Höhe des steuerfreien Teils der Rente bei aufgeschobenem Rentenbeginn

Entscheidungsfall

Der Kläger bezog im Streitjahr u. a. eine Rente des Schleswig-Holsteinischen Versorgungswerks für Rechtsanwälte. Ausweislich der Satzung besteht ein Anspruch auf die Rente des Schleswig-Holsteinischen Versorgungswerks für Rechtsanwälte mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Unmittelbar vor Erreichen der Altersgrenze beantragte der Kläger entsprechend der Satzung des Versorgungswerks, die Rentenzahlungen über die Altersgrenze bis zur Vollendung des 66. Lebensjahres hinauszuschieben. Entsprechend verfuhr er in den Folgejahren. Die Rente wurde insgesamt bis Oktober 2012 aufgeschoben.

Im streitigen Einkommensteuerbescheid 2016 wurde ein steuerfreier Teil der Rente abgezogen, der für das Jahr 2013 aus einem Besteuerungsanteil von 64 % errechnet worden war. Als Beginn der Rente wurde hierbei auf den 1. Oktober 2012 abgestellt.

Hiergegen wandten sich der Kläger erfolglos. Zur Begründung führte er aus, dass als Rentenbeginn für die Altersrente des Schleswig-Holsteinischen Versorgungswerks für Rechtsanwälte nicht das Jahr 2012, sondern das Jahr 2009 zu berücksichtigen sei. Der reguläre Rentenbeginn wäre der 1. Oktober 2009 gewesen. Ab diesem Zeitpunkt bestünde ein Anspruch auf die Altersrente.

Urteil des FG Schleswig-Holstein vom 02.09.2020 – 2 K 159/19

Das FG wies die Klage als unbegründet zurück. Der Besteuerungsanteil der Rente aus dem Versorgungswerk sei zutreffend nach dem für einen Rentenbeginn im Jahr 2012 geltenden Prozentsatz bestimmt worden. Maßgeblich sei das Jahr der ersten tatsächlichen Rentenzahlung – im Streitfall das Jahr 2012. Nur so werde dem verfassungsrechtlichen Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit entsprochen. Die Leistungsfähigkeit werde bei einer Rentenzahlung aber erst bei einer tatsächlichen Zahlung erhöht und nicht bereits bei einem bestehenden Rechtsanspruch, auf den zunächst verzichtet wird.

Das FG Schleswig-Holstein hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen, die inzwischen unter Az. X R 29/20 beim BFH anhängig ist.

Anmerkung zur Entscheidung

Der Entscheidungsfall betrifft die berufsständische Altersversorgung, wäre aber auch für Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung denkbar. Weiterlesen

Die Besteuerung der Renten: Quo vadis?

Bereits vor einiger Zeit wurde in diesem Blog unter dem Titel „Doppelbesteuerung der Rente: Verfassungsrechtlich fraglich und ungerecht“ das Problem der Doppelbesteuerung der Renteneinkünfte angesprochen.

Im Kern gehen die jetzigen Probleme, die das Besteuerungssystem der Renteneinkünfte bietet, auf das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) zurück. Mit diesem Gesetz wurde zum 1. Januar 2005 das Besteuerungssystem der Renten reformiert. Der damalige Gesetzgeber war durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu einer Reform angehalten, da das Bundesverfassungsgericht die unterschiedliche Besteuerung der Beamtenpensionen nach § 19 EStG und der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG für verfassungswidrig erklärte (vgl. BVerfG-Urteil vom 6. März 2002 – 2 BvL 17/99, BStBl II 2002, S. 618).

Durch das Alterseinkünftegesetz wird der abzugsfähige Anteil der Rentenbeiträge – beginnend mit 60 % im Jahr 2005 – schrittweise auf 100 % im Jahr 2025 angehoben. Zeitgleich wird der steuerpflichtige Anteil des Renteneinkommens auf 100 % im Jahr 2040 erhöht. Durch dieses System kann eine Doppelbesteuerung resultieren, die besonders stark bei Personen wirkt, die bereits vor 2005 erwerbstätig waren und ab 2040 in den Ruhestand gehen.

Für diese Personen waren zwischen 2005 und 2025 die Beiträge in die Rentenversicherung nicht voll abzugsfähig, ab 2040 muss die Rente unterdessen komplett versteuert werden. Aber auch für Steuerpflichtige, die bereits heute Renteneinkünfte erzielen, kann sich rechnerisch eine Doppelbesteuerung nachweisen lassen. Aus diesem Grund sind mehrere Finanzgerichtsverfahren zur Frage der Doppelbesteuerung anhängig (z.B. BFH Az. X R 33/19; FG Saarland Az. 3 K 1072/20) und das Thema wird in zunehmenden Maße auch in die politische Diskussion eingebracht. Ende 2020 nahmen Mitglieder der FDP Bundestagsfraktion die Doppelbesteuerung der Rente zum Anlass eine kleine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen. Aus den Antworten der Bundesregierung wird zunächst deutlich, dass am 1. Juli 2020 rund 20 Mio. Empfänger einer gesetzlichen Rente in Deutschland vorhanden waren und zwischen 2015 und 2019 zirka 4 Mio. neue Empfänger einer gesetzlichen Rentenversicherung hinzugekommen sind (vgl. BT-Drucks. 19/25772 v. 12.01.2021, S. 2). Insbesondere die letzte Gruppe dürfte tendenziell stärker von einer möglichen Doppelbesteuerung betroffen sein.

Auf die Frage „Wie viele Personen werden nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland in den nächsten zehn Jahren in Rente gehen?“ antwortete die Bundesregierung wie folgt „Der Bundesregierung liegen keine Angaben zur Anzahl der Personen vor, die in den nächsten zehn Jahren in Rente gehen.“ (vgl. BT-Drucks. 19/25772 v. 12.01.2021, S. 3). Eine Abschätzung, wie hoch die Anzahl der Steuerpflichtigen sein wird, die in den kommenden Jahren von einer möglichen Doppelbesteuerung betroffen sind, lässt sich damit nicht treffen.

Die Bundesregierung hält allerdings daran fest, dass im Rahmen der skizzierten Übergangsregelung zu keiner verfassungswidrigen Doppelbesteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen kommt (vgl. BT-Drucks. 19/25772 v. 12.01.2021, S. 3). Ob sich die Ansicht halten lässt, wird sich im anhängigen Verfahren vor dem Bundesfinanzhof zeigen, welches noch in diesem Jahr entschieden werden soll. Auch wenn die Doppelbesteuerung im Einzelfall gering ausfallen kann und damit noch als verfassungswidrig qualifiziert, kann unter Gerechtigkeitsaspekte auch dieses System kritisch gesehen werden. Zum einen, da aufgrund des gesunkenen Einkommens in der Rentenphase, eine Doppelbesteuerung schädlicher wirkt, als in einer Phase mit hohen Einkommen. Zum anderen aber auch, weil auch eine geringe Doppelbeteuerung als ungerecht empfunden wird.

Weitere Informationen:

Lesen Sie hierzu auch den Beitrag von Schindler/Braun „Die Doppelbesteuerung von Renten ist Fakt!, NWB 11/2020 S. 784 ff. (für Abonnenten kostenfrei).


 

Doppelbesteuerung der Rente: Verfassungsrechtlich fraglich und ungerecht

Wer ein Leben lang einer Beschäftigung nachgegangen ist, der sollte im Alter von den Renteneinkünften leben können. So zumindest die Idealvorstellung. Diese Idealvorstellung geht allerdings nicht immer auf. Altersarmut wird immer mehr zu einem Thema und lässt sich nicht alleine mit steigenden Mieten und erhöhten Kaufpreisen begründen. In den kommenden Jahren könnte der Staat immer mehr zu dieser Entwicklung beitragen. Dies liegt an der Doppelbesteuerung der Renteneinkünfte. Weiterlesen