Auf den ersten Blick mutet es an wie der Stammbaum einer Großfamilie über viele Generationen: Töchter, Enkel, Urenkel. Ein Dokument mit 46 Seiten. Zumindest scheint hier jede Gesellschaft einmal aufgelistet zu sein. Die Rede ist vom Organigramm des Firmengeflechtes, das dem Handelsblatt übermittelt wurde, datiert auf den 30. September 2023.
Hatte Benko oder jemand anderes wirklich einen Überblick über das Imperium? Ich wage es zu bezweifeln. Vielleicht noch über das grobe Firmengeflecht. Doch wenn ich mir allein die verspätete Veröffentlichung der Abschlüsse anschaue, kann ich mir dies keinesfalls vorstellen.
Ein paar Gedanken zum Organigramm
Ich frage mich: Welche Vorteile bietet ein solch undurchsichtiges und komplexes Firmenkonstrukt? Steuerersparnisse? Bei den vielen Gesellschaften müssen nicht nur unzählige Abschlüsse erstellt werden. Allein dies im Blick zu haben ist eine Mammutaufgabe. Denn die Firmen sind unter anderem in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Dies bedeutet, dass die Abschlüsse auch nach den jeweiligen Bilanzierungsvorschriften des jeweiligen Staates erstellt werden müssen. Und nicht zu vergessen: Es gibt auch Abschlüsse nach IFRS.
Was es jedoch nicht gibt: Einen Gesamtüberblick über die Zahlen. Kein Wunder. Signa war nicht für fristgerechte Offenlegung von Abschlüssen bekannt bisher. Ganz im Gegenteil. Wie dies mit der Einhaltung von Fristen bei der Erstellung von Abschlüssen aussieht, kann ich als Außenstehende nicht beurteilen.
Wer hat das Organigramm erstellt? Was war der Auslöser? Wurde es im letzten Jahr erstmals erstellt oder ist es schon älter? Fragen über Fragen, die ich nicht beantworten kann. Den Insolvenzverwaltern wird die Arbeit hier auf jeden Fall nicht so schnell ausgehen. Anders als den vielen Mitarbeitenden, die ihren Job verloren haben oder bald verlieren werden.
Ein Organigramm für Rätselfreunde, wie ich finde. Allerdings weitaus anspruchsvoller als ein Puzzle mit 1.000 Teilen fertigzustellen – sofern dieses nicht allein aus schwarzen Puzzleteilen besteht. Das Puzzle hat einen weiteren Vorteil: Es passt im Gegensatz zum Organigramm von Signa auf einen großen Esstisch.
Was wir daraus lernen können
Komplexe Firmenkonstrukte, verspätete Veröffentlichung von Abschlüssen, steigender Liquiditätsbedarf – es gibt viele Aspekte, die bei Signa problematisch waren. Auch die Investoren müssen immer wieder vertröstet worden sein. Ich bin Rene Benko noch nie begegnet, aber eine Fähigkeit muss er auf jeden Fall haben: Leute überzeugen.
Da könnte ich sicherlich noch einiges von ihm lernen. Denn auch ich versuche immer wieder, Menschen davon zu überzeugen, Bilanzen kritisch zu lesen und nachzufragen. Und vor allem auch, sich nicht durch Antworten mit vielen Fachbegriffen einschüchtern zu lassen und nachzuhaken.
Tolle Immobilienprojekte in Großstädten mit schicken Bildern, wie dies einmal aussehen soll. Sicherlich kann dies überzeugend sein. Aber am Ende gilt immer: Das Projekt muss umgesetzt, fertiggestellt und vor allem finanziert werden. Und bauen lässt sich langfristig nur mit ausreichenden liquiden Mitteln, überzeugende Baupläne reichen dazu nicht aus.
Der Sturz des Kartenhauses Signa ist wieder ein Fall, an dem man vieles lernen kann. Vor allem sollte dies auch an den richtigen „Stellen“ erfolgen und nicht nur ein Strohfeuer sein. Leider ist meine Hoffnung diesbezüglich doch eher gering. Vielleicht werde ich überrascht. Es wäre wünschenswert.
Lesen Sie hierzu auch folgende Beiträge im NWB Experten-Blog:
- Zusammenbruch von Benkos Imperium: Geringe Bußgelder für fehlende Bilanzen
- Insolvenz von Benkos Imperium Signa und was wir daraus lernen können
- Ende der Immobilienparty – Adler, Signa und Co: 2024 wird es nicht besser
Weitere Informationen:
- Die verschachtelte Signa-Gruppe im Überblick (handelsblatt.com v. 29.01.2024)
- Benkos kaum durchschaubares Firmen-Imperium (tagesschau.de v. 29.11.2023)