In den letzten Jahren gab es unzählige Klagen vor den Finanzgerichten und dem BFH, in denen es um die – vermeintliche oder tatsächliche – Steuerfreiheit von Leistungen ging, die im weitesten Sinne in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Soziales anzusiedeln waren. Vielfach führten diese unter Berufung auf EU-Recht zum Erfolg. Doch der steuerliche Sieg vor Gericht entpuppte sich zumindest in einigen Fällen als Pyrrhussieg, also einem Erfolg, den der Sieger teuer erkauft hat.
Denn in der Kombination der Urteile des BGH vom 20.2.2019 (VIII ZR 7/18) und des BSG vom 9.4.2019 (B 1 KR 5/19 R) im Anschluss an das BFH-Urteil vom 24.9.2014 (V R 19/11, BStBl 2016 II S. 781) werden die vor Gericht siegreichen Kläger ihren „Umsatzsteuervorteil“ nicht behalten dürfen, sondern müssen diesen an die Gemeinschaft der Versicherten abtreten, etwa an den Träger eines Krankenhauses.
Im Klartext und etwas vereinfacht ausgedrückt: Ist eine Leistung zum Beispiel im Gesundheitsbereich nach einem finanzgerichtlichen Urteil umsatzsteuerfrei, so muss der Leistende seinen Vergütungsanspruch gegenüber dem Krankenhaus, der Krankenkasse oder einem anderem Sozialträger entsprechend mindern. Das gilt selbst dann, wenn mit den entsprechenden Institutionen eine Bruttopreisabrede getroffen worden ist. Und zusätzlich ist er gehalten, bereits erteilte Rechnungen und entsprechende Umsatzsteuer-Voranmeldungen im Rahmen des verfahrensrechtlich Möglichen zu berichtigen. Er setzt sich mit seiner – wohlgemerkt gewonnen – Klage sogar noch einem Haftungsanspruch aus (vgl. Blog-Beitrag „Bruttopreis ist nicht immer Bruttopreis“)
Man möge mir die nun folgenden plakativen Worte verzeihen, da sie vielleicht etwas (zu) zugespitzt sind, aber: Eine Klage zur Erlangung von Umsatzsteuerfreiheit in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Soziales macht für Unternehmer vielfach keinen Sinn, da sie ihre Ersparnis wieder herausrücken müssen. Sie gehen also unterm Strich leer aus. Letztlich klagen sie mittelbar für die Gemeinschaft der Versicherten und nicht für sich selbst. Ich wage daher die Prophezeiung, dass entsprechende Klagen abnehmen werden. Und das wiederum bringt mich zu der Überlegung, ob es nicht möglich sein müsste, dass nicht etwa ein Arzt oder Sozialpädagoge, sondern der Sozialleistungsträger klageberechtigt ist. Denn er ist „beschwert“ und nicht der Unternehmer.
Letzterer hat nur ein Prozesskostenrisiko: Verliert, bleibt er auf den Kosten sitzen. Gewinnt er, muss er seinen Steuervorteil weitergeben. Das dürfte nur Wenigen Spaß machen.
Lesen Sie hierzu auch Teil 1 und Teil 2.