Update Hinweisgeberschutz: Bundestag stimmt Einigungsvorschlag zu

Am 11.5.2023 hat der Bundestag dem Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses vom 9.5.2023 zugestimmt; wenn auch der Bundesrat zustimmt, ist der Weg für den Schutz von Hinweisgebern (Whistleblowern) frei.

Hintergrund

Das Hinweisgeberschutzgesetz dient der Umsetzung einer EU-Richtlinie, die eigentlich bis zum 17.12.2021 umzusetzen gewesen wäre. Es war vom Bundestag am 16.12.2022 beschlossen worden, dann aber im Bundesrat gescheitert. Im zweiten Anlauf hatte das Kabinett bislang erfolglos versucht, die Zustimmungspflichtigkeit durch die Aufspaltung in zwei Gesetze zu umgehen – ich hatte im Blog berichtet (Link).  Die Bundesregierung hat schließlich am 5.4.2023 beschlossen, den Vermittlungsausschuss anzurufen.

Einigung im Vermittlungsverfahren

Der Vermittlungsausschuss hat nun am 9.5.2023 folgendes vorgeschlagen: Weiterlesen

Whistleblower: Zum Gesetzentwurf muss jetzt der Vermittlungsausschuss ran!

Im Streit über das geplante Gesetz zum Schutz von Whistleblowern soll nun der Vermittlungsausschuss eine Lösung finden. Das beschloss das Bundeskabinett am 5.4.2023.

Hintergrund

Das geplante HinweisgeberschutzG zielt darauf ab, das Risiko für Menschen zu senken, die auf Missstände in ihrer Firma oder Behörde hinweisen. Damit soll eine EU-Richtlinie umgesetzt werden, wobei Deutschland erheblich in Verzug ist: bis 31.12.2021 hätte die EU-RL umgesetzt werden sollen, jetzt drohen Deutschland bereits finanzielle Sanktionen. Der Bundestag hatte einen entsprechenden Gesetzentwurf bereits beschlossen, dieser scheiterte aber im Februar 2023 im Bundesrat. Der zweite Anlauf der Bundesregierung, mit dem die Regierungskoalition mit einer Aufspaltung des Hinweisgeberschutzes in zwei Gesetze die Zustimmungsbedürftigkeit im Bundesrat umgehen wollte, wurde am 30.3.2023 von der Tagesordnung des Bundestages kurzfristig abgesetzt – ich habe im Blog berichtet.

Bundeskabinett beschließt Anrufung des Vermittlungsausschusses

Am 5.4.2023 hat das Bundeskabinett nun beschlossen, den Vermittlungsausschuss anzurufen; das darf die Bundesregierung. Der Vermittlungsausschuss macht Bundestag und Bundesrat nur Einigungsvorschläge, beschließt aber selbst keine Änderungen am Gesetz. Kompromissvorschläge des Vermittlungsausschusses müssen vom Bundestag bzw. Bundesrat durch Beschluss gebilligt werden.

Wie geht´s weiter?

Wenn der Vermittlungsausschuss eine Empfehlung für eine beschlussfähige Änderung des von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzes abgibt, müssen sich Bundestag und Bundesrat erneut damit befassen und abstimmen. Gesetzliche Vorgaben, wie lange der Ausschuss sich mit einer Angelegenheit befasst, gibt es nicht. Findet eine Empfehlung im Vermittlungsausschuss des Bundestages keine Mehrheit, ist das Gesetz auch im zweiten Anlauf endgültig gescheitert. Es müsste dann – in einem dritten (!) Anlauf vollständig neu in das parlamentarische Verfahren eingebracht werden. Für die Einigungsfähigkeit im Parlament wäre das nicht gerade ein Ruhmesblatt. Je länger sich dann die Kodifizierung des Hinweisgeberschutzes in Deutschland hinzöge, umso größer ist das Risiko für EU-Strafsanktionen. Für Betroffene und Unternehmen, die für die Umsetzung verantwortlich sind, bleibt der Hinweisgeberschutz somit weiterhin eine Hängepartie.

Weitere Informationen:


Hinweisgeberschutz – zweiter Anlauf: Bundestag bringt Gesetzentwurf abermals auf den Weg

Am 17.3.2023 haben die Regierungsfraktionen einen weiteren Versuch im Bundestag unternommen, das Hinweisgebergesetz zu beschließen, das im Februar noch am Widerstand des Bundesrates gescheitert war. Jetzt droht ein neuer Konflikt zwischen Regierung und Opposition.

Hintergrund

Deutschland ist durch die EU-Richtlinie 2019/1937 zur Regelung des Hinweisgeberschutzes verpflichtet und befindet sich bereits in einem Vertragsverletzungsverfahren, weil es diese Richtlinie (RL) nicht fristgemäß umgesetzt hat. Ziel der RL und der Umsetzung in Deutschland ist, dass Hinweisgeber (sog. Whistleblower) auf Rechts- und Regelverstöße in Unternehmen und Behörden einfacher und ohne Angst vor Repressalien auf Missstände aufmerksam machen können.

Das ursprüngliche Hinweisgeberschutzgesetz hatte in der Sitzung des Bundesrates am 10.2.2023 keine Mehrheit gefunden, weil die Länder mit Regierungsbeteiligung von CDU und CSU ihre Zustimmung verweigert hatten. Begründet hatten die Unionsvertreter ihre Ablehnung insbesondere mit einer zu starken Belastung kleiner und mittlerer Unternehmen – ich habe im Blog berichtet.

Worum geht es beim Hinweisgeberschutz?

Kern des Gesetzentwurfes ist unverändert die Einrichtung von Meldestellen in Unternehmen, Behörden und Organisationen, an die sich Whistleblower wenden können. Diese sollen auch anonyme Meldungen bearbeiten und dazu eine anonyme Kommunikation zwischen Hinweisgebenden und Meldestellen ermöglichen. Geschützt sein soll auch, wer verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamtinnen und Beamten meldet. Das soll auch für Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle gelten. Hinweisgeber, die Repressalien erleiden, sollen eine Entschädigung in Geld auch dann verlangen können, wenn es sich nicht um einen Vermögensschaden handelt.

Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitenden müssen eine interne Meldestelle einrichten. Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitenden können dabei Meldestellen gemeinsam aufbauen. Als externe Meldestelle soll, mit einigen Ausnahmen, das Bundesamt für Justiz dienen. Geschützt sein sollen nicht nur Beschäftigte der Unternehmen und Behörden, sondern etwa auch Beschäftigte von Zulieferern sowie Anteilseigner. Sofern ein Hinweisgeber nach einer Meldung berufliche Nachteile erfährt, sieht das Gesetz eine Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitgebers vor. Es wäre dann zu beweisen, dass die Benachteiligung nicht auf der Meldung beruhte. Wer allerdings vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Informationen meldet, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss für einen dadurch entstandenen Schaden haften.

Aufspaltung in zwei Gesetze – untauglicher Umgehungsversuch?

Der jetzt am 17.3.2023 neu eingebrachte Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes (BT-Drs. 20/5992) ist weitgehend identisch mit dem am 16.12.2022 vom Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurf (BT-Drs. 20/4909). Allerdings nimmt es ausdrücklich Beamte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Richterinnen und Richter im Landesdienst aus seinem Anwendungsbereich aus (§ 1 Abs. HinSchG-E). Weiterlesen

Durchgefallen: Hinweisgeberschutzgesetz ohne Zustimmung im Bundesrat

Am 10.2.2023 hat der Bundesrat die erforderliche Zustimmung zum Hinweisgeberschutzgesetz (Whistleblower) verweigert, das der Bundestag im Dezember 2022 beschlossen hatte. Gibt es im Vermittlungsausschuss keine Einigung zwischen Bund und Ländern, ist das Gesetz endgültig gescheitert.

Worum geht es?

Hintergrund sind die Vorgaben einer EU-Richtlinie (2019/1937 v. 19.10.2019), die in deutsches Recht umzusetzen sind. Das Gesetz zum sog. Whistleblowerschutz, das der Bundestag im Dezember 2022 verabschiedet hatte, regelt den Umgang mit Meldungen zu Betrügereien, Korruption und anderen Missständen in Behörden und Unternehmen, ebenso mit Hinweisen auf mangelnde Verfassungstreue von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, auch wenn dabei keine konkreten Straftaten vorliegen. Behörden und Unternehmen sollen gesonderte interne Anlaufstellen schaffen und auch anonyme Hinweise entgegennehmen. Zusätzlich will der Bund eine externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz errichten. Die Länder können eigene externe Meldestellen einrichten. Der Gesetzentwurf regelt Verfahren und Vertraulichkeit der Meldungen und Maßnahmen zum Schutz der Hinweisgeber vor Repressalien – aber auch Haftung, Schadensersatz und Bußgelder im Falle bewusst falscher Angaben.

Gesetz findet keine Zustimmungsmehrheit im Bundesrat

Der Bundesrat hatte bereits in seiner Sitzung vom 16.9.2022 gemäß Art. 76 Abs. 2 GG Änderungen beschlossen (BR-Drs. 372/22 (B)). Am 10.2.2023 hat das vom Bundestag beschlossene Gesetz nun nicht die erforderliche Zustimmung des Bundesrates erfahren. Das Gesetz kann damit nicht wie geplant in Kraft treten. Der Bundesrat hat vor allen daran Anstoß genommen, dass das deutsche Gesetz noch deutlich über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinausgeht.

Wie geht’s weiter?

Bundesregierung und Bundestag haben nun die Möglichkeit, den Vermittlungsausschuss anzurufen, um mit den Ländern über einen Kompromiss zu beraten. Das fristgebundene Vermittlungsverfahren hat innerhalb von drei Wochen stattzufinden (Art. 77 Abs.2 GG). Erfolgt dort keine Einigung, ist das Gesetzesvorhaben endgültig gescheitert.

Bereits zum 17.12.2021 hätte die EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie umgesetzt sein müssen. Gegen die Bundesrepublik läuft deswegen bereits ein Vertragsstrafenverfahren der EU. Das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz hätte im April 2023 in Kraft treten sollen. Allerdings sind die Regelungen für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen sehr komplex und bürokratisch und in der Kürze der Zeit kaum umsetzbar. Außerdem sollte auch stärker beachtet werden, dass ein Hinweisgeberschutz „mit Augenmaß“ Ziel sein muss. Es darf deshalb mit Spannung abgewartet werden, was im Vermittlungsausschuss noch an Änderungen verhandelbar ist.

Weitere Informationen:


Serie Bilanzskandale – Prävention durch die Einrichtung eines Hinweisgeber-Systems

Wie können Bilanzmanipulationen schneller aufgedeckt werden? Die Einrichtung eines Hinweisgebersystems kann helfen. Wie aufgedeckte Bilanzskandale – so auch im Falle des Zusammenbruchs von Wirecard – gezeigt haben: Hinweisgeber tragen maßgeblich zur Aufdeckung bei – mit Konsequenzen für die „Informanden“, wie sich bei Wirecard leider sehr deutlich gezeigt hat.

Pav Gill, der Mann aus Singapur, musste um sein Leben fürchten. Das hat eine ganz andere Dimension, als „lediglich“ den Job zu verlieren. Auch die Angst um die eigene Karriere ist bei der Furcht ums eigene Leben absolut unbedeutend. Pav Gill, der in der Rechtsabteilung in Singapur für Wirecard tätig war, ist erst vor wenigen Monaten aus der Anonymität gekommen und hat damit dem Hinweisgeber von Wirecard ein Gesicht gegeben.

EU-Richtlinie

Die EU-Richtlinie zur Einrichtung eines Hinweisgebersystems soll Mitte Dezember in Kraft treten. Weiterlesen