Ende November hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die bayerischen Corona-Ausgangssperren vom April 2020 für rechtswidrig erklärt. Jetzt gibt es im Wege des Gnadenrechts eine Rückzahlungsregelung, nach der zu Unrecht gezahlte Bußgelder auf Antrag zurückgezahlt werden. Nur in Bayern oder auch in den anderen Bundesländern?
Hintergrund
Zu Beginn der Corona-Pandemie haben die Länder mit einem umfangreichen infektionsschutzrechtlichen Maßnahmenkatalog reagiert, um eine Ausbreitung des Virus möglichst einzudämmen. Etliche dieser Maßnahmen wurden durch die Verwaltungsgerichte in den Ländern beanstandet. Für Bayern hat das BVerwG im November eine bußgeldbewehrte Ausgangsbeschränkung beanstandet, nach der etwa verboten war, die eigene Wohnung ohne triftigen Grund verlassen, alleine auf einer Parkbank sitzen und ein Buch zu lesen – ich habe Anfang Dezember 2022 im Blog berichtet. Der Freistaat Bayern, der im April 2020 bayernweit rund 22.000 Bußgeldbescheide über jeweils bis zu 150 Euro verschickt hat, hat die Rückzahlung rechtswidrig erhobener Bußgelder angekündigt – und jetzt Anfang März 2023 umgesetzt.
Welches Verbot wurde konkret vom BVerwG beanstandet?
Nach § 4 Abs. 2 BayIfSMV* war das Verlassen der eigenen Wohnung nur bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt. Triftige Gründe waren insbesondere die in Absatz 3 aufgeführten Tätigkeiten, darunter Sport und Bewegung an der frischen Luft, allerdings ausschließlich alleine oder mit Angehörigen des eigenen Hausstandes und ohne jede sonstige Gruppenbildung (§ 4 Abs. 3 Nr. 7 BayIfSMV). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat auf einen Normenkontrollantrag von zwei Privatpersonen festgestellt, dass § 4 Abs. 2 und 3 BayIfSMV unwirksam war. Das Bundesverwaltungsgericht (3 CN 2.21) hat die Revision des Freistaats Bayern zurückgewiesen und festgestellt, dass die genannte Ausgangssperre für den Infektionsschutz nicht erforderlich und somit eine unverhältnismäßige Grundrechtsbeschränkung war. Alle anderen Verbotsmaßnahmen waren aber zulässig.
Es können deshalb nur diejenigen Bußgelder zurückgezahlt werden, die aufgrund des § 4 Abs. 2 und 3 der 1. BayIfSMV im Zeitraum 1. bis 19.4.2020 wegen des Verlassens der eigenen Wohnung zum Verweilen im Freien alleine oder ausschließlich mit Angehörigen des eigenen Haustandes erlassen worden sind. In anderen Fällen finden keine Rückzahlungen statt – etwa, wenn Bußgelder verhängt wurden, weil Personen die eigene Wohnung verlassen haben, um mit anderen eine „Corona-Party“ zu feiern. Hier bleibt es bei der Bestandskraft der Bußgeldbescheide.
Wo und wie müssen betroffene Anträge stellen?
Betroffene können die Rückzahlung jetzt in den betroffenen Fällen mit einem formlosen Schreiben beantragen, eine Frist gibt es dafür nicht. Dem Antrag sollte der ursprüngliche Bußgeldbescheid, ein Aktenzeichen oder wenigstens ein Zahlungsnachweis (Kontoauszug mit Aktenzeichen) beigefügt werden, damit die Rückzahlung bearbeitet werden kann. Wurde das Bußgeld in einem bestandskräftigen Bußgeldbescheid (§§ 65 ff. OWiG) verhängt, so entscheiden die Regierungen über die Rückerstattungen. In diesem Fall können die Anträge bei den Kreisverwaltungsbehörden, die den Bußgeldbescheid erlassen haben, oder direkt bei der für die jeweilige Kreisverwaltungsbehörde zuständigen Regierung eingereicht werden.
Wurde das Bußgeld in einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung in der Sache ausgesprochen, sind die Justizbehörden für die Entscheidung über die Rückerstattung zuständig. In diesen Fällen wird empfohlen, den Antrag bei dem Gericht, das in erster Instanz über die Geldbuße entschieden hat, oder bei der für dieses Gericht zuständigen Staatsanwaltschaft zu stellen.
Gibt es die Rückzahlung rechtswidriger Bußgelder auch in anderen Bundesländern?
Klare Antwort: Nein. Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung der Rechtsfolgen eines rechtswidrigen bestandkräftigen Bußgeldbescheides kennt unsere Rechtsordnung nur in engen Ausnahmefällen. Auch in Bayern ist Grundlage der jetzt erfolgten Rückzahlungsmöglichkeit „auf Antrag“ das sog. Gnadenrecht, das eine Billigkeitsentscheidung ohne rechtliche Verpflichtung beinhaltet.
Das bedeutet, dass in anderen (Bundes-)Ländern ein entsprechender Gnadenakt erfolgen müsste, sollte auch dort die Rückzahlung von Bußgeldern erwogen, die sich auf (nachträglich rechtswidrige) Corona-Beschränkungen beziehen.
Lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag:
Rechtswidrige Corona-Ausgangssperren – Müssen jetzt Bußgelder zurückgezahlt werden?