Noch Ende Juni 2020 hat das BMF hat eine Verlängerung der Frist für die Umrüstung von TSE-Kassen über Ende September 2020 hinaus abgelehnt. Jetzt wollen Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Baden-Württemberg mit eigenen Länderregelungen die Nichtbeanstandungsfrist bis 31.3.2021 verlängern
Hintergrund
Durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen v. 22.12.2016 ist § 146a AO eingeführt worden (BGBl 2016 I S. 3152). Hierbei handelt es sich um eine Ordnungsvorschrift für die Buchführung und Aufzeichnung mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme. Seit 01.01.2020 gilt dieses sogenannte Kassengesetz bundesweit. Seit 1.1.2020 ist jedes elektronische Kassensystem mit einer zertifizierten technischen Sicherheits-Einrichtung (TSE) zu sichern, die gewährleistet, dass Kasseneingaben mit Beginn des Aufzeichnungsvorgangs protokolliert und später nicht mehr unerkannt verändert werden können.
Eine flächendeckende Aufrüstung der Kassensysteme mit TSE war zum 1.1.2020 nach Aussage der Bundesregierung (BT-Drs. 19/18393) nicht erreichbar, weil das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erst im Dezember 2019 Zertifizierungen bzw. vorläufige Freigaben für hardwarebasierte Lösungen aussprechen konnte; deswegen gibt es eine Übergangsfrist bis 30.9.2020, die das BMF verfügt hatte (BMF-Schreiben v. 6.11.2019 – IV A 4 – S 0319/19/10002:001, Dok 2019/0891800). Eine Verlängerung hat das BMF im Juni 2020 abgelehnt.
Bundestag verweigert gesetzliche Fristverlängerung
Im ersten Corona-Steuererleichterungsgesetz (BT-Drs. 19/19379 v. 20.5.2020, Gesetz v. 19.6.2020, BGBl 2020 I S. 1385), hatten die Wirtschaftsverbände aus gutem Grund die Verlängerung der an sich am 30.9.2020 auslaufenden Frist zur Aufrüstung von Kassen mit zertifizierten technischen Sicherungseinrichtungen bis Ende 2021 gefordert. Grund waren die coronabedingte verzögerte Marktverfügbarkeit von technischen TSE-Modulen und die nicht vor dem 30.9.2020 zertifizierten Cloud-TSE-Lösungen. Auch im Finanzausschuss des Bundestages ist noch im Mai 2020 gefordert fordert, die Frist zu verlängern (BT-Drs. 19/19068 v. 19.5.2020). Das war leider politisch nicht mehrheitsfähig – ich habe berichtet.
Fünf Länder schaffen unbürokratische Übergangslösung
Da viele Unternehmen neben den durch die Corona-Krise ausgelösten Liefer- und Installationsverzögerungen auch noch mit den durch die zeitlich befristete Umstellung der Umsatzsteuersenkung verbundenen Umrüstungsproblemen zu kämpfen haben, haben sich die Länder Bayern, Hamburg , Hessen und Nordrhein-Westfalen– der BMF-Entscheidung zum Trotz – auf eine pragmatische und bürokratiearme Übergangslösung verständigt, die eine Fristverlängerung bis 31.3.2021 beim Einbau manipulationssicherer technischer Sicherheitssysteme (TSE) in ihre Registrierkassen vorsieht.
Das ist zu begrüßen: Denn diese Lösung berücksichtigt die Sonderbelastungen der Unternehmen in der Corona-Krise und bietet ihnen in zeitlicher Hinsicht die erforderliche Sicherheit.
Was bedeutet das in der Praxis?
Die Finanzverwaltungen der fünf Länder Bayern, Hessen, Niedersachsen, Hamburg und Baden-Württemberg werden Kassensysteme bis zum 31.3.2021 nun auch nach dem 30.9.2020 weiterhin nicht beanstanden, wenn
- die TSE bei einem Kassenfachhändler, einem Kassenhersteller oder einem anderen Dienstleister bis zum 30. September 2020 nachweislich verbindlich bestellt (und für Hessen gilt zusätzlich: den Einbau verbindlich in Auftrag gegeben hat) oder
- der Einbau einer cloud-basierten TSE vorgesehen, eine solche jedoch nachweislich noch nicht verfügbar ist.
Ein gesonderter Antrag bei den Finanzämtern ist hierfür nicht erforderlich.
Bedauerlich ist, dass diese Lösung nur in den genannten fünf Ländern gilt. Das bedeutet: In allen anderen 11 Ländern sind nach Auslaufen der BMF-Übergangsregelung am 30.9.2020 mit TSE-Sicherheiteinrichtungen nachzurüsten. Auch wenn es nach BMF-Mitteilung inzwischen vier Anbieter von TSE-Kassenssystemen gibt, erscheint unter Berücksichtigung der Sommerpause fraglich, ob angesichts des Kundenansturms die Kassensysteme fristgerecht umgerüstet werden können; dies dürfte schon an den erforderlichen personellen Kapazitäten scheitern.
Wünschenswert, ja erforderlich scheint deshalb, dass auch die anderen Länder sich dem Vorbild der vier vorgenannten Länder anschließen und eigene Übergangsregelungen schaffen oder dass das BMF doch noch einlenkt und sein BMF-Schreiben über den 30.9.2020 hinaus verlängert.
Quellen
- BMF-Brief Bösinger v. 30.6.2020 (PDF)
- Gemeinsame Pressemitteilung der Finanzminister v. 10.7.2020
Ende letzten Jahres habe ich einen Blog-Beitrag mit dem Titel „Aufreger des Monats Dezember: Kassengesetz – eine Posse in drei Akten“ veröffentlicht. Nun haben wir den vierten Akt. Man muss sich das vorstellen: Kein Geringerer als der Staatssekretär im BMF teilt den Verbänden mit, dass es keine Verlängerung der Übergangsfrist geben wird, um sich wenige Tage später von den Landesfinanzministern eines Besseren belehren zu lassen. In Corona-Zeiten scheinen wir Vieles hinzunehmen. Tatsächlich ist es aber ein unglaublicher Vorgang, denn er bedeutet – bei aller Freude über die erneute Übergangsregelung – nichts anderes, als dass die Anwendung eines Gesetzes, das immerhin von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden ist, zur DispoSition der Landesfinanzministerien gestellt wird. Genauer gesagt nehmen diese sich einfach die Freiheit, ein Gesetz nicht anzuwenden. Man mag das bejubeln, zumal die Regelung begünstigend ist. Aber man stelle sich den umgekehrten Fall vor, dass die Landesfinanzministerien irgendwann eine Billigkeitsregelung des Bundes eigenmächtig nicht anwenden. Dann wäre der Aufschrei groß.
MfG
Christian Herold