Der Bundesrat hat in seiner 983. Sitzung am 29.11.2019 beschlossen, das vom Bundestag am 14.11.2019 unverändert beschlossene „Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlages 1995“ zu billigen. Damit sollen ab VZ 2021 rund 90 Prozent der Steuerzahler vollständig, weitere 6,5 Prozent sukzessive vom Soli befreit werden, während 3,5 Prozent der sog. „Besserverdiener“ den Soli in unveränderter Höhe weiterzahlen sollen. Ob das vor den Gerichten Bestand haben wird, erscheint zweifelhaft.
Hintergrund
Der Soli war nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1995 eingeführt worden, um vor allem den Aufbau der neuen Bundesländer finanziell zu stützen. Derzeit beträgt der Satz 5,5 Prozent der Körperschaft- oder Einkommensteuerschuld. Sog. Besserverdienende zahlen hierbei den überwiegenden Teil des Soli-Aufkommens, das vollständig dem Bund zusteht; die Länder partizipieren also – anders als bei den Ertragsteuern – nicht.
Der Regierungsentwurf zur Teilabschaffung des Soli ab VZ 2021 hat folgende Schwerpunkte:
- Bis 61.717 Euro Jahreseinkommen kein Soli mehr:
Um die Teilabschaffung des Soli zu erreichen, hebt der Gesetzesbeschluss die Freigrenze für den Zuschlag von aktuell 972 Euro auf 16.956 Euro an. Bis zu einem versteuernden Einkommen von 61.717 Euro ist dadurch zukünftig kein Soli mehr fällig. Hiervon profitieren nach Regierungsangaben rund 90 Prozent der Steuerzahler.
- Kontinuierlicher Anstieg in der MIlderungszone:
Auf die deutlich ausgedehnte Freigrenze folgt die so genannte Milderungszone. Das bedeutet: Um einen Belastungssprung zu vermeiden, wird der Soli hier kontinuierlich bis zum vollen Steuerbetrag erhoben. Die Milderungszone gilt bis zu einer versteuernden Einkommensgrenze von 96.409 Euro. Davon profitieren rund 6,5 Prozent der Steuerzahler.
- Unveränderter Soli für Besserverdiener:
Lediglich die verbleibenden 3,5 Prozent müssen als Topverdiener weiterhin den vollen Satz von 5,5 Prozent der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer zahlen.
Bewertung
Insgesamt wurden laut Bundesregierung in den Jahren 1995 bis 2016 insgesamt 275 Mrd. Euro eingenommen. Der Bundesanteil für den „Fonds deutscher Einheit“ und das vom Bund übernommene Defizit der Treuhandanstalt betrugen rund 383 Mrd. Euro. Deshalb geht die Bundesregierung davon aus, dass auch der fortgeführte Teil der Ergänzungsabgabe die fortbestehenden Lasten nicht vollständig decken wird.
Allerdings: Den letzten amtlichen Steuerschätzungen zufolge sind die Steuereinnahmen des Fiskus deutlich gestiegen: von knapp 735 Milliarden Euro im Jahr 2017 jedes Jahr um durchschnittlich gut 35 Milliarden Euro. Rund 941 Milliarden Euro sollen es bis Ende 2023 sein!
Das bedeutet: Allein der Bund wird bis 2023 gut 68 Milliarden Euro mehr zur Verfügung haben als noch 2017 – das sind für diesen Zeitraum noch einmal zehn Milliarden Euro mehr als noch im Mai 2018 angenommen. Gleichzeitig schnellen auch die Steuereinnahmen der Länder und Gemeinden in die Höhe. Damit erhöht sich der finanzielle Spielraum des Staates abermals. Ist die öffentliche Hand also zur Finanzierung einigungsbedingter Lasten nicht ausreichend finanziert ?!
Selbst wenn ein weiterer Finanzierungsbedarf bestehen sollte, sollten alle Steuerzahler über eine Änderung des allgemeinen Steuertarifs „solidarisch“ zur Finanzierung beitragen.
Der vom Finanzausschuss im Bundesrat gemachte Vorschlag, den verbleibenden Teil des Solidaritätszuschlags statt eines Teilabbaus des Soli wirkungsgleich in das bestehende Steuersystem, insbesondere in den Einkommensteuertarif, zu integrieren (BR-Drs. 396/1/1), hat leider keine Berücksichtigung gefunden.
Meines Erachtens steht das heute vom Bundesrat durchgewunkene Gesetz aber auch verfassungsrechtlich auf tönernen Füßen: Die Opposition im Bundestag hat ebenso schon eine verfassungsgerichtliche Überprüfung des Gesetzes angekündigt wie die Verbände. Gegen das derzeit geltende SolzG ist noch eine Verfassungsbeschwerde beim BVerfG anhängig, vor dem FG Nürnberg eine Klage gegen den Soli 1995 für die Zeit ab 2020. Was das im Einzelnen bedeutet und wie sich Steuerzahler jetzt am besten in Sachen „Soli“ verhalten sollten – darüber berichte ich im nächsten Blog-Beitrag!
Weitere Informationen:
Lesen Sie hierzu auch meine Beiträge:
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