Es ist immer wieder interessant, wenn der Gesetzgeber vielen Millionen Bürgern eine gewisse Last aufbürdet, für sich selbst aber Sonderrechte beansprucht. So etwa geschehen bei der Pflicht zur Abgabe von Grundsteuererklärungen. Die FAZ hatte kürzlich darauf hingewiesen, dass es der Bund nicht schafft, für seine eigenen Immobilien die Abgabefrist für die Grundsteuererklärung einzuhalten (https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/grundsteuer-bund-reisst-seine-eigene-abgabefrist-18608903.html). Ähnlich verhält sich es sich mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Auskunftsrechte der Bürger sind eine feine Sache – aber nur, solange Bund, Länder und Gemeinden nicht selbst betroffen sind. Da weht plötzlich ein ganz anderer Wind, wenn es um Auskunftsrechte geht.
Kürzlich musste sich das FG Düsseldorf mit dem Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO befassen. Es hat – wohl wenig überraschend – wie folgt entschieden: Das Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO eröffnet nicht das Recht auf Akteneinsicht in Vorgänge der Betriebsprüfung, da diese neben den den Steuerpflichtigen betreffenden personenbezogenen Daten auch Angaben Dritter enthalten, wie etwa Dokumente und Aktenvermerke bezüglich einer anonymen Anzeige (Urteil vom 10.8.2022, 4 K 879/21 AO).
Der Sachverhalt
Das Finanzamt ordnete eine Außenprüfung bei der Klägerin an. Die Prüferin forderte die Klägerin unter anderem auf, Aufträge und Stundenzettel der Arbeitnehmer, Arbeitsnachweise sowie Kostenvoranschläge und Angebote zu übersenden. Diesen Unterlagen komme besondere Bedeutung zu, weil die Klägerin in einer anonymen Anzeige beschuldigt worden sei, Überstunden „schwarz ausbezahlt“ und Erlöse „schwarz vereinnahmt“ zu haben. Die Klägerin beantragte daraufhin Akteneinsicht. Den Antrag stützte sie auf Art. 15 DSGVO.
Das Finanzamt lehnte den Antrag ab und führte aus: Der Klägerin könne die von ihr begehrte Auskunft nicht erteilt werden. Die in der Betriebsprüfungsakte vorhandenen Informationen dienten der ordnungsgemäßen Erfüllung der in der Zuständigkeit der Finanzbehörde liegenden Aufgaben. Die Erteilung einer Auskunft über diese Informationen könne die Erfüllung dieser Aufgaben gefährden. Bezüglich der anonymen Anzeige bestehe nach § 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO kein Auskunftsanspruch der Klägerin, weil durch eine Erteilung der Auskunft Rechte anderer Personen beeinträchtigt würden. Der Klägerin könne Auskunft über die sie betreffenden personenbezogenen Daten in Form einer Übersicht der Grunddaten und Bescheide erteilt werde, sofern das gewünscht werde.
Die hiergegen gerichtete Klage wurde als unbegründet verworfen. Unter anderem führt das FG aus: Hinsichtlich der Betriebsprüfungsakte scheitert ein Recht der Klägerin auf Akteneinsicht daran, dass in der Akte nicht nur personenbezogene Daten abgeheftet sind. Vielmehr enthält eine Betriebsprüfungsakte naturgemäß eine Vielzahl von Vorarbeiten und Bewertungen des Prüfers. So ergeben sich aus einer Betriebsprüfungsakte insbesondere rechtliche Stellungnahmen, Entscheidungsentwürfe und Berechnungen der Amtsträger sowie Ermittlungsergebnisse, bei denen es sich nicht um personenbezogene Daten der Klägerin handelt (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.7.2021 10 K 3159/20, EFG 2021, 1777). Bei diesen Aktenbestandteilen handelt es sich weder um personenbezogene Daten der Klägerin im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO noch um Informationen im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO.
Denkanstoß:
Man mag gewillt sein, der Haltung des Finanzamts und des Finanzgericht zuzustimmen. Andererseits: Was hat ein Finanzamt eigentlich zu verbergen? Ein Finanzamt ist kein Nachrichtengeheimdienst. Ein Finanzamt erfüllt eine öffentlich-rechtliche Aufgabe, die sich auf Gesetze stützt. Sieht man einmal von Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung ab, besteht kein Grund für eine Geheimhaltung. Ein Finanzamt soll den Steuerbürger im Rahmen einer Betriebsprüfung nicht überrumpeln, sondern die korrekte Steuer ermitteln. Dazu sollte es beispielsweise auch Kalkulations- und Schätzungsgrundlagen offenlegen.
Verständlicherweise müssen „Informanten“ geschützt werden. Aber welches schutzwürdige Interesse besteht bei einer anonymen Anzeige – immer vorausgesetzt natürlich, dass die Anzeige nicht doch Rückschlüsse auf den Hinweisgeber zulässt?
Wer übrigens Interesse an den verfahrensrechtlichen Feinheiten eines FG-Verfahrens zum Auskunftsrecht hat, sollte das BFH-Urteil vom 8.6.2021 (II R 15/20) und die Entscheidung der Vorinstanz zur Hand nehmen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 28.1.2020, 12 K 213/19).