Die Fraktion der AfD hat im Bundestag die sofortige vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags gefordert (BT. Drs.20/11149), doch der federführende Finanzausschuss hat am 16.5.2024 mit parteiübergreifender Mehrheit empfohlen, den Antrag am 7.6.2024 im Bundestag abzulehnen. Eine Einordnung und Bewertung.
Hintergrund
Der ursprüngliche Soli von 1991 zur Finanzierung des Golf Krieges war bis Mitte 1992 befristet, wurde dann Mitte der 90er Jahre aber zur Finanzierung der Zusatzlasten aus der deutschen Wiedervereinigung eingeführt, unbefristet durch das Solidaritätszuschlagsgesetz (SolzG 1995).
Seit etlichen Jahren wird um die Abschaffung dieser Ergänzungsabgabe (Art. 106 GG) gerungen, auch vor den Finanzgerichten bis hin zum BVerfG. Mit Auslaufen des Solidarpaktes II Ende 2019 und der Reform des Soli ab VZ 2020, die seitdem die Erhebung auf rund 10 Prozent „Besserverdienende“ beschränkt, wird darum gestritten, ob diese Ungleichbehandlung der Steuerzahler noch verfassungsmäßig ist. Nach dem Inhalt des Koalitionsvertrages der aktuellen Regierung will die FDP den Soli in der laufenden Legislatur vollständig abschaffen. Auch die CDU/CSU will das, allerdings verbunden und eingebettet in eine grundlegende Unternehmenssteuerreform. Die AfD will die sofortige ersatzlose Streichung des Soli (BT-Drs. 20/11149).
Wie beurteilen die obersten Gerichte das Festhalten am Soli?
Der BFH hat bislang eine klare Linie: Er hält die Festsetzung und Erhebung des Solidaritätszuschlags für den Veranlagungszeitraum 2005, 2007, 2011 und für die Veranlagungszeiträume bsi 2021 (BFH vom 17.01.2023 – IX R 15/20) für finanzverfassungsrechtlich gerechtfertigt, also verfassungskonform.
Eine Klage, mit der die Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlags geltend gemacht wird, ist deshalb nach Ansicht des BFH unzulässig, wenn der Solidaritätszuschlag unter Hinweis auf ein entsprechendes Musterverfahren beim Bundesverfassungsgericht vorläufig festgesetzt worden ist. Das hat der BFH zuletzt mehrfach entschieden und hierbei auf die beim BVerfG unter 2 BvR 1505/20 anhängige Verfassungsbeschwerde verwiesen (BFH v. 26.9.2023 – IX R 9/22 und IX R 16/22).
Das BVerfG will nach eigener Ankündigung (BVerfG-Jahresvorausschau Nr. 27) noch in diesem Jahr über die von sechs Abgeordneten der FDP-Fraktion erhobene Verfassungsbeschwerde gegen das SolzG 1995 i.d.F. des Gesetzes zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 vom 10.12.2019 (BGBl 2019 I S. 2115) entscheiden.
Wichtig ist in diesem Kontext auch eine wichtige Einschränkung des BFH im Urteil v. 17.1.2023 – IX R 15/20:
„Eine zeitliche Begrenzung einer nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG im Grundsatz unbefristet erhobenen Ergänzungsabgabe kann sich allerdings daraus ergeben, dass die Ergänzungsabgabe den Zweck hat, einen vorübergehenden, aufgabenbezogenen Mehrbedarf des Bundes zu finanzieren; sie darf damit kein dauerhaftes Instrument der Steuerumverteilung sein.“
Wenn dem Gesetzgeber nach BFH-Ansicht (Rz. 55) ein „Generationenabstand“, also ein Zeitraum von 30 Jahren zuzubilligen ist, läuft dieser Ende 2024 ab. Das bedeutet, dass sich der Gesetzgeber jetzt auch beim Haushaltsentwurf 2025 Gedanken darüber machen muss, wie er die Aufrechterhaltung des „Soli“ weiter rechtfertigen will.
Einordnung und Bewertung des weiteren parlamentarischen Vorgehens
Man muss kein Prophet sein: Der Bundestag wird mit den Stimmen der Regierungsmehrheit den AfD-Antrag (BT-Drs. 20/11149) am 7.6.2024 ablehnen. Jedenfalls auf den ersten Blick irritiert aber, dass im Finanzausschuss selbst die FDP die Soli-Abschaffung blockiert, obwohl sie selbst die Abschaffung im Koalitionsvertrag als Politikziel angekündigt hat und obwohl sie selbst durch Fraktionskollegen gegen den Soli vor dem BVerfG zu Felde zieht. Das zu verstehen erfordert schon ein gewisses Maß an Phantasie.
Aus Sicht des BFH muss der Gesetzgeber über die Fortführung oder Abschaffung des Soli ab VZ 2025 ja schon im laufenden Jahr 2024 Farbe bekennen; die Abschaffung würde immerhin 10 Mrd. Euro/Jahr kosten, ein Volumen, das nach der jüngsten Steuerschätzung vom Mai 2024 nicht so einfach verzichtbar ist. Berücksichtigt man dann noch die „Überschuldung“ der Vorentwürfe für den Bundeshaushalt 2025, bei dem die Ausgabenwünsche deutlich größer als die Finanzierungsspielräume sind, sind die Aussichten für eine Abschaffung des Soli durch den Gesetzgeber ab 2025 eher trübe. Etwas ändern daran könnte nur ein Machtwort des BVerfG…
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