Techno und House-Konzerte oder wie ich am Verfahrensrecht verzweifele

Bereits seit einiger Zeit befassen sich die Finanzgerichte mit der Frage, ob Techno- und House-Konzerte dem ermäßigten oder dem regulären Steuersatz unterliegen. Das heißt: Handelt es sich bei der Darbietung des DJs um ein Konzert, das dem ermäßigten Steuersatz unterliegt oder ist es eine reine Tanzveranstaltung, deren Eintrittstickets dem vollen Steuersatz unterliegen?

Jüngst hat sich auch der BFH mit der Frage befasst. Ich möchte das Urteil kurz vorstellen. Dabei geht es mir aber gar nicht so sehr um die rein materiell-rechtliche Frage, da – bei aller Begeisterung für elektronische Musik – wohl nur wenige Steuerberater die Inhaber von Clubs (für die Älteren unter uns: Früher nannte man dies „Diskotheken“) oder Konzertveranstalter betreuen. Ich möchte vielmehr – erneut – darauf hinweisen, dass ich so langsam aber sicher am Verfahrensrecht verzweifele. Doch eins nach dem anderen.

Der BFH hat entschieden, dass Eintrittserlöse für Techno- und House-Konzerte als Erlöse aus „Konzerten vergleichbare(n) Darbietungen ausübender Künstler“ steuersatzermäßigt sind, wenn die Musikaufführungen aus der Sicht eines „Durchschnittsbesuchers“ den eigentlichen Zweck der Veranstaltung darstellen (Urteil vom 10.6.2020, V R 16/17).

Sachverhalt:

Bei den jeweils in mehreren Räumen eines stillgelegten Gebäudeareals veranstalteten Konzerten boten sowohl regional tätige als auch international renommierte DJs Musik unterschiedlicher Stilrichtungen (u.a.  Techno, House) dar. Im Rahmen der Veranstaltungen wurden auch (gesondert berechnete) Getränke verkauft; der daraus erzielte Erlös überstieg die Umsätze aus dem Verkauf von Eintrittskarten erheblich. Das FG lehnte die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für die Umsätze aus den Eintrittskarten ab, da nicht die Musikaufführungen im Vordergrund der Veranstaltung stünden, sondern der Party- oder Tanzcharakter überwiege. Die Revision vor dem BFH hatte Erfolg.

Begründung:

Die Würdigung der Indizien für die Abgrenzung von einem Konzert zu einer (nicht begünstigten) Tanzveranstaltung sei nicht rechtsfehlerfrei erfolgt. Denn insbesondere die Regelmäßigkeit einer Veranstaltung sei kein geeignetes Kriterium für diese Abgrenzungsentscheidung; auch das Wertverhältnis der Umsätze von Eintrittskarten und Getränken können keine ausschlaggebende Rolle spielen. Schließlich habe das FG auch nicht dargelegt, weshalb es seiner Auffassung nach ungewiss bleibe, ob die Auftritte der jeweiligen DJs das ausschlaggebende Motiv für den „Durchschnittsbesucher“ bilden, obwohl es diese Auftritte durchaus für geeignet hielt, Besucher anzuziehen, die 2,5 bis 3 Stunden dauernden Auftritte zwischen 1 und 4 Uhr stattfanden und mit dem Ende des Auftritts auch das Veranstaltungsende nahe war.

Im zweiten Rechtsgang muss das FG im Rahmen einer Gesamtwürdigung neu darüber befinden haben, ob die Auftritte der DJs den eigentlichen Zweck der Veranstaltung bilden und ihr somit das Gepräge geben.

Nun zum Verfahrensrecht:

Wer das Urteil der Vorinstanz liest, wird feststellen, dass sich dieses mit zahlreichen Fragen rund um die Abgrenzung von Konzert- zu Tanzveranstaltungen befasst hat. Nur ist es zu einer anderen Würdigung der Tatsachen gekommen. In vielen anderen Fällen hätten BFH-Senate sich wohl an die Tatsachenwürdigung der Vorinstanz gehalten. In bestimmten Fällen aber „zieht der BFH die Sache an sich“ und findet Argumente, um die Tatsachenwürdigung als fehlerhaft („nicht rechtsfehlerfrei“) anzusehen. Im Besprechungsfall heißt es dazu: „Die von ihm vorgenommene Beweiswürdigung ist jedoch lückenhaft, sodass es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die Folgerungen in der tatrichterlichen Entscheidung fehlt“.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich mag House-Musik und gönne den Betroffenen selbstverständlich die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Und hoffentlich wird das Corona-Virus bald so in Schach gehalten, dass es wieder entsprechende Veranstaltungen geben wird. Ich erkenne nur keine klare Linie des BFH, wann er die Tatsachenwürdigung der Vorinstanz übernimmt und wann nicht.

Immerhin bietet das Urteil in verfahrensrechtlicher Hinsicht schöne Anknüpfungspunkte zum Aufbau einer Revision oder gar einer Nichtzulassungsbeschwerde für den Fall, dass ein FG aus Sicht des Steuerpflichtigen Tatsachen falsch gewürdigt hat.

Weitere Informationen:
BFH, Urteil v. 10.06.2020 – V R 16/17

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