Nebenberuf: Kein Anspruch auf Steuerbescheid ohne Vorläufigkeitsvermerk

Kann ein Freiberufler, speziell ein Anwalt, eine Tätigkeit aus rein privaten Gründen heraus betreiben, so dass bei lang andauernden Verlusten eine Liebhaberei unterstellt werden kann? Diese Frage war schon häufiger Bestandteil von finanzgerichtlichen Entscheidungen. Zugegebenermaßen habe ich zu dem Thema nicht alle Urteile der letzten 30 Jahre studiert, aber ich denke, als Fazit kann ich dennoch festhalten, dass eine Liebhaberei durchaus in Betracht kommen kann.

Doch an diese Feststellung sind seitens der Finanzverwaltung bei einem Freiberufler hohe Anforderungen zu stellen. Vor allem muss das Finanzamt darlegen, dass die Tätigkeit aus privaten Motiven heraus (mit-)veranlasst ist (vgl. z.B. BFH vom 22.4.1998, XI R 10/97; BFH 14.12.2004, XI R 6/02).

Aber darf das Finanzamt die Gewinnerzielungsabsicht auch erst nach einigen Jahren überprüfen und die Steuerbescheide bis dahin vorläufig erlassen? Die Antwort lautet „Ja, das darf es“. In diesem Sinne hatte das FG Münster bezüglich der nebenberuflichen Tätigkeit einer Syndikusrechtsanwältin entschieden; die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BFH nun verworfen (FG Münster 21.4.2023, 14 K 1263/21 E; BFH 17.7.2024, VIII B 48/23).

Der Beschluss des BFH:

Der Beschluss des BFH lautet: Bei der nebenberuflichen Anwaltstätigkeit einer Syndikusrechtsanwältin in eigener Kanzlei darf aufgrund einer dauerhaften Verlustsituation ein Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO hinsichtlich einer ungewissen Gewinnerzielungsabsicht jedenfalls dann ergehen, wenn die Art und Weise der Betriebsführung der Kanzlei unklar ist. Weitere Umstände des Einzelfalls, die den grundsätzlich bestehenden Anscheinsbeweis für eine Gewinnerzielungsabsicht der nebenberuflichen anwaltlichen Tätigkeit in der eigenen Kanzlei erschüttern, müssen nicht festgestellt werden.

Denkanstoß:

Der Beschluss des BFH ist ausschließlich zum Verfahrensrecht ergangen. Es liegt nun an der Rechtsanwältin, dem Finanzamt gegenüber glaubhaft zu machen, dass sie mit ihrer Tätigkeit einen Totalüberschuss erwirtschaften kann bzw. dass eine Gewinnerzielungsabsicht besteht. Eigentlich sollte dies bei Freiberuflern, auch wenn sie lediglich nebenberuflich tätig sind, nicht allzu schwer fallen, denn üblicherweise halten sich die Betriebsausgaben in Grenzen. Andererseits – darauf wurde eingangs hingewiesen – darf das Finanzamt die Messlatte für eine Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht nicht zu hoch legen.

Letztlich gilt: Es sollte (mit der Höhe der Betriebsausgaben) nicht übertrieben werden und mit etwas gutem Willen auf beiden Seiten sollte man zu einer guten Lösung gelangen.

Rentendoppelbesteuerung (Teil 5 und Schluss): Die Vorläufigkeitsfalle!

Nachdem der BFH mit Urteilen vom 19.05.2021 zwei Klagen gegen das AltEinkG wegen Doppelbesteuerung von Leibrenten der Basisversorgung abgewiesen hatte, legten die unterlegenen Rentner Verfassungsbeschwerden ein (2 BvR 1140/21 und 2 BvR 1143/21).

Um nun massenhafte Einsprüche und Anträge auf Ruhen des Verfahrens zu vermeiden, wurden gemäß BMF-Schreiben vom 31.08.2021 (IV A 3 – S 0338/19/10006 :001) in die Einkommensteuerbescheide von Rentnern folgender Vorläufigkeitsvermerk gem. § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO aufgenommen:

„Die Festsetzung der Einkommensteuer ist gem. § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich Besteuerung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG. Die Vorläufigkeitserklärung erfasst sowohl die Frage, ob die angeführten gesetzlichen Vorschriften mit höherrangigem Recht vereinbar sind, als auch den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht oder der Bundesfinanzhof die streitige verfassungsrechtliche Frage durch verfassungskonforme Auslegung der angeführten gesetzlichen Vorschriften entscheidet.“

Allerdings ist das AltEinkG zweifellos verfassungsgemäß (u.a. BVerfG, Beschlüsse vom 29.09./30.09.2015, 2 BvR 2683/11, 2 BvR 1066/10, 2 BvR 1961/10). Das ist längst geklärt. Noch nicht geklärt ist jedoch die Frage, wie die (untergesetzliche) Vergleichs- und Prognoserechnung zur Feststellung einer etwaigen Doppelbesteuerung verfassungskonform auszugestalten ist. Weiterlesen

Überhöhte Finanzamtszinsen: Jetzt bei vorläufig festgesetzten Erstattungszinsen auf Nummer sicher gehen!

Neuerdings findet sich in Steuerbescheiden folgender Vorläufigkeitsvermerk zu festgesetzten Zinsen: „Die Festsetzung von Zinsen ist gem. § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO in Verbindung mit § 239 Abs. 1 S. 1 AO vorläufig hinsichtlich der Höhe des Zinssatzes von 0,5 Prozent pro Monat.“

Dieser Vorläufigkeitsvermerk kann sich für Steuerzahler nachteilig in Fällen auswirken, bei denen zu seinen Gunsten Erstattungszinsen festgesetzt werden. Um einer eventuellen späteren Rückzahlung an das Finanzamt vorzubeugen, empfiehlt sich in solchen Fällen die Einlegung eines Einspruchs mit dem Ziel endgültiger Zinsfestsetzung. Weiterlesen

Traue niemals einem Vorläufigkeitsvermerk

Oftmals gibt es ein böses Erwachen, wenn Steuerbürger auf den Umfang eines Vorläufigkeitsvermerks vertraut haben und sich im Nachhinein herausstellt, dass zwar der Wortlaut eine umfassende Vorläufigkeit hergab, die Finanzverwaltung (und auch die Gerichte) aber den Sinn und Zweck bzw. den Kontext des Vorläufigkeitsvermerks in ihre Betrachtung einbeziehen.

Anders ausgedrückt: Ist ein Vorläufigkeitsvermerk im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift ergangen, so kann ein Steuerbürger keine Änderung seines Steuerbescheids erlangen, wenn es sich in seinem Fall nur um die Auslegung des „einfachen“ Steuerrechts handelt. Aktuell hat auch das FG Baden-Württemberg insoweit eine fiskalische Sichtweise eingenommen.

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Finanzverwaltung verweigert zügige Korrektur der ESt-Bescheide

Bekanntlich hat der BFH die Berechnung der zumutbaren Belastung zugunsten der Steuerpflichtigen korrigiert (VI R 75/14; s.a. meinen Blog-Beitrag vom 16.05.2017 „Korrektur der zumutbaren Belastung durch den BFH – was nun?“). Es verwundert nicht, dass die Finanzverwaltung die notwendige Korrektur der ESt-Bescheide verzögert. Siehe zu den Berichtigungsmöglichkeiten aktuell Bergan in NWB 32/2017. Weiterlesen

Korrektur der zumutbaren Belastung durch den BFH – was nun?

Matthias Trinks hat die Auswirkungen der BFH Entscheidung zu der neuen Berechnung der zumutbaren Belastung bei den außergewöhnlichen Belastungen erläutert. Auch wenn nicht jeder betroffen ist, so gibt es genügend Fälle, die zu einer Korrektur des ESt-Bescheides führen würden. Nur dazu muss man tätig werden. In welchen Fällen und wer bitte? Weiterlesen

Vorläufigkeit gilt bis zur Endgültigkeit

Das Finanzamt kann eine Steuerfestsetzung aufheben oder ändern, wenn sie insoweit nach § 165 AO vorläufig festgesetzt ist. Vorläufig ist dabei aber nicht gleich vorläufig, wie eine aktuelle Entscheidung des BFH zeigt.

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Kinderfreibetrag verfassungswidrig? Was nun? Teil II

Ab Kj 2014 ff. ist der Kinderfreibetrag verfassungswidrig. So jedenfalls mit guter und umfangreicher Begründung sieht dies der 7. Senat des Nieders. FG (7 V 237/15). Im Teil I habe ich die verfahrensrechtlichen Hintergründe und Probleme dargestellt. Jetzt geht es um die Höhe der Kinderfreibeträge. Für das Kj 2014 sind diese generell verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber (bewusst) die notwendige Anpassung „vergessen“ hat. Auch die Ermittlung des Freibetrages mit einem Durchschnittswert wird dem verfassungsrechtlichen Auftrag nicht gerecht. Weiterlesen

Kinderfreibetrag verfassungswidrig? Was nun? Teil I

Der Kinderfreibetrag gem. § 32 EStG könnte verfassungswidrig sein, zumindest ab Kj 2014. Der 7. Senat des Nieders. FG  hat Aussetzung der Vollziehung gewährt (7 V 237/15). Wie geht das denn, wenn der Steuerbescheid mit einem Vorläufigkeitsvermerk „belastet“ ist? Weiterlesen

Neuer Vorläufigkeitsvermerk – Alles verstanden?

Um der notwendigen Einspruchsflut Herr zu werden, hat die Finanzverwaltung mit Unterstützung des Gesetzgebers den Vorläufigkeitsvermerk erfunden (§ 165 Abs. 1 Nr. 2- 4 AO). Mit dem Vorläufigkeitsvermerk im Gepäck (Steuerbescheid) ist das Rechtsschutzinteresse für diese Besteuerungsgrundlage für den Steuerpflichtigen bekanntlich entfallen. Der Vermerk ist präzise zu benennen, denn der Wortlaut des Vorläufigkeitsvermerkes ist maßgebend. Nun produziert das BMF in guter Regelmäßigkeit neue Schreiben für dieses Instrument (zuletzt 05.11.15 – IV A 3 – S-0338 / 07 / 10010).    Weiterlesen