E-Mails sind heutzutage nichts Ungewöhnliches mehr, sondern Standard. Insoweit obliegt es auch dem Berater, das E-Mail Postfach zu kontrollieren. Dies ist an sich nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich ist hingegen, wie rigoros die Rechtsprechung in diesem Punkt ist.
Das OLG Jena (Az: 1 W 591/15) hat in einer Entscheidung klargestellt, dass ein Rechtsanwalt direkt zu Beginn seiner Büroöffnungszeit verpflichtet ist, sein E-Mail Postfach zu kontrollieren und die Mails zu lesen. Der Tenor der Entscheidung, der sicherlich auch auf Steuerberater übertragbar ist, hört sich zunächst nicht unbedingt rigoros an. Die Details des dahinter stehenden Sachverhalts zeigen jedoch auf, wie brisant die Entscheidung für die praktische Arbeit tatsächlich ist.
Im Urteilssachverhalt hatte ein Klient gegen 21:00 Uhr mit dem Anwalt telefoniert und ihm in diesem Telefonat mit der Vertretung in einem Klageverfahren beauftragt. Kurz nach Mitternacht schrieb der Mandant dem Anwalt eine E-Mail, in der er die vorherige Mandatierung widerrief. Am nächsten Morgen machte sich der Anwalt direkt an seinen (vermeintlichen) Auftrag und reichte um 8:56 Uhr einen entsprechenden Schriftsatz bei Gericht ein. Die E-Mail, in der der Mandant sich wiederum umentschieden hatte, entdeckte er erst danach. In der Folge kam das, was kommen musste: Der Streit ums Honorar. Der Anwalt forderte für die geleistete Tätigkeit sein Geld, während der Mandant argumentierte, dass aufgrund der Mandatsentziehung kein Auftrag bestanden hat.
Während das erstinstanzliche Landgericht (Az: 2 O 297/15) noch dem Rechtsanwalt Recht gab, sah es das OLG ein wenig anders: Da die Bürozeiten der Kanzlei bereits um 8:00 Uhr begannen, hätte der Rechtsanwalt bis zur Einreichung seines Schriftsatzes um 8:56 Uhr nahezu eine Stunde Zeit gehabt, seine E-Mails zu checken und so vom Widerruf der Mandatierung zu erfahren. Im Ergebnis geht das OLG damit davon aus, dass es nicht zulasten des Mandanten gehen kann, wenn ein Rechtsanwalt/Steuerberater nicht sofort und unverzüglich zu Beginn der Bürozeiten seine E-Mails prüft.
Für Rechtsanwälte und Steuerberater daher eine wirkliche Aufreger-Entscheidung. Immerhin gilt es zu bedenken, dass der Anwalt sein E-Mail Postfach nicht über längere Zeit hat unbeobachtet gelassen. Vielmehr hat er sich morgens, aufgrund der abends vorher erfolgten Beauftragung, direkt ans Werk gemacht und erst danach das Postfach kontrolliert.
Auch müsste man überlegen, ob ein „analoger“ Widerruf der Mandatierung mittels Briefeinwurf im Kanzleibriefkasten eben solche Folgen gehabt hätte, wenn der Brief nachts eingeworfen worden wäre, am nächsten Morgen die Abarbeitung des Auftrags stattfindet und erst am späten Vormittag der Kanzleibriefkasten geleert worden wäre.
Wie man den Sachverhalt auch darlegt, es ist mal wieder eine Entscheidung, die Rechtsanwälte und Steuerberater an die Grenzen des praktisch Machbaren und des Üblichen bringt. Schließlich bleibt bei einer permanenten Überwachung des Postfaches kaum noch Zeit zum Arbeiten. Zudem zeigt dies, dass Entschleunigung manchmal mehr als wünschenswert ist.
Das mit den E-Mails ist immer so eine Sache. Ich selber habe, als ich im Einzelhandel gearbeitet habe, morgens zuallererst meine E-Mails überprüft, da diese meistens den Tag bestimmt haben. Wenn man einen Rechtsanwalt mit einem Mandat beauftragt und diese Mandatierung binnen weniger Stunden widerruft, sollte man davon ausgehen, dass der Anwalt davon rechtzeitig Kenntnis nimmt.