Unfallschaden: Merkantiler Minderwert immer vom Nettoverkaufspreis!

Der merkantile Minderwert ist bei einem KfZ-Unfallschaden immer auf Basis des Nettoverkaufspreises zu schätzen. Dies hat der BGH ganz aktuell in vier Urteilen festgestellt (BGH v. 17.7.2024 – VI ZR 188/22, VI ZR 205/23, VI ZR 239/23 und VI ZR 243/23).

Hintergrund

Der merkantile Minderwert bezeichnet als Schadenersatzposition eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeugs allein deshalb verbleibt, weil Unfallfahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt einen geringeren Preis als unfallfreie erzielen. Der Ersatz des merkantilen Minderwerts als solcher unterliegt nicht der Umsatzsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, da es sich bei dem zu zahlenden Schadensersatz (§ 251 Abs. 1 BGB) nicht um eine Leistung gegen Entgelt handelt. Im gerichtlichen Verfahren unterliegt der merkantile Minderwert der Schätzungsbefugnis des Tatrichters (§ 287 Abs.1 ZPO); es unterliegt seinem Ermessen, ob er diesbezüglich ein Sachverständigengutachten zur Feststellung der Höhe des merkantilen Minderwerts anordnet.

Entscheidung des BGH

Bislang ungeklärt war, ob bei Schätzung des merkantilen Minderwerts auf Bruttoverkaufspreisbasis der enthaltene Umsatzsteueranteil herauszurechnen ist. Der BGH (VI ZR 188/22 u.a.) hat jetzt entschieden, dass der merkantile Minderwert eines erheblich unfallbeschädigten Fahrzeugs in jedem Fall ausgehend vom Netto- und nicht von Bruttoverkaufspreis zu schätzen ist. Wurde der merkantile Minderwert ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt, ist ein dem „Umsatzsteueranteil“ entsprechender Betrag vom Minderwert abzuziehen.

Die Begründung

Zur Bemessung des Minderwerts wird geschätzt, um wieviel geringer der erzielbare (fiktive) Verkaufspreis bei einem gedachten Verkauf des beschädigten Fahrzeugs nach der Reparatur im Vergleich zum erzielbaren Verkaufspreis ohne den Unfall wäre. Diese Wertdifferenz ist unabhängig davon zu ersetzen, ob der Geschädigte das Fahrzeug nach der Reparatur verkauft oder behält. Bei der Schätzung des Minderwerts ist der fiktive Nettoverkaufspreis zugrunde zu legen: Würde es sich beim hypothetischen Verkauf um eine der Umsatzsteuer unterliegende Leistung eines Unternehmers handelt, erhielte der Geschädigte zwar zusätzlich zum Nettoverkaufspreis die darauf entfallende Umsatzsteuer; diese müsste er aber an das Finanzamt abführen, weil die Umsatzsteuer bei ihm nur ein durchlaufender Posten ist.

Unterliegt der gedachte Verkauf hingegen nicht der Umsatzsteuer (beim Verkauf „von privat“), dürfte dem Käufer schon gar keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden. Wurde der merkantile Minderwert ausgehend von Bruttoverkaufspreisen geschätzt, ist er deshalb in der Weise nach unten zu korrigieren, dass von ihm ein dem „Umsatzsteueranteil“ (i.H.v. 19 Prozent) entsprechender Betrag abgezogen wird.

Praktische Relevanz

Der BGH-Ansicht ist zuzustimmen. Andernfalls käme es in Höhe der Umsatzsteuer zu einer Bereicherung des Geschädigten, die nicht Sinn des Minderwertausgleichs ist. Die Wertminderung steht dem Eigentümer des Unfallfahrzeugs zu (im Streitfall dem Leasinggeber). Der Geschädigte muss das Fahrzeug nicht zwingend reparieren lassen, sondern kann den Schaden auch auf Basis des Gutachtens abrechnen. Da Umsatzsteuer als Schadensposition nur zu erstatten ist, soweit sie anfällt, gilt die Kürzung um die Umsatzsteuer auch für den merkantilen Minderwert.

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