Umsatzsteuer-Philosophie Teil 5

Angenommen, Sie haben im Frühjahr überlegt, dass Sie neue Fenster für Ihr Eigenheim benötigen. Sie haben über Wochen Angebote verglichen und sich letztlich für Fenster entschieden, bei denen das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Die Fenster haben einen Bruttopreis von 6.000 Euro inklusive Einbau, und zwar unter Berücksichtigung der damals noch geltenden 19 Prozent Umsatzteuer. Der Handwerker hat Ihnen bereits sehr frühzeitig signalisiert, dass er nicht sicher sei, ob er die Fenster noch in 2020 einbauen könne. Auch die Lieferung würde bei dem Hersteller üblicherweise recht lange dauern. Ihnen war das egal, weil sie nicht händeringend auf den Einbau der Fenster gewartet haben.

Nun schreiben wir Anfang Dezember 2020 und tatsächlich können die Fenster am 10. Januar 2021 eingebaut werden – und zwar exakt zum vereinbarten Preis von 6.000 Euro. Auch ist das Preis-Leistungs-Verhältnis noch immer gut. Andere Lieferanten wären wesentlich teurer oder die Qualität würde nicht stimmen.

Nun spielen wir einmal „Wer wird Steuerheld“? Sie dürfen jemanden anrufen oder den 50:50-Joker ziehen. Welche Antwort stimmt?

a) Der Kunde ist der Meinung, dass ein Einbau im Winter unpassend ist und bittet den Handwerker, die Fenster erst im Frühjahr einzubauen.

b) Der Kunde ist hoch zufrieden, dass die Fenster bereits im Januar 2021 und nicht erst im Februar oder März 2021 eingebaut werden.

c) Der Kunde macht sich gar keine Gedanken, denn er hat 6.000 Euro vereinbart, die Fenster werden in 2021 eingebaut, das Ganze kostet 6.000 Euro und alles ist so wie vorgesehen.

d) Der Kunde ist sauer, dass die Fenster nicht mehr im Jahre 2020 eingebaut werden können, denn aus seiner Sicht zahlt er nun 150 Euro „zu viel“ (6.000 Euro : 1,19 = 5.042 Euro / 5.042 Euro x 16 % = 806 Euro statt 958 Euro Umsatzsteuer). Er ärgert sich über den Handwerker und prüft, ob es nicht irgendein Steuerschlupfloch geben könnte, um die Leistung nach 2020 vorzuverlegen. Jedes Mal, wenn er in den kommenden Jahren aus den Fenstern schaut, ärgert es sich über den „zu hohen“ Preis.

Gute Verkäufer wissen, dass sie keine Produkte verkaufen, sondern ein gutes Gefühl. Will heißen: In unserer Konsumgesellschaft kommt es vielfach gar nicht darauf an, was man kauft. Wer benötigt schon das zehnte Paar Sneaker? Vielmehr soll der Kunde das Glücksgefühl des Einkaufs erleben. Dieses kann ´mal kurz und ´mal lang sein. Es ist aber oftmals wichtiger als das Produkt selbst.

Olaf Scholz hat durch seine Umsatzsteuerminderung einigen ein Glücksgefühl beschert, nun nimmt er aber ganz vielen Menschen dieses Glücksgefühl wieder, indem die Steuersätze auf das alte Niveau steigen. Olaf Scholz wäre kein guter Verkäufer.


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