD bewertet das Regierungsverhalten als weiteren „Beleg für die Politikunfähigkeit“, nachdem die Regierung – wie bei der Grundsteuer – auf einen „Marschbefehl“ des BVerfG warte.

Ausblick

Es ist mehr als bedauerlich, dass die Politik bei der Neuregelung der Finanzamtszinsen weiterhin untätig bleibt, obwohl das Verzinsungsproblem inzwischen nicht nur Nachzahlungszinsen, Stundungszinsen, Hinterziehungszinsen oder Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung betrifft, sondern in der Rechtsprechung auch den Abzinsungszinssatz von 5,5 Prozent oder die Zinshöhe in den Fällen des § 4 Abs. 4a S. 3 EStG.

Eine gesetzliche Zinssatzhöhe weit jenseits vom Marktzinsniveau hat sich damit schon längst von einem punktuellen Problem zu einem steuerlichen „Flächenbrand“ entwickelt. Umso dringlicher ist, dass das Bundesverfassungsgericht nun endlich Klarheit schafft und über die Verfassungsmäßigkeit der Zinssatzhöhe entscheidet.

Allerdings: In diesem Jahr ist nach der Vorschau des BVerfG mit einem Urteil nicht mehr zu rechnen – leider! Dem Steuerbürger bleibt deshalb auch weiterhin nichts anderes übrig, als sich gegen übertriebene Zinsforderungen des Finanzamtes durch Einspruch und ggf. Klage zu wehren.

Quellen

Lesen Sie zu diesem Thema meine Beiträge hier im NWB Experten-Blog:

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