Der Missbrauch einer dienstlichen Tankkarte stellt nicht nur eine strafbare Handlung dar, sondern rechtfertigt nach Ansicht des LAG Niedersachen (v. 29.03.2023 – 2 Sa 313/22) auch ohne vorherige Abmahnung eine außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers aus wichtigem Grund.
Worum ging es im Streitfall ?
Der Arbeitnehmer (Kläger) war führender Vertriebsmitarbeiter mit einem Monatseinkommen von mehr als 15.000 Euro brutto monatlich. Er erhielt zusätzlich einen BMW (Diesel) mit einem Tankvolumen von 59 Litern als Dienstwagen. Der Arbeitnehmer erhielt zwei Tankkarten, die er ausschließlich für seinen Dienstwagen nutzen durfte. Der Arbeitnehmer nahm mit den dienstlichen Tankkarten Tank- und Cabrio-Waschvorgänge bei seinen Privatfahrzeugen (Porsche 911 Cabrio mit Superkraftstoff; VW Touareg mit Diesel). Beispielsweise nutzte der Arbeitnehmer die dienstliche Tankkarte auch für eine Cabrio-Pflege an seinem Privatfahrzeugen Porsche 911 Cabrio, ferner betankte er sein Privatfahrzeug VW Touareg mit mehr als 59 Litern. Der Arbeitgeber kündigte deshalb das mit dem Arbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos ohne vorherige Abmahnung.
Wie haben die Arbeitsgerichte entschieden?
Das ArbG Lingen (v. 13.4.2021 – 1 Ca 343/21) hat die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen. Auch das LAG Niedersachsen hat festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung wirksam ist. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB kann auch in der Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten liegen. Das LAG Niedersachsen hat es als erwiesen angesehen, dass der Arbeitnehmer von 2019 bis Herbst 2021 in 28 Fällen die dienstliche Tankkarte genutzt hatte, um Treibstoff oder Wagenpflege von privaten Fahrzeugen mit der dienstlichen Tankkarte zu bezahlen. Der Arbeitnehmer habe die dienstlichen Tankkarten entgegen der Dienstwagenrichtlinie und entgegen den Weisungen des Arbeitgebers genutzt und den Arbeitgeber mit knapp 3.000 Euro geschädigt. Die Behauptung des Arbeitnehmers, er habe seinen Privatwagen auch zu dienstlichen Zwecken genutzt, führt zu keiner anderen Bewertung.
Einordnung und Bewertung
Verhaltensbedingte Kündigungen sind im Allgemeinen weder als außerordentliche noch als ordentliche Kündigung schwer gerichtlich durchzusetzen. Anders ist es bei Straftaten des Arbeitnehmers: Bei strafbaren Handlungen, insbesondere bei einem Spesenbetrug halten die Arbeitsgerichte häufig auch ohne Abmahnung die Kündigung für rechtmäßig.
Darum ging es auch im Streitfall, in dem es der Kläger besonders dreist übertrieben hat: Mit einer dienstlichenTankkarte ist der Arbeitnehmer berechtigt, die Tankkarte nach den arbeitsvertraglichen Regelungen oder den Regelungen des Dienstwagenüberlassungsvertrags einzusetzen. Die Tankkarte im Arbeitsverhältnis erleichtert im Arbeitsverhältnis die Abrechnung. Für Dienstreisen oder bei Arbeitnehmern mit Dienstwagen zur Privatnutzung muss der Arbeitnehmer die Kosten für die Betankung des Fahrzeugs nicht mit eigenen finanziellen Mitteln vorstrecken, er kann die dienstliche Tankkarte nutzen. Ist nichts anderes vereinbart, darf er die Tankkarte aber nur für dienstliche Fahrten einsetzen, also nicht für etwa für private Urlaubsreisen oder den Supermarkteinkauf am Wochenende.
Ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs.1 BGB als Voraussetzung für eine außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung ohne vorherige Abmahnung erfordert ein besonders schweres Fehlverhalten des Arbeitnehmers. Da der Verlust des Arbeitsplatzes für ihn mit weitreichenden Folgen verbunden ist, soll er im Allgemeinen mit der Abmahnung zunächst einen „Schuss vor den Bug“ erhalten, dass er im Wiederholungsfall seinen Arbeitsplatz verliert. Bei Straftaten, die zu einer Vermögensschädigung des Arbeitgebers führen, kennen die Arbeitsgerichte aber grundsätzlich kein Pardon (zuletzt beim Spesenbetrug Arbeitsgericht Verden (Aller) 2 Ca 101/23). Das gilt auch bei missbräuchlicherer Verwendung einer auf den dienstlichen Bereich beschränkten Tankkarte: Tanken mit zu viel Selbstbedienung führt also schnell zum Arbeitsplatzverlust.