Umschuldung griechischer Staatsanleihen unterliegt nicht der deutschen Gerichtsbarkeit

Kürzlich hatte eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Staatsanleihekaufprogramm für Aufsehen gesorgt: „Danach haben Bundesregierung und Deutscher Bundestag die Beschwerdeführer in ihrem Recht … verletzt, indem sie es unterlassen haben, dagegen vorzugehen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) in den für die Einführung und Durchführung des PSPP erlassenen Beschlüssen weder geprüft noch dargelegt hat, dass die hierbei getroffenen Maßnahmen verhältnismäßig sind.“ (Urteil vom 5.5.2020, 2 BvR 859/15, 2 BvR 980/16, 2 BvR 2006/15, 2 BvR 1651/15). Die Entscheidung ist von vielen begrüßt, von anderen aber wegen Einmischung in europäische Angelegenheiten kritisiert worden.

Während es das BVerfG also gewagt hat, die alleinige „Hoheit“ der EZB in Frage zu stellen, sieht es in Sachen „Griechenland-Anleihen“ anders aus. Hier hat das BVerfG entschieden, dass die Umschuldung griechischer Staatsanleihen als hoheitliche Maßnahme eines ausländischen Staats nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt (BVerfG-Beschluss vom 6.5.2020, 2 BvR 331/18).

Zum Hintergrund: Zwischen 1998 und 2010 begab die Hellenische Republik diverse Staatsanleihen. Die Beschwerdeführer erwarben auf dem Sekundärmarkt solche Anleihen. Im Februar 2012 trat das Gesetz 4050/2012 in Kraft, mit dem zum Zwecke der Restrukturierung des griechischen Staatshaushaltes eine Umschuldungsregelung eingeführt wurde. Aufgrund dieses Gesetzes unterbreitete die Hellenische Republik den Anleiheberechtigten ein Umtauschangebot, das von der Mehrheit der Anleiheberechtigten – nicht aber von den Beschwerdeführern – angenommen wurde: Die ausgegebenen Anleihen sollten gegen neue Anleihen zu einem um 53,5 % niedrigeren Nennwert getauscht werden (sogenannter Hair-Cut). Daraufhin wurden bei den depotführenden Banken die bisherigen Anleihen der Beschwerdeführer aus- und die neuen Anleihen eingebucht.

Die Beschwerdeführer erhoben – auch in der Berufungsinstanz erfolglos – Klage gegen die Hellenische Republik auf Rückzahlung der mit den ursprünglich erworbenen Staatsanleihen aufgewendeten Mittel gegen Rückbuchung der Anleihen, hilfsweise auf Schadensersatz für die erlittenen Wertverluste. Der BGH wies das Ansinnen der Beschwerdeführer zurück. Der Klage stehe der völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Grundsatz der Staatenimmunität entgegen (§ 20 Abs. 2 GVG, Art. 25 GG). Dieser besagt, dass ein Staat nicht fremdstaatlicher nationaler Gerichtsbarkeit unterworfen ist, weil dies mit dem Prinzip der souveränen Gleichheit von Staaten und dem daraus folgenden Rechtsprinzip, dass Staate nicht übereinander zu Gericht sitzen, nicht vereinbar wäre. Staatenimmunität besteht aber grundsätzlich nur für solche Akte, die hoheitliches Handeln eines Staates darstellen (BGH-Urteil vom 8.3.2016, VI R 516/14).

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Nach Auffassung der Richter verletzt das BGH-Urteil die Beschwerdeführer nicht in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter. Es bedurfte keiner Vorlage an das BVerfG, da der BGH lediglich die allgemeine Regel des Völkerrechts, dass ein Staat grundsätzlich keiner fremden Gerichtsbarkeit unterworfen sei, zur Anwendung gebracht habe. Die Umschuldung der Staatsanleihen unterliege als hoheitliche Maßnahme eines ausländischen Staats nicht der deutschen Gerichtsbarkeit.

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