Umsatzsteuer auf Sachspenden: Geltende Regelungen ausreichend? (Teil II)

Die Umsatzbesteuerung von Sachspenden ist und bleibt ein Thema, welches die Unternehmerschaft beschäftigt. Zwar sind dank zwei veröffentlichter BMF-Schreiben aus März 2021 die Koordinaten neu justiert wurden, nichtdestotrotz sind weiterhin viele Unklarheiten existent, welche zu Rechtsunsicherheiten führen können. Nicht nur aus diesem Grund stellte die FDP-Fraktion der Bundesregierung in diesem Zusammenhang Fragen (BT-Drucks. 19/31731), welche kürzlich beantwortet worden sind (s. mein Blog-Beitrag vom 29.09.2021).

Unter anderem wollte die Fraktion wissen, ob die Bundesregierung plane, eine erneute Anpassung der umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage bei Sachspenden neuwertiger Ware an gemeinnützige Organisationen vorzunehmen, sodass für Sachspenden zumindest solcher Neuware, die ansonsten vernichtet werden würde, zukünftig regelmäßig eine Bemessungsgrundlage von Null Euro angesetzt werden kann.

Absage der Bundesregierung

Leider erteilt die Bundesregierung diesem Vorschlag eine klare Absage und konstatiert, dass die Ausgestaltung des nationalen Umsatzsteuerrechts an die Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie gebunden ist. Insbesondere sie würde eine generelle Umsatzsteuerbefreiung nicht ermöglichen. Anpassungen des nationalen Rechts, die dem Unionsrecht widersprächen, wie z. B. die pauschale Annahme einer umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage von Null Euro bei der Spende von Waren, die ansonsten vernichtet werden, würden daher nicht in Betracht kommen.

Bemessungsgrundlagenreduzierung als einziger Anknüpfungspunkt?

Eine finale Entscheidung der Bundesregierung scheint getroffen worden zu sein. Überraschend ist diese nicht und es war zu erwarten, dass vor der Bundestagswahl ein solches Thema nicht (noch-)mals angepackt würde. Weitere Erleichterungen für eine umsatzsteuerrechtliche Erfassung von Sachspenden werden so zumindest in Kürze nicht erwartet werden können.

Dies ist allerdings schade. Denn hinterfragt werden sollte, ob das Heranziehen der Bemessungsgrundlage, welche in den Ausführungen des BMF-Schreibens v. 18.03.2021 als entscheidender Anknüpfungspunkt angeführt wird, den goldenen Lösungsweg bietet. In der Literatur vorzufindende Vorschläge, welche dazu tendieren, vielmehr den Tatbestand der „unentgeltlichen Wertabgabe“ restriktiv und einschränkend auszulegen, hätten mit Sicherheit zu einem zufriedenstellenderen Ergebnis für die Unternehmerschaft geführt. Dabei sollte entscheidend sein, dass unentgeltliche Wertabgaben i.S.d. Art. 16 MwStSystRL gerade dann nicht vorliegen, wenn ein unversteuerter Letztverbrauch nicht droht.

Eine solch richtlinienkonforme Auslegung steht m.E. im Einklang mit den Ausführungen des EuGH. Denn: Geht die Sachspende an eine gemeinnützige Organisation, welche sie an bedürftige Menschen ausgibt, so dürfte das Vorliegen eines unversteuerten Letztverbrauchs gerade nicht anzunehmen sein, fehlt es hier doch an einem konkret identifizierbaren Leistungsempfänger. Die Tatsache, dass die Spenden final hilfsbedürftigen Menschen gewährt werden, reicht m.E. für die Annahme einer unentgeltlichen Wertabgabe nicht aus

Erneuter Anlauf nach der Bundestagswahl?

Die weitere Neugestaltung der Vorgaben der Finanzverwaltung für eine umsatzsteuerliche (Nicht-)Erfassung von Sachspenden sollte nach der Bundestagswahl nicht aus den Augen verloren werden. Gerade im Sinne einer immer wieder zu hinterfragenden Verbesserung der Koordinaten von Klima und Umwelt sollte überlegt werden, ob eine andere Sichtweise, nämlich eine Fokussierung auf den nicht identifizierbaren Leistungsempfänger, zu einem besseren Ergebnis führt.

Weitere Informationen:

NWB Online-Nachrichten zu den BMF-Schreiben vom 18.03.2021:


 

Umsatzsteuer auf Sachspenden: Geltende Regelungen ausreichend? (Teil I)

Bereits im März 2021 hatte das BMF die Regelungen zur Umsatzbesteuerung von Sachspenden neu akzentuiert und gleichzeitig eine Nichtbeanstandungsregelung herausgegeben. Die Regelungen ließen jedoch Fragen offen. Insbesondere aus diesem Grund stellte die FDP-Fraktion gegenüber der Bundesregierung eine kleine Anfrage (BT-Drucks. 19/31731).

Was war der Inhalt und wird es zukünftig etwa zu weiteren Änderungen bei der Besteuerung von Sachspenden kommen?

Hintergrund

In einer Vielzahl von Fällen war es in der Vergangenheit für Unternehmer oftmals kostengünstiger, noch tadellose Waren zu zerstören, anstatt sie an gemeinnützige Organisationen zu spenden.

Der Ursprung dafür liegt in § 3 Abs. 1b UStG: Will ein Unternehmer seine noch verbrauchbaren Waren, welche durch ihn ausgesondert wurden, spenden (etwa an eine gemeinnützige Organisation), so liegt i.d.R. eine unentgeltliche Wertabgabe vor. Daher hat eine Umsatzbesteuerung stattzufinden, wenn der Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat. Heranzuziehen ist der fiktive Einkaufspreis im Zeitpunkt der Wertabgabe. Das gilt auch für im Unternehmen selbst hergestellte Gegenstände (Abschnitt 10.6 Abs. 1 Satz 3 UStAE).

Entsprechend kam es dazu, dass eine Vernichtung der Ware unternehmensseitig regelmäßig günstiger zubuche schlug als deren Spende. Das BMF hatte im März auf diese Problematik nach heftigen Einwänden seitens der Wirtschaft reagiert und am 18.03.2021 gleich zwei BMF-Schreiben publiziert. Diese stellen klar, dass für eine Ermittlung der Bemessungsgrundlage seither eine dreigeteilte Unterscheidung vorzunehmen ist. Zu untersuchen ist, ob die jeweiligen Sachspenden „uneingeschränkt verkehrsfähig“, „eingeschränkt verkehrsfähig“ oder „nicht mehr verkehrsfähig“ sind. Während bei uneingeschränkter Verkehrsfähigkeit wie bisher zu verfahren ist, kommt bei eingeschränkter Verkehrsfähigkeit eine Minderung der Bemessungsgrundlage in Betracht. Nur bei fehlender Verkehrsfähigkeit ist eine Bemessungsgrundlagenminderung auf null Euro realisierbar (s. hierzu mein Beitrag: . „Neues vom BMF: Umsatzsteuer auf Sachspenden – Lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein?“

Kleine Anfrage der FDP

Die im März publizierten Regelungen führen dazu, dass an vielen Stellen eine Umsatzbesteuerung außen vor bleibt. Insbesondere dank der Nichtbeanstandungsregelung werden für Sachspenden, welche an steuerbegünstigte Organisation im Zeitraum 1.3.2020 bis 31.12.2021 gegeben werden, ausnahmsweise keine Steuern berechnet, wenn der spendende Einzelhändler wirtschaftlich erheblich von der Corona-Krise getroffen ist.

Da Dreh- und Angelpunkt jedoch eine Bemessungsgrundlagenreduzierung (ggf. auf Null Euro) ist, sind Rechtsunklarheiten weiterhin bestehend. Insbesondere die FDP-Fraktion bemängelte die BMF-Schreiben und wollte von der Bundesregierung einzelne Fragen beantwortet haben. In einer kleinen Anfrage (BT-Drucks. 19/31731) stellte sie daher die Fragen,

  • in wie vielen Fällen von den Regelungen des BMF-Schreibens zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Sachspenden beziehungsweise der Bemessung bislang Gebrauch gemacht wurde und in welcher Höhe es hierdurch zu Umsatzsteuermindereinnahmen kam;
  • in wie vielen Fällen von den Regelungen des befristeten BMF-Schreibens zur Umsatzbesteuerung von Sachspenden von Einzelhändlern an steuerbegünstigte Organisationen Gebrauch gemacht wurde und in welcher Höhe es zu Umsatzsteuermindereinnahmen kam;
  • wie sich die Veröffentlichung der beiden BMF-Schreiben auf die Spendentätigkeit von Unternehmen ausgewirkt habe;
  • wie hoch seit Beginn der 19. Wahlperiode das Umsatzsteueraufkommen aus Sachspenden gewesen ist.

Auch wurde die Frage gestellt, ob die Bundesregierung eine Einschätzung zu dem Risiko habe, dass Waren, die aus wirtschaftlichen oder logistischen Gründen aus dem Warenverkehr ausgesondert werden mussten, nach Möglichkeit lieber gemeinnützigen Zwecken gespendet würden, anstatt sie zu vernichten. Ferner sollte eine Einschätzung zu dem Risiko gegeben werden, dass die Umsatzbesteuerung von Sachspenden als unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b UStG Anreize für Unternehmer schaffe, von einer entsprechenden Sachspende abzusehen.

(Pauschale) Antwort der Bundesregierung

Während die ersten vier Fragen mangels Daten seitens der Bundesregierung nicht beantwortet werden konnten, fällt die Beantwortung der letzten beiden Fragen recht allgemeingültig aus (BT-Drucks. 19/31909). So stellt die Bundesregierung fest, dass „die Gründe, warum Firmen Waren vernichten, anstatt sie zu spenden oder zu einem geringen Preis weiterzuverkaufen (…) vielfältig [sind]“ und das geltende Umsatzsteuerrecht  „bereits ausreichend Möglichkeiten“ biete die mit einer Spende verbundene umsatzsteuerrechtliche Belastung minimal auszugestalten. Gleichzeitig weist sie auf die gesetzlich verpflichtende Abfallhierarchie hin, nach der im Sinne einer Kreislaufwirtschaft die Vernichtung von Ware als allerletzte Option stehe. Zwar sei die Abfallvermeidung (also beispielsweise das Spenden) keine durchsetzbare Pflicht; andere Verwertungsmaßnahmen wie die Vorbereitung zur Wiederverwendung oder das Recycling hätten jedoch Vorrang vor der Vernichtung.

Weitere Erleichterungen geplant?

Von hohem Wert für die Unternehmerschaft dürfte die zusätzliche Frage sein, welche die FDP in ihrer kleinen Anfrage darüber hinaus stellte. Sie wollte wissen, ob die Bundesregierung plane, eine erneute Anpassung der umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage bei Sachspenden neuwertiger Ware an gemeinnützige Organisationen vorzunehmen, sodass für Sachspenden zumindest solcher Neuware, die ansonsten vernichtet werden würde, zukünftig regelmäßig eine Bemessungsgrundlage von Null Euro angesetzt werden kann.

Auf die – leider eher – unerfreuliche Antwort der Bundesregierung sowie deren Folgen wird in Kürze an dieser Stelle in einem weiteren Blog-Beitrag eingegangen.

Weitere Informationen:

NWB Online-Nachrichten zu den BMF-Schreiben vom 18.03.2021:


BMF-Schreiben zu Umsatzsteuer auf Sachspenden: Und was ist mit den Großhändlern?

Mit gleich zwei Schreiben publizierte das BMF am 18.03.2021 umfassende Aussagen zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Sachspenden, auf welche viele Unternehmer bereits seit langem gewartet hatten. Insbesondere das zweite Schreiben hält dabei Erleichterungen bereit, die speziell während der Corona-Krise gelten sollen.

Allerdings sind diese an eine Vielzahl von Voraussetzungen gebunden. Der Teufel steckt hier im Detail. Weiterlesen

Neues vom BMF: Umsatzsteuer auf Sachspenden – Lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein?

Mit gleich zwei Schreiben hat sich das BMF am 18.03.2021 zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Sachspenden geäußert und zeigt auf, unter welchen Voraussetzungen eine Reduzierung der Umsatzsteuer – auch auf 0 Euro – ermöglicht ist.

Nicht in allen Fällen kommt es aber zu einem vollkommenen Ausbleiben der Umsatzbesteuerung. Sind die Anwendungsvoraussetzungen daher praxistauglich genug?

Hintergrund

Nicht erst seit der Corona-Krise hat das Thema Umsatzsteuer auf Sachspenden vielerorts die Gemüter erhitzt. Will ein Unternehmer seine noch verbrauchbaren Waren, welche durch ihn ausgesondert wurden, spenden (etwa an eine Tafel oder eine gemeinnützige Organisation), so liegt i.d.R. eine unentgeltliche Wertabgabe gem. § 3 Abs. 1b UStG vor. Somit hat im Falle der Spende eine Umsatzbesteuerung stattzufinden, wenn der Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat. Heranzuziehen ist der fiktive Einkaufspreis im Zeitpunkt der Wertabgabe. Das gilt auch für im Unternehmen selbst hergestellte Gegenstände (Abschnitt 10.6 Abs. 1 Satz 3 UStAE).

Während für Lebensmittelspenden dieser Problembereich verwaltungsseitig bereits angegangen worden war (vgl. u.a. den Erlass der OFD Niedersachen v. 09.02.2016), bestand für den Bereich anderer Sachspenden bisher keine Sonderregelung mit der Folge, dass die Spende Umsatzsteuer auslöste. Entsprechend kam es dazu, dass eine Vernichtung der Ware unternehmensseitig regelmäßig günstiger zubuche schlug als deren Spende. Insbesondere im Bereich des Versandhandels führte dies zuletzt dazu, dass umfangreich Saisonware – v.a. Kleidung – in der Tonne landete, anstatt sie an Bedürftige weiterzugeben. Das BMF war hier zur Handlung aufgerufen. Nach einem langen Tauziehen wurden nunmehr am 18.03.2021 gleich zwei BMF-Schreiben publiziert. Weiterlesen

#SpendenStattVernichten: Neues zur Umsatzsteuerpflicht auf Sachspenden

Der nunmehr viele Wochen anhaltende zweite harte Lockdown hat dazu geführt, dass Einzelhändler auf einem Großteil ihrer Waren sitzen geblieben sind. Vor allem die Textilbranche dürfte dies hart treffen, unterliegt doch gerade die Mode den jeweiligen Trends einer Saison. Hürden müssen die jeweiligen Einzelhändler überwinden, wenn sie die überquellenden Lager durch entsprechende Sachspenden leeren wollen. Denn: ebenso wie beim Verkauf unterliegen Sachspenden der Umsatzsteuerpflicht. Dies führt meist dazu, dass die nicht verkauften Waren geschreddert werden. Berücksichtigt man, dass aktuell mehrere hundert Millionen unverkaufter Kleidungsstücke deutschlandweit in den Lagern liegen, ergibt dies eine unsagbare Wertezerstörung.

Eine grundlegende Änderung dieses umsatzsteuerrechtlichen Paradoxons fordert nunmehr eine Allianz aus der Grünen-Bundestagsfraktion, dem Handelsverband Deutschland (HDE) und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband. Unter dem Slogan „#Spenden statt Vernichten – Lagerware für den guten Zweck“, stellten sie vergangene Woche eine gemeinsame Initiative für die Weiterverwendung von Waren vor, die während der Corona-Krise nicht verkauft werden konnten.

Hauptanliegen: Abschaffung der Umsatzsteuer auf Sachspenden

Hauptanliegen der Initiative ist die Abschaffung der Umsatzsteuer auf Sachspenden. Weiterlesen