Testat verweigert, BaFin ermittelt: aap unter der Lupe

Eigentlich soll ein Geschäftsbericht Transparenz schaffen. Bei der aap Implantate AG sorgt er jedoch für das Gegenteil – für Stirnrunzeln und Unsicherheit. Der Abschlussprüfer verweigert das Testat, die BaFin schaut genauer hin – und die Liste der Auffälligkeiten ist lang. Was steckt hinter dem Zahlenchaos, und was bedeutet das für Investoren?

Was die BaFin genauer prüfen möchte

Die BaFin hat am 3. April 2025 eine Bilanzkontrollprüfung des Konzernabschlusses der aap Implantate AG zum 31. Dezember 2023 sowie des zugehörigen Lageberichts eingeleitet. Diese Prüfung erfolgt) aufgrund konkreter Anhaltspunkte für mögliche Unrichtigkeiten.​

Die BaFin untersucht insbesondere folgende Aspekte:

  1. Mängel bei der Inventur des Vorratsvermögens: Es bestehen Hinweise darauf, dass das Vorratsvermögen in unzutreffender Höhe ausgewiesen wurde.​
  2. Fehlklassifizierungen im Anlagevermögen: Durch geänderte Zuordnungen und Umgliederungen könnten die Vorräte und Abschreibungen zu niedrig und das Anlagevermögen zu hoch ausgewiesen worden sein.​
  3. Unstimmigkeiten bei latenten Steuern: Es gibt Anzeichen dafür, dass entweder die im Konzernanhang angegebenen Werte für latente Steuern oder die in der Bilanz ausgewiesenen aktiven und passiven latenten Steuern sowie die in der Konzerngesamtergebnisrechnung ausgewiesenen Steuern vom Einkommen und Ertrag unzutreffend sind.​

 

Diese Prüfung durch die BaFin erfolgt unabhängig von der bereits erfolgten Versagung des Prüfungsurteils durch den Abschlussprüfer und zielt darauf ab, die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung der aap Implantate AG zu überprüfen.

Warum der Abschlussprüfer den Versagungsvermerk erteilte

Der Abschlussprüfer von Baker Tilly hat kein Prüfungsurteil zum Konzernabschluss und zum Konzernlagebericht der aap Implantate AG für das Geschäftsjahr 2023 abgegeben. Der Grund: Es lagen nicht ausreichend geeignete Prüfungsnachweise vor, um ein verlässliches Urteil abzugeben. Im Wesentlichen lagen zwei zentrale Probleme vor:

  1. Zweifel an der Fortführungsprognose (Going Concern) Die Gesellschaft befand sich zum Bilanzstichtag in einer angespannten Liquiditätslage. Um die fortlaufende Unternehmensfinanzierung sicherzustellen, war sie auf weitere Kapitalmaßnahmen angewiesen – in Form von Eigen- oder Fremdkapital. Zwar gab es laut Vorstand mündliche Zusagen von Investoren, doch konnten diese zum Zeitpunkt des Prüfungsabschlusses noch nicht mit ausreichenden Nachweisen untermauert werden. Auch für die Folgejahre 2025 und 2026 zeigt die Planung signifikante Liquiditätslücken. Aus Sicht der Prüfer war daher nicht nachvollziehbar, ob die Annahme der Unternehmensfortführung als Grundlage der Rechnungslegung angemessen war.
  2. Unzureichende Inventur und Bewertung des Vorratsvermögens Für unterschiedliche Lagerbestände wurde keine ordnungsgemäße Inventur durchgeführt. Es fehlten zudem wesentliche Nachweise für die Bilanzierung, insbesondere hinsichtlich Überbeständen. Infolgedessen war eine verlässliche Bewertung des Vorratsvermögens nicht möglich – mit potenziellen Auswirkungen auf zentrale Bilanz- und GuV-Posten wie Umsatzerlöse, Materialaufwand und Zwischenergebniseliminierung.

 

Die Kombination dieser schwerwiegenden Unsicherheiten führte dazu, dass die Prüfer das Testat versagten.

Und mein Senf dazu

Wenn ein Unternehmen weder ein Testat vom Abschlussprüfer bekommt noch Ruhe vor der BaFin hat, ist klar: Hier geht es nicht mehr um Kleinigkeiten. Die Versagung des Prüfungsvermerks ist das stärkste Mittel, das Wirtschaftsprüfer haben – und sie greifen nur dann dazu, wenn grundlegende Zweifel an der Bilanzierungsqualität bestehen. Wer das mit „technischen Schwierigkeiten“ abtut, verkennt die Tragweite.

Besonders kritisch sehe ich die Unsicherheit rund um die Unternehmensfortführung. Mündliche Investorenzusagen sind kein tragfähiges Geschäftsmodell. Und wenn selbst die Inventur des Vorratsvermögens nicht belastbar ist, kratzt das an der Grundlage jeder Bilanz. Die BaFin prüft zu Recht, ob hier systematisch falsch bilanziert wurde – Anleger dürfen gespannt sein, was dabei ans Licht kommt.

Für mich steht fest: Wo das Vertrauen in den Zahlenstock wackelt, sollte man besser nicht blind investieren. Wer sich auf solche Bilanzen verlässt, riskiert, dass ihm am Ende der Boden unter den Füßen weggezogen wird.

Weitere Informationen:

 

Ein Beitrag von:

  • Dr. Carola Rinker

    • Diplom-Volkswirtin und Unternehmensberaterin
    • Erstellung von (Gerichts-)Gutachten, Stellungnahmen und Analysen zu Bilanzierungssachverhalten
    • Fachbuchautorin
    • Anhörung als Sachverständige im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Wirecard Skandal des Deutschen Bundestages und im Finanzausschuss zum FISG
    • Mehr unter carolarinker.de

    Warum blogge ich hier?
    Aus Interesse an den Themen. Aus Spaß. Aus Netzwerk-Gründen. Als Ergänzung zu meiner Arbeit als Unternehmensberaterin und meinen Lehrveranstaltungen ist das Bloggen wunderbar geeignet. Ein Blog bietet die Möglichkeit, sich in einzelne Themen zu vertiefen – und sich anschließend mit Lesern darüber auszutauschen. Da jedes Jahr neue Jahresabschlüsse von Unternehmen vorgelegt werden und sich die Regeln der Bilanzierung ständig ändern, wird mir der Stoff nie ausgehen.

Kommentare zu diesem Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 2 = 5

ARCHIV

Archive