Die Regierungskoalition hat sich beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz jetzt geeinigt, in Kürze soll das Gesetz den Bundestag passieren. Was soll sich beim Zuwanderungsrecht ändern?
Hintergrund
Ich habe das Thema wiederholt im Blog aufgegriffen: Der Fachkräftemangel in Deutschland ist aus Sicht der Unternehmen ein zentraler Wachstumskiller, mehr als zwei Drittel der Unternehmen – egal welcher Größe und Branchenzugehörigkeit – sind Umfrageergebnissen zufolge dieser Ansicht. Mit dem Gesetz für mehr Aus- und Weiterbildungsförderung will die Ampelkoalition wichtige Impulse zur Weiterqualifizierung von inländischen Arbeitskräften setzen. Auch neue Regelungen im Fachkräfteeinwanderungsgesetz sollen den Fachkräftemangel bekämpfen.
Mit welchen Regelungen soll der Fachkräftemangel bekämpft werden?
Der Gesetzentwurf der Koalition (BT-Drs. 20/6500) zielt insbesondere darauf ab, im Ausland mehr Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt anzuwerben. Wichtig sind hierbei vor allem folgende Neuerungen:
Punktesystem: Hierzu soll unter anderem ein Punktesystem nach Vorbild etwa der Länder Kanada oder Australien eingeführt werden. Damit wird die Einwanderung von Menschen ermöglicht, die zwar noch kein konkretes Arbeitsplatzangebot haben, jedoch Potential für den deutschen Arbeitsmarkt. Punkte gesammelt werden können etwa für die (bisherige) berufliche Qualifikation, Sprachkenntnisse oder Berufserfahrung. Wer eine bestimmte Punkteschwelle erreicht, kann zur Arbeitsaufnahme für ein Jahr nach Deutschland einreisen, kann aber keine Sozialleistungen beziehen. Wer nach einem Jahr keine Beschäftigung gefunden hat, muss wieder ausreisen. Auch wer zunächst nur als Tourist einreist, aber ein den neuen Anforderungen entsprechendes Arbeitsangebot hat, kann bleiben.
Blue Card für Hochqualifizierte: Für Hochqualifizierte, die über eine sog. Blue Card zur Arbeitsaufnahme einreisen, wurde die erforderliche Mindestverdienstschwelle gegenüber dem ursprünglichen Gesetzentwurf nochmals deutlich abgesenkt, um diese wichtige Zielgruppe von Fachkräften anwerben zu können. Wer künftig per Blue Card einreisen will, muss mindestens rund 3.500 Euro brutto im Monat verdienen.
Spurwechsel: Menschen, die bis zum 29.3.2023 in Deutschland Asyl beantragt haben, erhalten die Möglichkeit eines sog. „Spurwechsels“. Bei Erfüllung der Voraussetzungen, unter denen sie nach Deutschland hätten kommen können, dürfen sie künftig vom Asylsystem in die Arbeitsmigration wechseln. Bei künftigen Neuankömmlingen soll von Beginn an differenziert werden, ob sie wegen politischer Verfolgung einreisen oder vornherein mit dem Ziel der Arbeitsaufnahme.
Wie ist das zu bewerten?
Deutschland war in seiner Geschichte schon immer ein Einwanderungsland. Das bisherige Fachkräfteeinwanderungsgesetz aus dem Jahr 2019 (BT-Drs.19/8285) blieb ohne den gewünschten Effekt, da es zu bürokratiebelastet war und überlange Verwaltungsverfahren nach sich zog. Jetzt soll ein wichtiger Schritt mit mehr Mut bei der Zuwanderung erfolgen. Das ist unumgänglich, will Deutschland im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe und Talente nicht dauerhaft zweiter Sieger bleiben. Allerdings ist hierfür eine weitere Verbesserung digitalisierter Verwaltungsverfahren (etwa bei der Visaerteilung in den Auslandvertretungen) und eine verbesserte Sprachförderung für Zuwanderern im Inland erforderlich. Warten wir also ab, ob sich diese Einsichten jetzt auch im Bundestag und abschließend im zweiten Durchgang im Bundesrat durchsetzen; die Erwartungen der deutschen Wirtschaft sind jedenfalls riesig…
Weitere Informationen:
- Regierungsentwurf
- BT-Drs. 20/6500
- BR-Beschluss v. 12.5.2023
- NWB Experten-Blog: Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung