Mit seinem Urteil vom 14.05.2020 (VI R 3/18) hat der BFH entschieden, dass solche Studierende, die bereits eine Erstausbildung abgeschlossen haben, ihre Unterkunftskosten und den Verpflegungsmehraufwand bei einem Auslandssemester als vorab entstandene Werbungskosten abziehen können. Hierbei sind allerdings Besonderheiten zu beachten.
Hintergrund
Im zu entscheidenden Fall nahm die Klägerin nach einer abgeschlossenen Erstausbildung das Studium „International Business“ an einer inländischen Fachhochschule auf. Für diesen Studiengang schrieb die Prüfungsordnung ein zweisemestriges Studium an einer ausländischen Partnerhochschule sowie ein Auslandspraxissemester vor. Sowohl während des Auslandssemesters als auch des Praxissemesters blieb die Klägerin an der Hochschule eingeschrieben.
Für die Zeit während des Auslandsaufenthalts in 2014/2015 machte die Klägerin die Unterkunftskosten und Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten geltend. Ihren Wohnsitz hatte sie während der gesamten Zeit in der Wohnung der Eltern beibehalten. Das Finanzamt lehnte diese Geltendmachung allerdings ab, mit der Begründung, dass die ausländische Universität die erste Tätigkeitsstätte der Klägerin sei. Da eine doppelte Haushaltsführung, im Rahmen derer die Werbungskosten hätten angesetzt werden können, nicht vorliege, wurde der Abzug verwehrt. Das FG folgte dieser Auffassung.
BFH widerspricht Finanzgericht und Finanzamt
Im ergangenen Urteil des BFH widerspricht dieser dem FG und dem FA. Er konstatiert, dass gerade keine erste ausländische Tätigkeitsstätte vorliegt: Soweit die Studienordnung vorsieht, dass ein Teil des Studiums an einer ausländischen Hochschule absolviert werden kann/muss, bleibt die inländische Hochschule die erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 8 EStG – jedenfalls dann, wenn der Studierende der inländischen Universität auch für die Zeit des Auslandsaufenthalts zugeordnet ist. Die Kosten für Unterkunft und Verpflegungsmehraufwendungen im Ausland seien daher als (vorweggenommene) Werbungskosten steuerlich zu berücksichtigen, auch wenn keine doppelte Haushaltsführung vorliege.
Da die Klägerin sich im Ausland nur vorübergehend aufhielt und weiterhin an der FH im Inland eingeschrieben war, begründete sie im Ausland keine erste Tätigkeitsstätte. Entsprechendes gelte für ihr Praxissemester. Das in dem Zusammenhang bestehende Arbeitsverhältnis werde durch die Vorgaben der inländischen Prüfungsordnung durch den vorrangigen Veranlassungszusammenhang mit dem Studium überlagert. Die Unterkunftskosten als auch die Verpflegungsmehraufwendungen seien daher als vorweggenommene Werbungskosten berücksichtigungsfähig. § 9 Abs. 6 EStG stehe dieser Betrachtung nicht entgegen, da die Klägerin vor Beginn ihres Studiums bereits eine erste Berufsausbildung abgeschlossen hatte.
Einschreibung an deutscher Hochschule während Auslandsaufenthalt entscheidend
Mit seinem Urteil stellt der BFH umfangreich den Studierenden einem Arbeitnehmer (mit erster Tätigkeitsstätte im Inland) gleich, der am auswärtigen Tätigkeitsort keine erste Tätigkeitsstätte begründet, wenn er dort nur vorübergehend seinen Beruf ausübt (§ 9 Abs. 4 Satz 3 EStG).
Von entscheidender Bedeutung dürfte daher sein, dass – vorübergehend sich aufgrund des Studiums im Ausland befindende – Studierende weiterhin an der bisherigen inländischen Hochschule eingeschrieben sind, damit sie als erste Tätigkeitsstätte weiterhin gilt. Profitieren von der ergangenen Rechtsprechung des BFH können allerdings nur diejenigen Studierenden, die bereits eine Erstausbildung in Form einer Berufsausbildung oder in Form eines Bachelorstudiums abgeschlossen haben. Denn Aufwendungen für die erste Ausbildung sind vom Werbungskostenabzug ausgenommen (§ 9 Abs. 6 EStG). Sie können nur im Rahmen des Sonderausgabenabzugs berücksichtigt werden und wirken sich steuerlich nur aus, soweit im Jahr der Entstehung steuerpflichtige Einkünfte generiert worden sind.
Weitere Informationen:
BFH, Urteil v. 14.05.2020 – VI R 3/18