Vorsteuerabzug aus Heizungsanlage? Nette Idee, aber vom BFH verworfen

Tauchen die drei Worte „Erneuerung einer Heizungsanlage“ auf, denkt man wohl sofort an hohe Kosten. Nun gut, der eine oder andere denkt vielleicht auch zuerst an Robert Habeck. Von dem soll hier aber nicht die Rede sein, sondern vom BFH. Dieser hat nämlich in einem aktuellen Urteil einem Vermieter von Wohnraum den Vorsteuerabzug aus ebenjener Heizungserneuerung versagt (BFH-Urteil vom 7.12.2023, V R 15/21). Man mag der Meinung sein, dass dies angesichts einer umsatzsteuerfreien Wohnungsvermietung doch klar war.

Doch wer das Urteil der Vorinstanz und ein Urteil des EuGH liest, wird zu dem Schluss kommen, dass durchaus gute Gründe für die Gewährung des Vorsteuerabzugs bestanden hatten (FG Münster, Urteil vom 6.4.2021, 5 K 3866/18 U; EuGH, Urteil vom 16.4.2015, C-42/14). Aber der Reihe nach. Weiterlesen

EuGH und BFH werden wirtschaftsfreundlicher – BMF bleibt stur

Das Umsatzsteuerecht bewegt sich im Spannungsfeld zwischen der wirtschaftlichen und der streng formellen Betrachtung eines Vorgangs. Dazu ein Beispiel: Benötigt ein Unternehmer händeringend ein neues Betriebsgrundstück, das aber nicht ohne Weiteres auf öffentlichen Wegen zu erreichen ist, so wird er ein Interesse daran haben, einen Weg dorthin zu errichten, notfalls auch auf eigene Kosten. Dass der neu errichtete Weg dann auch von der Allgemeinheit genutzt werden kann, wird dem Unternehmer herzlich egal sein, solange er sein Grundstück nun selbst bestens erreichen kann, etwa mit seinen Schwerlastwagen. Rein wirtschaftlich betrachtet kann es eigentlich keinen vernünftigen Grund geben, dem Unternehmer den Vorsteuerabzug aus den Kosten für den Straßenbau zu streichen, wenn er diesen – mit Zustimmung der Gemeinde – selbst finanziert hat.

Rein formal betrachtet hat der Unternehmer aber der Gemeinde bzw. der Allgemeinheit etwas unentgeltlich zugewendet, nämlich eine neue Straße. Und eine unentgeltliche Zuwendung ist nun einmal zu versteuern oder aber verhindert den Vorsteuerabzug.

Die deutsche Finanzverwaltung wäre nicht die deutsche Finanzverwaltung, wenn sie den Vorgang wirtschaftlich betrachten würde. Wäre ja auch noch schöner. Nein, der Vorgang muss rein formal betrachtet werden. Mit ihrer Haltung ist sie aber vor dem EuGH, vor dem BFH und aktuell auch vor dem FG Münster (in einem ähnlichen Fall) gescheitert. Alle Gerichte stellen den wirtschaftlichen Gehalt in den Vordergrund und ermöglichen den Vorsteuerabzug bzw. verzichten auf die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe. Weiterlesen

Endlich: BMF übernimmt Rechtsprechung zur Leistungsbeschreibung

Zuletzt hatte der BFH mehrfach entschieden, dass die Finanzverwaltung an eine Leistungsbeschreibung in einer Rechnung keine überzogenen Anforderungen stellen darf. Unter anderem genügt die Bezeichnung von erbrachten Leistungen als „Trockenbauarbeiten“, wenn sie sich auf ein konkret bezeichnetes Bauvorhaben an einem bestimmten Ort bezieht. (BFH-Urteil vom 15.10.2019, V R 29/19 (V R 44/16), NWB LAAAH-39358).

Und zur Frage, welchen Anforderungen Rechnungsangaben zur Bezeichnung der Art der gelieferten Gegenstände genügen müssen, kann sich ein Unternehmer darauf berufen, dass die von ihm verwendeten Bezeichnungen „handelsüblich“ sind (BFH-Urteil vom 10.7.2019, XI R 28/18).

Wie immer in solchen Fällen behagt es der Finanzverwaltung überhaupt nicht, wenn ihr die Rechtsprechung auf die Füße tritt und so benötigt sie schon einmal zwei oder mehr Jahre, um eigentlich klare Aussagen des BFH zu übernehmen. Aber sei es drum: Immerhin hat das BMF nun den UStAE geändert und zur Frage der „handelsüblichen Bezeichnung“ Stellung genommen. Hierzu hat sich Dr. Wengerofsky im Blog schon geäußert (s. weitere Informationen unten). Aufgrund der Brisanz des Themas möchte ich hier noch weitere Aspekte aufgreifen). Die wesentlichen Aussagen des BMF-Schreibens vom 1.12.2021 (III C 2 – S 7280-a/19/10002 :001, BStBl 2021 I S. 2486) lauten: Weiterlesen

Vorsteuerguthaben: Notfalls muss eine einstweilige Anordnung her

Leider sind betrügerische Umsatzsteuerkarusselle und -ketten trotz aller Bemühungen der deutschen und europäischen Finanzbehörden nach wie vor keine Seltenheit. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Finanzämter Ungemach wittern, wenn sich ein wirtschaftliches Geschehen in ihren Augen als dubios herausstellt, etwa wenn gerade neu gegründete Unternehmen Markenartikel von einem Lieferanten in großer Stückzahl beziehen und dabei Preise „aufgerufen“ werden, die erheblich unter der Konkurrenz liegen.

Doch nicht jedes lukrative Geschäft muss in einen Betrug eingebunden sein. Von daher: Fehlen dem Finanzamt eindeutige Hinweise zu einem steuerlichen Fehlverhalten des Unternehmers in Bezug auf empfangene Leistungen, so ist es – notfalls im Wege der einstweiligen Anordnung – verpflichtet, einer Umsatzsteuer-Voranmeldung zuzustimmen und die Vorsteuer zu erstatten. Weiterlesen

Rechnungsanforderungen beim Vorsteuervergütungsverfahren

Ausweislich § 61 Abs. 2 Satz 3 UStDV sind dem Vergütungsantrag die Rechnungen und Einfuhrbelege als eingescannte Originale vollständig beizufügen, wenn das Entgelt für den Umsatz oder die Einfuhr mindestens 1.000 €, bei Rechnung über Kraftstoffe mindestens 250 € beträgt.

Weil die Regelung keine eigenständige Definition der Rechnung enthält, ist insoweit der Rechnungsbegriff des § 15 UStG heranzuziehen. Das Vorsteuervergütungsverfahren dient lediglich dazu, die Vergütung von Vorsteuerbeträgen einem besonderen Verfahren zu unterwerfen, ohne aber den Anspruch auf Vorsteuerabzug inhaltlich auszugestalten.
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Rechnungen dürfen rückwirkend berichtigt werden

Unzählige Finanzgerichte mussten sich in der Vergangenheit mit der Frage befassen, ob eine Rechnung rückwirkend berichtigt werden darf, genauer gesagt ob eine berichtigte Rechnung für den Vorsteuerabzug auf den ursprünglichen Zeitpunkt zurückwirkt und damit die Festsetzung von hohen Nachzahlungszinsen vermieden werden kann. Jüngst hat der BFH eine Rechtsprechung aus dem Jahre 2016 bestätigt: Eine nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigte Rechnung wirkt auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde (BFH 5.9.2019, V R 12/17).

Der etwas verkürzt dargestellte Sachverhalt:

Die Klägerin betreibt die Vermietung von Grundstücken und beweglichem Anlagevermögen in der Rechtsform der GmbH & Co. KG. Im Jahre 2009 stellte die GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit ihrer Umsatzsteuererklärung 2010 (Streitjahr) machte die Klägerin u.a. Vorsteuern aus Rechnungen der Sozietät Y geltend. Ausgangspunkt der geschäftlichen Beziehung war ein Schreiben der Sozietät aus 2009. Darin bestätigte Y ihre Bereitschaft, die Gesellschafter der Klägerin im Hinblick auf die Insolvenz der GmbH zu beraten und zu vertreten. Das Schreiben war an alle Kommanditisten gerichtet. Weiterlesen

Stellplatz- und Wohnungsvermietung nicht zwingend einheitliche Leistung

Eine Wohnungsvermietung ist umsatzsteuerfrei und berechtigt daher nicht zum Vorsteuerabzug. Die selbstständige Vermietung eines Stellplatzes ist grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig und berechtigt zum Vorsteuerabzug. Etwas anderes gilt dann, wenn die Vermietung des Stellplatzes eine unselbstständige Nebenleistung zur Wohnraumvermietung ist.

Mit Urteil vom 27.6.2019 (Az: 3 K 246/19) hat das Thüringer FG geurteilt: Die Auffassung, dass es sich bei der Vermietung von Stellplätzen stets um eine unselbständige Nebenleistung zur steuerfreien Wohnungsvermietung als Hauptleistung handele, wenn Wohnung bzw. Stellplatz von ein und demselben Vermieter an jeweils ein und denselben Mieter vermietet werden, findet keine hinreichende Grundlage in der EuGH-Rechtsprechung.

Gesonderte Verträge und somit eine gesonderte Rechnungslegung allein ändern nichts an einer objektiven engen Verbindung zwischen verschiedenen Vermietungsleistungen, die zu einer einheitlichen Leistung führt.

Ein enger räumlicher Zusammenhang zwischen der umsatzsteuerfreien Vermietung der Wohnungen und der steuerpflichtigen Vermietung der Stellplätze ist zu verneinen, wenn der Zugang zu den Tiefgaragenstellplätzen auch Mietern, die nicht zugleich auch eine Wohnung in dem Objekt gemietet haben, ohne Betreten des Wohnhauses möglich ist.

Da dies im Ergebnis zur umsatzsteuerpflichtigen Vermietung der Stellplätze führt, kann insoweit auch Vorsteuer abgezogen werden, so das Thüringer FG. Damit ist die Finanzverwaltung jedoch nicht zufrieden, weshalb der BFH (Az: V R 41/19) hier noch das letzte Wort haben wird.

Weitere Informationen:

Stundung von Mieten und Pachten: Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs steht aktuell auf dem Prüfstand

In Zeiten der Corona-Krise bekommen steuerliche Randfragen plötzlich enorme Bedeutung. So lässt ein aktueller Vorlagebeschluss des FG Hamburg an den EuGH aufhorchen. Kurz gesagt geht es um die Frage, wann ein Mieter die Umsatzsteuer auf gestundete Mietzahlungen als Vorsteuer abziehen darf – bereits unmittelbar nach Ausführung der (monatlichen) Mietleistung oder erst nach tatsächlicher Zahlung der gestundeten Miete (FG Hamburg, Vorlagebeschluss vom 10.12.2019, 1 K 337/17, Az. des EuGH C-9/20)? Weiterlesen

Zuordnung zum Unternehmensvermögen – kippt die Frist 31. Juli?

Wer ein Gebäude oder eine Photovoltaikanlage errichtet, will bei einer unternehmerischen Nutzung einen möglichst hohen Vorsteuerabzug erreichen. Bei Immobilien oder Anlagen, die zu 100 Prozent unternehmerisch genutzt werden, ist dies kein Problem. Wenn jedoch eine unternehmerische und eine außerunternehmerische (private) Nutzung zusammentreffen, verlangen BFH und BMF eine zeitnahe und vor allem erkennbare Zuordnung zum Unternehmensvermögen. Diese ist spätestens bis zum 31. Juli des Folgejahres des Leistungsbezuges zu treffen, bei Leistungen für ein Gebäude im Jahre 2019 also bis zum 31. Juli 2020. Früher war dies der 31. Mai.

Den 31. Juli bzw. den 31. Mai als echte Ausschlussfrist anzusehen, ist jedoch eine reine Rechtsfortbildung des BFH und im Gesetz nicht unmittelbar normiert.

Nun gibt es zahlreiche Fälle, in denen die Frist nicht beachtet wurde und mithin der Vorsteuerabzug versagt worden ist. Daher haben es bereits zwei Verfahren bis vor den BFH geschafft (XI R 3/19 und XI R 7/19), ein weiteres steht sozusagen in den Startlöchern (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.11.2019, 3 K 2217/18 nrkr.).

Unruhe kam bei den Richtern und der Finanzverwaltung auf, als der EuGH in einem polnischen Verfahren die Frist gekippt hat. Weiterlesen

BMF gestattet Vorsteuer aus „alten“ Bahntickets

Zum Jahresbeginn wurde der Umsatzsteuersatz auf Bahntickets gesenkt. Das ließ die Frage aufkommen, wie die noch in 2019 zum Regelsatz verkauften Tickets für diesjährige Fahrten steuerlich behandelt werden. Das BMF gab nun eine Vereinfachungsregelung für Unternehmerkunden heraus. Weiterlesen