Übergang zur degressiven Abschreibung in Corona-Zeiten auch in der Handelsbilanz?

Im Rahmen der Corona-Hilfsmaßnahmen wurde für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach dem 31. Dezember 2019 und vor dem 1. Januar 2022 angeschafft oder hergestellt werden, steuerlich die geometrisch-degressive AfA wieder zugelassen (§ 7 Abs. 2 EStG). Damit lässt sich über zunächst höhere Abschreibungen eine Erfolgsminderung und damit Verlagerung der Steuerzahlungen in die Zukunft erreichen.

Soweit diese Möglichkeit zur Vornahme degressiver Abschreibungen in der Steuerbilanz genutzt wird, stellt sich die Anschlussfrage, ob diese Vorgehensweise auch für die Handelsbilanz übernommen werden kann? Wenn dem nicht so wäre, kommt eine Einheitsbilanz nicht mehr in Betracht bzw. die Abweichungen zwischen Steuer- und Handelsbilanz vergrößern sich. Daher dürfte die Praxis vielfach an einer auch handelsrechtlichen Anwendung der degressiven Abschreibungsmethode interessiert sein. Geht das so einfach?

Die handelsrechtlichen Anforderungen an wählbare Abschreibungsmethoden sind nicht so hoch wie die der IFRS. Während nach IFRS die gewählte Methode den Werteverlauf möglichst zutreffend widerspiegeln soll, darf die gewählte Methode nach verbreiteter Ansicht zum Handelsrecht dem Werteverlauf nicht offensichtlich zuwiderlaufen. Das wird erreicht, wenn die Abschreibungsmethode den wirtschaftlichen und betriebsindividuellen Gegebenheiten und Erwartungen an den abzuschreibenden Vermögensgegenstand Rechnung trägt und den GoB entspricht. Sie führt dann zu einer sinnvollen und nicht willkürlichen Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Aufgrund der wenig strengen Anforderungen für den handelsrechtlichen Jahresabschluss wird der Einsatz der degressiven Abschreibungsmethode handelsrechtlich vielfach grundsätzlich in Betracht kommen.

Dem Wechsel der Abschreibungsmethode kann jedoch der Grundsatz der Stetigkeit entgegenstehen. Neben der Ansatz-, Bewertungs- und Darstellungsstetigkeit umfasst der Grundsatz zudem auch die sachliche Stetigkeit, treffender bezeichnet als Grundsatz der Methodeneinheitlichkeit. Was bedeutet das für den Wechsel der Abschreibungsmethode?

Nach dem Grundsatz der Methodeneinheitlichkeit sind für art- und funktionsgleiche Vermögensgegenstände einheitliche Abschreibungsmethoden zu verwenden. Unter Berücksichtigung der zeitlichen Bewertungsstetigkeit nach § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB bedeutet dies, dass die Anwendung der degressiven Abschreibung für neu zugegangene Vermögensgegenstände nicht ohne Weiteres in Betracht kommt, sofern für art- und funktionsgleiche Vermögensgegenstände bisher eine andere Methode verwendet wurde.

In begründeten Ausnahmefällen darf die Bewertungsstetigkeit jedoch durchbrochen werden (§ 252 Abs. 2 HGB). Als Gründe werden etwa der Wechsel der Konzernzugehörigkeit eines Unternehmens, eine verbesserte Information oder eine Anpassung an steuerliche Außenprüfungen zur Sicherung der Einheitsbilanz gesehen. Nicht unter die akzeptierten Gründe fällt aber die temporäre Nutzung eines steuerlichen Begünstigung. Die umgekehrte Maßgeblichkeit, die früher ein Einfallstor für steuerliche Regelungen ins Handelsbilanzrecht darstellte, existiert nicht mehr. Mithin ist ein Übergang auf die degressive Abschreibung in der Handelsbilanz unter Durchbrechung der Stetigkeit nur möglich, wenn sich dieser Wechsel anderweitig begründen lässt.

Als Begründung könnte etwa auf einen verbesserten Einblick in die Vermögens- und Ertragslage abgestellt werden. Die bloße Behauptung reicht für den Methodenwechsel jedoch nicht aus. Man wird hier schon eine fundierte Auseinandersetzung mit dem tatsächlichen Werteverlauf des abzuschreibenden Vermögensgegenstands erwarten müssen.

Und Achtung: Das IDW weist zu Recht darauf hin, dass mit etwaigem Auslaufen der steuerlichen Begünstigung und dem Übergang auf eine lineare AfA in der Steuerbilanz kein einfacher Wechsel zurück auch in der Handelsbilanz verbunden ist. Dieser Wechsel zurück setzt wiederum eine begründungsbedürftige Durchbrechung der Stetigkeit voraus. Nur wird es schwerfallen, nach einem begründeten Wechsel von der linearen zur degressiven Abschreibung in der Handelsbilanz den Wechsel zurück plausibel zu begründen. Dies wird regelmäßig nicht gelingen und in der Folge ein dauerhaftes Auseinanderfallen von steuerlicher und handelsrechtlicher Abschreibung hinzunehmen sein.

Gleichgültig ob handelsrechtlich mit der Steuerbilanz auf die degressive Abschreibung übergegangen wird oder nicht. Das Thema latenter Steuern nach § 274 HGB stellt sich unweigerlich. Geht man handelsrechtlich im Gegensatz zur Steuerbilanz nicht auf die degressive Abschreibung über, sind für den Anwendungszeitraum der degressiven AfA in der Steuerbilanz passive latente Steuern der der Handelsbilanz zu bilden. Wird der Übergang auf die degressive Abschreibung auch handelsrechtlich vorgenommen, stellt sich ab dem Rückwechsel in der Steuerbilanz dann die Frage aktiver latenter Steuern in der Handelsbilanz – und letzteres dann dauerhaft.

Also frage sich jeder, bevor er sich an die degressive Abschreibung bindet: Will ich das?

Weitere Informationen:

Zweifelsfragen zu den Auswirkungen der Ausbreitung des Coronavirus auf die Rechnungslegung und deren Prüfung (Teil 3, 3. Update) (Fachlicher Hinweis des IDW)  v. 28.01.2021 (auf www.idw.de)


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