Update: BFH hält Solidaritätszuschlag weiterhin für verfassungsgemäß

Paukenschlag: Der BFH hält den „Soli“ auch in der ab 2020 geltenden Fassung nicht für verfassungswidrig. Das urteilte das höchste deutsche Finanzgericht am 30.1.2023 (BFH v. 17.1.2023 – IX R 15/20, veröffentlicht am 30.1.2023). Und nun?

Hintergrund

Ich habe mehrfach im Blog berichtet, zuletzt über die jüngste mündliche BFH-Verhandlung von 17.1.2023: Der ursprünglich befristete Soli von 1991 zur Finanzierung des Golf-Krieges war bis Mitte 1992 befristet, wurde dann Mitte der 90er Jahre aber zur Finanzierung der Zusatzlasten aus der deutschen Wiedervereinigung eingeführt, unbefristet durch das Solidaritätszuschlagsgesetz (SolzG 1995, BGBl 1995 I S. 1959). Seit etlichen Jahren wird um die Abschaffung dieser Ergänzungsabgabe (Art. 106 GG) gerungen, auch vor den Finanzgerichten bis hin zum BVerfG.

Bislang hat der Damm gehalten: Für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2019 haben die Gerichte den Soli für verfassungsgemäß erklärt. Mit Auslaufen des Solidarpaktes II Ende 2019 und der Reform des Soli ab VZ 2020, die seitdem die Erhebung auf rund 10 Prozent der „Besserverdienenden“ beschränkt, kam aber neue Bewegung in die Diskussion: Ist die Beschränkung noch zeitgerecht, die Beschränkung auf einen kleinen Kreis von Steuerzahlern gerecht?

BFH hält dem Soli die Stange

Der Ausgang war im Vorfeld der Entscheidung offen, doch seit 30.1.2023 wissen wir: Der BFH hält den Soli auch ab 2020 für verfassungsgemäß, er darf also auch weiterhin erhoben werden, der Fiskus verdient damit satte rund 11 Mrd. Euro zusätzlich an Steuern im Jahr. Eine Vorlage des BFH an das BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG gibt es also nicht. Die wesentlichen Überlegungen lassen allerdings manches Fragezeichen zu:

  • Mit dem Auslaufen des Solidarpakts II und der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs zum Jahresende 2019 habe der Soli seine Rechtfertigung als Ergänzungsabgabe nicht verloren. Eine zwingende rechtstechnische Verbindung zwischen dem Solidarpakt II, dem Länderfinanzausgleich und dem Soli bestehe nicht. So weit so gut.
  • In 2020 und 2021 habe nach wie vor ein wiedervereinigungsbedingter Finanzbedarf des Bundes bestanden. Der Gesetzgeber habe in der Gesetzesbegründung auf diesen fortbestehenden Bedarf, der „unter anderem im Bereich der Rentenversicherung und des Arbeitsmarkts“ gegeben war, hingewiesen. Er habe weiterhin schlüssig dargelegt, dass die Einnahmen aus dem ab 2021 fortgeführten Solidaritätszuschlag zukünftig die fortbestehenden wiedervereinigungsbedingten Kosten nicht decken werden. Hallo – wie lange denn noch? Ein Zeitraum beim Solidaritätszuschlag von jedenfalls 26 bzw. 27 Jahren nach seiner Einführung ist dem BFH noch immer nicht genug, um das Ende der Bewältigung einer Generationenaufgabe anzunehmen? Erst nach 30 Jahren bestehe eine Überprüfungspflicht des Gesetzgebers, meint der BFH. Das bedeutet: In drei Jahren holen die Besserverdiener die Akten aus dem Schrank und ziehen erneut vor die Finanzgerichte.
  • Dass sich die einigungsbedingten Kosten im Laufe der Zeit weiter verringern werden, habe der Gesetzgeber mit der ab dem Jahr 2021 in Kraft tretenden Beschränkung des Solidaritätszuschlags auf die Bezieher höherer Einkommen und der damit verbundenen Reduzierung des Aufkommens in Rechnung gestellt. Aus dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags werde deutlich, dass der Gesetzgeber diesen nicht unbegrenzt erheben will, sondern nur für eine Übergangszeit. Aber wie lange bitte darf diese „Übergangszeit“ noch dauern? Noch 5, noch 10 oder noch 20 Jahre?
  • Es verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ( 3 Abs. 1 GG), dass ab dem Jahr 2021 aufgrund der erhöhten Freigrenzen nur noch die Bezieher höherer Einkommen mit Solidaritätszuschlag belastet werden. Rechtfertigung: Bei Steuern, die wie die Einkommensteuer und damit auch der Soli an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, sei die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig. Daher könne auch der Gesetzgeber beim Soli, der im wirtschaftlichen Ergebnis eine Erhöhung der Einkommensteuer darstellt, sozialen Gesichtspunkten Rechnung tragen und diesen auf Steuerpflichtige mit hohen Einkünften beschränken. Das ist unehrlich: Ehrlicher wäre, sich zu einer echten Steuererhöhung zu bekennen.

Fazit

Die Entscheidung des BFH steht, sie wird den Besserverdienern nicht gefallen. Die Begründung des BFH wirkt aber wie „gedrechselt“ – wie können wir es dem Fiskus denn noch mal recht machen. Das ruft Befremden hervor. Erst nach 30 Jahren – nach Adam Riese für VZ 2025 – soll nochmal nachgedacht werden dürfen, bis dahin darf der Fiskus zulangen.

Ob es damit sein Bewenden hat, muss jetzt erst mal abgewartet werden. Denn den Klägern bleibt immerhin der Weg zum BVerfG nach Karlsruhe, das dann – möglicherweise – auch bis 2025 entschieden hat.

Alternativ kommt in Betracht, dass der Gesetzgeber endlich zur Besinnung kommt und den Soli abschafft – für alle! Die FDP will das schon länger und trauert jetzt sicher nach der BFH-Entscheidung; SPD und Grüne werden sich weiterhin auf dem richtigen Pfad wähnen. Nun gut: Bald gibt es wieder Bundestagswahlen und der Wähler kann entscheiden, wie er es gern hätte…!

Quellen

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