Überhöhte Finanzamtszinsen: Jetzt bei vorläufig festgesetzten Erstattungszinsen auf Nummer sicher gehen!

Neuerdings findet sich in Steuerbescheiden folgender Vorläufigkeitsvermerk zu festgesetzten Zinsen: „Die Festsetzung von Zinsen ist gem. § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO in Verbindung mit § 239 Abs. 1 S. 1 AO vorläufig hinsichtlich der Höhe des Zinssatzes von 0,5 Prozent pro Monat.“

Dieser Vorläufigkeitsvermerk kann sich für Steuerzahler nachteilig in Fällen auswirken, bei denen zu seinen Gunsten Erstattungszinsen festgesetzt werden. Um einer eventuellen späteren Rückzahlung an das Finanzamt vorzubeugen, empfiehlt sich in solchen Fällen die Einlegung eines Einspruchs mit dem Ziel endgültiger Zinsfestsetzung.

Hintergrund

Nach § 238 AO betragen die Zinsen 0,5 Prozent/Monat. Dies gilt für Nachzahlungszinsen (§ 233a AO), Stundungszinsen (§ 234 AO), Hinterziehungszinsen (§ 235 AO) oder Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung (§ 237 AO) gleichermaßen. Da aber bereits seit Jahren an den Kapitalmärkten Zinsen in Höhe von 6 Prozent/Jahr kaum erzielbar sind, mutet die gesetzliche Zinshöhe wie ein „Wucherzins“ an. Dies sieht auch der BFH (v. 25.4.2018 – IX B 21/18) so: Er hält für die VZ 2015 bis 2017 die Zinsregelung in §§ 233a und 238 AO für verfassungswidrig und hat deshalb Aussetzung der Vollziehung (§ 361 Abs. 2 S. 2 AO) gewährt. Beim BVerfG sind zudem seit längerem für Verzinsungszeiträume von 2012 bis 2014 zwei Verfahren anhängig (BVerfG 1 BvR 2422/17 und 1 BvR 2237/14).

Finanzverwaltung hat reagiert

Auf die Rechtsprechung des BFH hat das BMF mit Schreiben v. 14.6.2018 – IV A 3 – S 0465/18/10005-01 reagiert: Für Zinszeiträume ab  1.4.2015 wird auf Antrag Aussetzung der Vollziehung gewährt. Mit Schreiben vom 2.5.2019 (IV A 3 – S 0338/18/10002) hat das BMF noch eins draufgesetzt: Nunmehr erfolgen sämtlichen Zinsfestsetzungen – egal, welcher Zinszeitraum betroffen ist – bei erstmaliger Festsetzung vorläufig gem. § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO; dies gilt dann entsprechend für geänderte oder berichtigte Zinsfestsetzungen in Steuerbescheiden.

Die Folge: Sollte aufgrund der Entscheidung des BVerfG eine Zinsfestsetzung aufzuheben oder zu ändern sein, erfolgt die Aufhebung oder Änderung von Amts wegen; ein Einspruch ist also insoweit nicht erforderlich. Der Haken: Unter Umständen kann auch eine Aufhebung oder Änderung der Zinsfestsetzung zu Ungunsten des Steuerzahlers die Folge sein!

Was ist bei „vorläufig“ festgesetzten Erstattungszinsen zu tun?

Kein weiteres Risiko gehen Steuerzahler ein, wenn sie mit Nachzahlungszinsen belastet sind, auch nicht wenn die Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO) beantragt war.  Denn Aussetzungszinsen (§ 237 AO) werden nur auf Steuern, nicht hingegen auf steuerliche Nebenleistungen, zu den Zinsen zählen, erhoben (§ 233 S. 2 AO). Was ist aber mit „guten“ Erstattungszinsen an den Steuerpflichtigen, die ab dem 15. Monat anfallen, nachdem die zu verzinsende Steuer entstanden ist (§ 233 a Abs. 2 S. 1 AO)? Zwar hat der Fiskus in 2017 rund 367 Mio. Euro mehr an Nachzahlungszinsen eingenommen als er selbst an Erstattungszinsen zahlen musste. Dennoch kann aber keine „Großzügigkeit“ des Fiskus unterstellt werden, sollte das BVerfG die gesetzliche Höhe der Zinsen für verfassungswidrig erklären. Es muss dann vielmehr befürchtet werden, dass die Finanzämter aufgrund der erklärten „Vorläufigkeit“ die überhöhten Zinsen vom Steuerbürger zurückfordern.

Wie kann man sich dagegen schützen?

Der Steuerbürger sollte sich in diesen Fällen auf die Vertrauensvorschrift des § 176 Abs. 1 S.1 Nr.1 AO berufen: „Bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids darf nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass das Bundesverfassungsgericht die Nichtigkeit eines Gesetzes feststellt, auf dem die bisherige Steuerfestsetzung beruht.“ Da bei der Festsetzung von Erstattungszinsen der Steuerbürger nicht belastet, sondern begünstigt ist, ist meines Erachtens in diesen Fällen der Vorläufigkeitsvermerk falsch. Um sich gegen eine nachfolgende Festsetzung der Erstattungszinsen zum Nachteil des Steuerpflichtigen – für den Fall, dass das BVerfG die aktuelle gesetzliche Zinshöhe kassiert – zu schützen, bleibt somit dem Steuerpflichtigen in diesem Fall nichts anderes übrig, als sich mit dem Einspruch (§ 347 AO) gegen den Steuerbescheid zu Wehr zu setzen, soweit dieser die Zinsfestsetzung für „vorläufig“ erklärt. Die Berufung auf die Vertrauensvorschrift des § 176 Abs.1 S. 1 Nr. 1 AO erfolgt dann mit dem Ziel, die (positive) Festsetzung von Erstattungszinsen für endgültig zu erklären. „Die Guten ins Kröpfchen, die Schlechten in Töpfchen“: Das kann in diesem Fall bares Geld wert sein!

Weitere Informationen:

Lesen Sie hierzu auch meine Beiträge hier im NWB Experten-Blog:

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