Mitten in der Energie- und Wirtschaftskrise hatte die Bundesregierung am 14.9.2022 mit dem Kabinettsbeschluss zur Einführung des Bürgergeldes ihre wohl größte Sozialreform auf den Weg gebracht. Jetzt ist das Vorhaben im Bundesrat am 14.11.2022 gescheitert: Die Reform kann nicht plangemäß zum 1.1.2023 in Kraft treten.
Hintergrund
Das Bundeskabinett hatte am 14.9.2022 grünes Licht für die Einführung des Bürgergelds in Deutschland gegeben. Es sollte bereits zum 1.1.2023 das heutige sog. Hartz-IV-System ablösen, so der Entwurf eines „Zwölften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze“ – ich habe im Blog berichtet. Am 10.11.2022 hat der Bundestag mit der Regierungsmehrheit den Gesetzentwurf eines Bürgergeldes beschlossen (BT-Drs. 20/3873; BT-Drs. 20/4360). Jetzt hat der Bundesrat am 14.11.2022 seine erforderliche Zustimmung verweigert (BR-Drs. 574/22).
Bundesrat stoppt Bürgergeld-Pläne
Am 14.11.2022 haben jetzt die Landesregierungen mit Unionsführung bzw. Unionsbeteiligung im Bundesrat – wie angekündigt – die Bürgergeldreform angehalten; dies war zu erwarten, nachdem Kompromissverhandlungen zwischen Regierung und Opposition in letzten Tagen gescheitert waren. In der Abstimmung wurde im Bundesrat die erforderliche Zustimmungsmehrheit von 35 Stimmen verfehlt. Die Opposition hat vor allem die sanktionsfreie Karenz- und Vertrauenszeit beanstandet, ferner dass sich Arbeiten mehr lohnen müsse als nicht zu arbeiten, damit die Reform keine falschen Anreize setzt.
Wie geht’s jetzt weiter?
Die Ampelkoalition wollte mit dem Bürgergeld ein Kernvorhaben aus dem Koalitionsvertrag (S. 75 ff, Ziff.2471 ff.) umsetzen. Daraus wird nun nichts – zunächst jedenfalls. Bundesregierung oder Bundestag können nun den Vermittlungsausschuss anrufen (Art. 77 Abs.2 GG), um mit den Ländern doch noch einen Kompromiss zu erzielen.
Fest steht aber: Das Ziel der Bundesregierung, das Reformvorhaben pünktlich zum 1.1.2023 umzusetzen, ist gescheitert. Denn wie die maßgeblich im Reformprozess beteiligte Bundesagentur für Arbeit mit ihren Jobcentern schon im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens mitgeteilt hat, wäre spätestens bis zum 30.11.2022 der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens erforderlich gewesen, damit die erforderlichen Umstellungsarbeiten, etwa bei der Berechnung der neuen Regelbedarfe, die angehoben werden sollen, digital fristgerecht umsetzen zu können.
Das weitere Verfahren im Vermittlungsausschuss kann sich durchaus hinziehen, wenn sich die jeweils 16 Vertreter aus Bundestag und Bundesrat im Vermittlungsausschuss nicht schnell einigen. Das Vermittlungsverfahren zu einem Gesetz kann – ohne dass man sich auf einen Kompromissvorschlag verständigt – frühestens nach drei ergebnislosen Einigungsversuchen abgeschlossen werden. Das setzt allerdings voraus, dass ein Mitglied des Ausschusses frühestens nach dem Scheitern des zweiten Einigungsversuchs beantragt hat, das Vermittlungsverfahren in der darauffolgenden Sitzung abzuschließen. Das kann dauern!
Warten wir also gespannt ab, welche Zugeständnisse Bundesregierung und Opposition im weiteren Verfahren machen und wie schnell politische Bewegung möglich ist. Einigt man sich nicht, ist das wohl größte Reformvorhaben der SPD endgültig gescheitert – dann auch zu Lasten derjenigen, die gerade in Zeiten eines dramatischen Inflationsanstiegs Hilfe gebrauchen könnten.
Quellen