Die Diskussionen um den Umfang der Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen werden auf absehbare Zeit nicht abebben. Da die Finanzverwaltung weiterhin an der EU-rechtswidrigen nationalen Regelung festhält, nehmen die Gerichtsurteile zum Thema inzwischen erstaunliche Züge an. Ein besonders verschlagenes Finanzamt wurde nun vom Verwaltungsgericht Stuttgart ausgebremst.
Dort ging es um die Besteuerung eines Anbieters für Anwaltsfortbildungen. Dessen Kunden sind Rechtsanwälte, die sich beispielsweise zum Fachanwalt fortbilden lassen möchten. Das zuständige Finanzamt hielt die entsprechenden Umsätze für steuerfrei. Allein nach EU-Recht sehe ich das genauso. Aber: die nationale Regelung gibt eine Steuerbefreiung nicht her. Und da der Anbieter auch keine Steuerbefreiung wollte, hatte das Finanzamt keine unmittelbare Handhabe. Dann bediente man sich eines (fiesen) Tricks. Man beantragte beim zuständigen Regierungspräsidium Freiburg die Ausstellung einer Bescheinigung, wonach der Kläger mit seinen Kursen Berufsvorbereitung betreibe. Das hätte eine Steuerfreistellung formal ermöglich. Und – Überraschung – unter Verwaltungsbuddies wurde das gewünschte Ergebnis sogleich bescheinigt. Völlig zu Unrecht, wie das Verwaltungsgericht Stuttgart jüngst zutreffend feststellte. Ein ausgebildeter Anwalt belege allenfalls Fortbildungs- und keine Ausbildungskurse.
Die Entscheidung macht allerdings auch deutlich, dass sich gewerbliche Bildungsdienstleister demnächst umgucken könnten. Wird das EU-Recht zutreffend umgesetzt, steigt der Umfang der Steuerbefreiung massiv durch alle Bildungsbereiche an. Ob das nun für die Anbieter betriebswirtschaftlich immer nachteilig ist, kann nur im Einzelfall bestimmt werden, wie ich vor einigen Jahren im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung für Bankumsätze mal dargestellt hatte. In jedem Fall hat es erhebliche Auswirkung auf die betriebswirtschaftliche Kalkulation. Man könnte daher meinen, das sei ein Fall, mit dem sich Gesetzgeber und Verwaltung mal beschäftigen könnten.
Konkrete Reformpläne gibt es im BMF indes auch sieben Monate nach Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission nicht. Auf Anfrage verwies man lediglich auf eine eingerichtete Arbeitsgruppe. Es gilt: Wenn du nicht mehr weiter weißt, bilde einen Arbeitskreis. Beteiligt sind neben Vertretern der Bund-Länder-Konferenz der Finanzverwaltung auch Experten aus dem Bildungs- und Familienministerium des Bundes. Man vermag sich ohne weiteres vorzustellen, wie komplex der Abstimmungsprozess gerät. Der Zeitablauf spricht Bände.
Mein besonderes Interesse gilt aktuell der Steuerpflicht von Fahrlehrern, nachdem wir in der Kanzlei im Pilotverfahren die vorläufige Steuerbefreiung vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg erstritten hatten. Kollege Grambeck bewertete dies zuletzt als „vorläufigen Höhepunkt der Rechtsprechungsentwicklung“ bei den Bildungsbefreiungen. Inzwischen hat auch das Finanzgericht in Leipzig einem Antrag auf vorläufige Steuerbefreiung von uns stattgegeben. Leider bekommt der BFH zunächst keine Gelegenheit zu Stellungnahme. In einem schon länger streitigen Fall aus Baden-Württemberg lies der Kläger vor Gericht eine Frist verstreichen. Da für ihn im konkreten Sachverhalt eine Steuerbefreiung schädlich gewesen wäre, fürchtete man womöglich Verböserung. Wegen der Abweisung der Revision wird die erste Hauptsacheentscheidung nun wohl alsbald vom Finanzgericht in Hannover ergehen.
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