Unter dem Titel „Keine fristwahrende Einreichung der Steuererklärung beim örtlich unzuständigen Finanzamt“ hat der BFH eine jüngst veröffentlichte Entscheidung (VI R 37/17) getroffen. Was lagt dem Entscheidungsfall zu Grunde?
Der Kläger erzielte im relevanten Streitjahr Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit und aus Kapitalvermögen. Während viele andere Personen bereits bei Raclette oder Fondue in geselliger Runde beisammen saßen – „Dinner for One“ war ebenfalls bereits auf allen Kanälen über die Bildschirme geflimmert – und mit Spannung auf die ersten Ergebnisse im Bleigießen warteten, warf die heutige Ehefrau des Klägers in der Silvesternacht des Jahrs 2013 gegen 20 Uhr die Steuererklärung des Klägers für das Jahr 2009 in den Nachtbriefkasten des Finanzamtes X1. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings das Finanzamt X2 für den Kläger örtlich zuständig, dort ging die Steuererklärung erst 2014 durch die Weiterleitung des Finanzamts X1 ein.
Als vier Stunden später – am 31.12.2013 um 24 Uhr – die Festsetzungsfrist für das Steuerjahr 2009 gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG endete, ging der Kläger und seine heutige Ehefrau von einer fristwahrenden Abgabe seiner Steuererklärung aus. Ob beide in der Silvesternacht auch auf die die zu erwartende Steuererstattung (zzgl. Zinsen) angestoßen haben, ist den finanzgerichtlichen Unterlagen unterdessen nicht zu entnehmen.
Die Überraschung war daher sicherlich groß, als im Februar 2014 das Finanzamt X2 den Antrag auf Durchführung der Veranlagung zur Einkommensteuer für 2009, mit dem Hinweis auf die nicht fristwahrende Abgabe der Steuererklärung ablehnte. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren bestätigte das Finanzgericht Köln mit seinem Urteil aus Mai 2017 (1 K 1637/14) die Rechtsansicht des Klägers. Gegen dieses Urteil legte das Finanzamt Revision beim BFH ein.
Der BFH bestätigte dabei die Rechtsansicht des Finanzamtes. In seinem Urteil stellte der erkennende Senat heraus, dass eine Antragsveranlagung möglich ist, ein fristwahrender Antrag auf Steuerfestsetzung gestellt. Wird. Die Abgabe einer Steuererklärung qualifiziert als Antrag auf Steuerfestsetzung. Dieser Antrag setzt die Ablaufhemmung jedoch nur in Gang, wenn er vor dem Ablauf des letzten Tages der Festsetzungsfrist gestellt wird. Anders als die Vorinstanz vertritt der BFH in seinem Urteil die Ansicht, dass die Steuererklärung hierbei bei der örtlich zuständigen Behörde eingehen muss. Ein Eingang zu den Dienstzeiten der Behörde und damit ein Abstellen auf die Kenntnisnahme ist unterdessen nicht notwendig. „Das Abstellen auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme eines fristwahrenden Antrags durch die Bediensteten des Finanzamts würde demgegenüber auf eine Fristverkürzung hinauslaufen, da deren Dienst regelmäßig vor 24:00 Uhr endet“ (BFH v. 13. Februar 2020 – VI R 37/17, Rz. 21).
„Angesichts der eindeutigen Regelung der örtlichen Zuständigkeit in § 19 AO kommt es, anders als das FG meint, auch nicht darauf an, ob und inwieweit der Steuerpflichtige das örtlich zuständige Wohnsitzfinanzamt kannte oder kennen musste oder ob er in Folge des einheitlichen Auftretens der Landesfinanzverwaltung –hier des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW)– davon ausgehen durfte, dass jedes Finanzamt des Landes für die in NRW wohnenden Steuerpflichtigen örtlich zuständig sei“ (BFH v. 13. Februar 2020 – VI R 37/17, Rz. 24).
Das BFH Urteil vermag unterdessen nicht zu überzeugen. Zwar ist der Ansicht des BFH zuzustimmen, dass die Klärung der örtlichen Zuständigkeit i.d.R. möglich sein dürfte. Dies gilt allerdings nicht in allen Fällen. Z.B. bei Verzug ins Ausland ergibt sich u.U. eine rechtliche Auslegung, ob ein Wohnsitz im Inland beibehalten wird. Entsprechend der rechtlichen Auslegung können sodann unterschiedliche Finanzämter zuständig sein. In diesen Fällen entfaltet das BFH Urteil eine überschießende Wirkung.
Weitere Informationen:
BFH, Urteil v. 13.02.2020 – VI R 37/17
Hinweis:
Für ausführliche Informationen zu dem Urteil lesen Sie unsere Online-Nachricht vom 02.07.2020 (für Abonnenten kostenfrei).