Serie Bilanzskandale: Verschiebung von Sonderzahlungen ans Personal schonen den Gewinn

Sonderzahlungen ans Personal erst bei der Auszahlung erfassen anstatt bereits bei der rechtlichen Entstehung. Auf den ersten Blick erscheint dies „harmlos“ im Vergleich zu fingierten Rechnungen und vieler der bisherigen Praxisbeispiele dieser Serie. Dennoch ein ganz klarer Verstoß gegen die Rechnungslegungsvorschriften. Und erlauben Sie mir eine Anmerkung an dieser Stelle: Bei der Manipulation von Bilanzen wird in der Regel nicht nur an einer Stelle geschraubt, sondern an vielen – und das kann den Gewinn in der Summe ganz schön aufblähen bzw. den Ausweis eines Verlustes verhindern.

Auch dieses Beispiel stammt nicht aus meiner Ideenkiste, sondern wurde tatsächlich so in aufgedeckten Fällen von Bilanzmanipulationen bei der Aufklärung entdeckt. Anders als bei vielen Praxisbeispielen zuvor entsteht den Tätern durch die Verschiebung des Aufwandes in ein späteres Geschäftsjahr kein Folgeproblem mit der Liquidität. Allerdings ist das Aufblähen des Gewinns auch nur vorübergehend möglich. Im Fall einer Krise kann dies dem Unternehmen – zumindest vorübergehend – etwas Luft verschaffen. Zeit, in der möglicherweise Investoren oder Banken von der besseren Entwicklung des Unternehmens nach einer Restrukturierung überzeugt werden können. Doch schauen wir uns nun an, wie die Täter vorgegangen sind.

Vorgehensweise der Täter

Um den Gewinn im Jahr 01 aufzublähen wurden verschiedene Sonderzahlungen ans Personal erst zu dem Zeitpunkt als Aufwand erfasst, zu dem die Zahlungen tatsächlich geleistet wurden. Außer Acht gelassen wurde hier somit die rechtliche Entstehung des Aufwandes. Zwischen der Zusage an die Mitarbeiter und der Auszahlung lagen mehrere Monate, der Bilanzstichtag lag dazwischen.

Je nach Leistungen der einzelnen Mitarbeiter im abgelaufenen Geschäftsjahr 01 erhielten diese Prämien aufgrund des erfolgreichen Jahres für das Unternehmen, so die offizielle Begründung. Bereits im Oktober informierte die Geschäftsleitung sowohl über einen Aushang als auch per E-Mail die Mitarbeiter über die Zahlungen und dankte diesen für den Arbeitseinsatz. Die Prämie sollte im März des Jahres 02 mit der laufenden Gehaltszahlung ausbezahlt werden. Die genaue Höhe der Prämie sollte sich nach dem tatsächlichen Gewinn des Geschäftsjahres richten, sodass diese noch nicht final feststand zu diesem Zeitpunkt.

Aufgrund der Regelungen im Arbeitsvertrag erhielt die Geschäftsleitung eine Tantieme, deren Höhe vom erwirtschafteten Gewinn im Geschäftsjahr 01 abhing. Die Auszahlung der Tantieme erfolgte ebenso im März des Jahres 02. Die Auszahlung der Tantieme im folgenden Geschäftsjahr wurde vertraglich vereinbart.

Die zugesagten Prämien und Tantiemen wurden erst bei der Auszahlung im Jahr 02 als Aufwand erfasst. Eine Berücksichtigung der zugesagten Zahlungen an das Personal bei der Aufstellung des Jahresabschlusses für das Jahr 01 erfolgte daher nicht.

Auswirkungen auf den Jahresabschluss

Für die beschriebenen Sonderzahlungen wäre das Unternehmen zur Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gem. § 249 Abs. 1 S. 1 HGB verpflichtet gewesen. Entscheidend ist nämlich nicht der Zeitpunkt der Zahlung, sondern die wirtschaftliche Verursachung. Dies ist einer der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, genau genommen das sog. Periodisierungsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB).

Durch die Zusagen mittels Aushanges und per E-Mail an die Belegschaft für die Arbeitsleistung im Geschäftsjahr 01 sind die Aufwendungen diesem Jahr wirtschaftlich zuzuordnen. Auch die vertraglich vereinbarte Tantieme ist so zu behandeln. Die Höhe der Tantieme kann anhand des voraussichtlichen Gewinns vorläufig berechnet werden. Erst nach Ende des Geschäftsjahres kann sie genau berechnet werden. Gleiches gilt für die Prämie an die Mitarbeiter.

Der Jahresabschluss für das Jahr 01 muss daher wie folgt korrigiert werden: Die voraussichtliche Höhe der Prämie und Tantiemen muss als Rückstellung erfasst werden. Gleichzeitig müssen damit auch die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge ermittelt und gebucht werden. Beispielhaft wird hier der Buchungssatz für die Bildung der Rückstellung aufgezeigt:

Personalaufwand
an Rückstellungen

Im Geschäftsjahr 02 bei der Auszahlung der Beträge muss die Buchung wie folgt lauten:

Rückstellungen
an Bank

Fazit

Das Auffinden unterlassener Buchungen in einem Geschäftsjahr erfordert eine andere Vorgehensweise als bei fiktiv gebuchten Umsatzerlösen. Denn hier muss zum einen nach entsprechenden Unterlagen gesucht werden, die wie in diesem Fall eine Rückstellungsbildung erforderlich gemacht hätten (Jahr 01). Auf der anderen Seite muss geprüft werden, ob eine Buchung zu einem früheren Zeitpunkt als in dem betroffenen Geschäftsjahr (Jahr 02) hätte gebucht werden müssen.