Der Verzehr von Speisen in Restaurants soll dauerhaft mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent besteuert werden: Das sehen mehrere Oppositionsanträge zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (BT-Drs. 20/5810; BT-Drs.20/8409; BT-Drs. 20/8416) vor. Doch die Ampelmehrheit im Bundestag lehnt dies auch am 21.9.2023 weiterhin ab. Eine Einordnung und Bewertung.
Hintergrund
Die Senkung des Umsatzsteuersatzes für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen mit Ausnahme der Abgabe von Getränken von 19 Prozent auf den ermäßigten Satz von sieben Prozent (§ 12 Abs.2 Nr.15 UstG) war zum 1.7.2020 vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie eingeführt und mehrfach verlängert worden, zuletzt bis 31.12.2023. Dies war ein Beitrag zur Bekämpfung der Corona-Folgen und zur Stärkung der Binnennachfrage, der nach der ersten Befristung bis 30.6.2021 (Corona-Steuerhilfegesetz v. 19.6.2020, BGBl 2020 I S. 1385) mehrfach verlängert wurde. Verbände und Ökonomen beurteilen seit Frühjahr 2023 die ins Spiel gebrachte dauerhafte Entfristung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes überaus kritisch: Neben fiskalischen werden vor allem auch ordnungspolitische Verwerfungen im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen beklagt. Das BMF wollte die Entfristung vom Ausgang der Steuerschätzung im November 2023 abhängig machen.
Gesetzentwurf der CDU-/CSU-Fraktion
Der Vorschlag der Unionsfraktion sieht eine (dauerhafte) Entfristung des für Speisen und Dienstleistungen in der Gastronomie derzeit geltenden Umsatzsteuersatzes von 7 Prozent vor. Getränke werden unverändert mit 19 Prozent umsatzbesteuert. Der Unionsvorschlag wurde auf Grundlage einer (ablehnenden) Beschlussempfehlung des BT-Finanzausschusses (BT-Drs. 20/7371) abgestimmt, ferner hat die Unionsfraktion hat einen Entschließungsantrag (BT-Drs. 20/8425) vorgelegt, der neben der Beibehaltung des bestehenden ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auch flexible Arbeitszeitmodelle fordert.
Die Entfristung und dauerhafte Anwendung des ermäßigten Satzes in der Gastronomie führen nach Ansicht der CDU/CSU-Fraktion zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Gastronomie angesichts steigender Belastungen vor allem durch hohe Energie- und Einkaufspreise. Dies gelte unabhängig von Verhaltensänderungen in der Weise, dass Verbraucher verstärkt geliefertes oder mitgenommenes Essen konsumieren würden, das dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegt. Insbesondere im ländlichen Raum seien Restaurants und Wirtshäuser unverzichtbare Treffpunkte. Eine lebendige und vielfältige Restaurantkultur trage wesentlich zur Lebens- und Standortqualität sowie zur Attraktivität als Reiseziel für in- und ausländische Gäste bei. Außerdem betont die Union, dass ein Auslaufen des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes eine grundsätzliche Wettbewerbsbenachteiligung innerhalb Europas bedeute. 23 der 27 EU-Mitgliedstaaten würden ihrer Gastronomie einen ermäßigten Steuersatz gewähren.
Bewertung
Die ab dem Jahr 2024 zu erwartenden Umsatzsteuer Mindereinnahmen werden mit jährlich rund 3,3 Milliarden Euro beziffert – viel Geld für einen angeschlagenen Bundeshaushalt. Nach Mitteilung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) gibt es derzeit bundesweit noch rund 186.000 Hotel- und Gaststättenbetriebe, die von der Umsatzsteuerentlastung profitieren. Entfiele diese, wären viele Gastrobetriebe in ihrer Existenz bedroht, weil sich 12 zusätzliche Umsatzsteuerprozentpunkte nicht einfach beim Gast „abladen“ lassen.
„Gaststätten bilden das Lagerfeuer der Nation, sie prägen unsere Identität, in der Stadt und auf dem Land.“, heißt es im Entschließungsantrag der Unionsfraktion vom 19.9.2023 (BT-Drs. 20/7371). Allein 2020 und 2021 haben bundesweit rund 36.000 Gastronomiebetriebe für immer geschlossen. Dieser Trend dürfte sich bei einer Rückkehr zum Regelsteuersatz der Umsatzsteuer von 19 Prozent fortsetzen, nachdem namentlich in der Speisegastronomie der größere Umsatzanteil auf die Abgabe von Speisen entfällt. Mit der Rückkehr zum Steuersatz auf 19 Prozent auf Speisen kehren auch die altbekannten praktischen Abgrenzungsprobleme wieder an die gastronomischen Tische und Theken zurück: Mahlzeiten, die in Porzellangeschirr serviert werden, würden beispielsweise künftig wieder mit 19 Prozent besteuert, solche in Einwegmaterial aber mit sieben Prozent – das verstehe wer wolle.
Energie und Lebensmittelpreise sind seit geraumer Zeit die größten Preistreiber – auch in der Gastronomie. Dieser Trend wird befeuert, wenn Speisen ab 1.1.2024 wieder mit 19 Prozent umsatzbesteuert werden. Pikanterweise hat deshalb auch die Fraktion der Linken am 21.9.2023 im Bundestag beantragt die Bundesregierung aufzufordern, „einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den auf 7 Prozent gesenkten Umsatzsteuersatz auf Lieferungen von Gas und Fernwärme sowie auf Speisen in der Gastronomie verlängert und entfristet“ (BT-Drs. 20/8409). In die gleiche Richtung weist ein Antrag der AfD-Fraktion vom 19.9.2023 (BT-Drs. 20/8416).
Es ist schon bezeichnend: Wenn in derselben Bundestagssitzung die gesamte Opposition mit drei Anträgen unterschiedlicher Fraktionen mit gleicher Zielrichtung für eine dauerhafte Entfristung der ermäßigten Umsatzsteuer kämpft, zeugt das davon, dass in der Gastronomie „Feuer unterm Dach“ ist – kann sich da die Regierungsmehrheit noch immer als „Löschtrupp“ verweigern?
Die Oppositionsanträge warten zwar nicht die November-Steuerschätzung ab, kommen aber dennoch nicht „zur Unzeit“. Denn auch die Gastronomiebetrieb benötigen einen Planungshorizont und Vorlauf, der rechtzeitig Klarheit bringt, auf welche Umsatzsteuerbelastung sie sich ab 1.1.2024 einstellen müssen – auch für ihre Gäste.
Weitere Informationen:
- Corona-Steuerhilfegesetz v. 19.6.2020, BGBl 2020 I S. 1385 mit Folgeänderungen
- BT-Drs. 20/5810
- BT-Drs. 20/7371
- Deutscher Bundestag – Gesetzentwurf zur ermäßigten Umsatzsteuer in Restaurants
- BT-Drs. 20/8409
- BT-Drs. 20/8416