Mit dem Blog-Beitrag „Prozesskosten um nachehelichen Unterhalt doch nicht abziehbar“ hatte ich das BFH-Urteil vom 18.10.2023 (X R 7/20) vorgestellt. Die obersten Steuerrichter hatten entschieden, dass Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts auch dann nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, wenn der Unterhaltsempfänger seine Zustimmung zum so genannten Realsplittung erteilt hat, die Zahlungen also nach § 22 Nr. 1 a EStG versteuert.
Der BFH hatte über die Klage aber nicht abschließend entschieden, sondern die Sache an die Vorinstanz zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Denn das FG habe keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die streitbetroffenen Prozesskosten gegebenenfalls als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden könnten. Das Urteil der Vorinstanz liegt nun vor. Und wie zu erwarten, hat es entschieden, dass die Prozesskosten auch keine außergewöhnlichen Belastungen darstellen (FG Münster, Urteil vom 18.9.2024, 1 K 494/18 E).
Zur Erinnerung noch einmal der Vorgang:
Die Ehe der Klägerin wurde im Jahr 2014 geschieden und ihr früherer Ehemann verpflichtet, ab Rechtskraft der Scheidung, nachehelichen Unterhalt in Höhe von 582,50 Euro monatlich zu zahlen. Das von der Klägerin angestrengte Gerichtsverfahren endete vor dem OLG mit einem Vergleich, in welchem sich der Ex-Mann zur Zahlung eines höheren nachehelichen Unterhalts von monatlich 900 Euro bereit erklärte. Die Verfahrenskosten wurden gegeneinander aufgehoben. Die Klägerin entrichtete Gerichts- und Anwaltskosten im Jahre 2015. Das Finanzamt erfasste bei der Klägerin die erhaltenen Unterhaltsleistungen als steuerpflichtige sonstige Einkünfte, da sie dem Realsplittung zugestimmt hatte. Die von ihr getragenen Anwalts- und Gerichtskosten ließ das Finanzamt nicht zum Abzug zu.
Das FG gab der dagegen gerichteten Klage mit der Begründung statt, dass die Klägerin ohne diese Aufwendungen später keine Unterhaltseinkünfte hätte erzielen können. Daher stellten sie einkommensteuerrechtlich vorweggenommene Werbungskosten dar. Dem ist der BFH jedoch entgegengetreten. Unterhaltszahlungen seien dem Privatbereich zuzuordnen, entsprechend auch die zu ihrer Erlangung aufgewendeten Prozesskosten. Das Realsplitting sei lediglich ein Sonderfall, der zwar den Unterhalt „rechtsgestaltend“ in den Einkünftebereich verlagere, eventuelle Prozesskosten würden dadurch aber nicht mit in den Einkünftebereich wechseln. Der BFH hat dennoch über die Klage nicht abschließend entschieden, sondern die Sache an die Vorinstanz zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Denn das FG habe keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Prozesskosten gegebenenfalls als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden könnten.
Das Urteil des FG Münster:
Das FG Münster hat nun entschieden, dass die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Kosten als außergewöhnliche Belastungen nicht vorlägen. Ein Abzug von Prozesskosten kommt nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG). Bei der Prüfung der Existenzgrundlage sei das frei verfügbare Einkommen der Klägerin zu berücksichtigen. Dieses habe zum maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung deutlich über dem Existenzminimum gelegen. Dabei sei die Arbeitskraft der Klägerin einzubeziehen. Aufgrund ihrer hohen Qualifikation und ihrer Berufserfahrung sei es ihr gelungen, nahtlos eine neue Anstellung zu finden. Und in der Tat hat die Klägerin im Streitjahr durch diese Anstellung auch einen so hohen Arbeitslohn erzielt, dass ihre Existenzgrundlage nicht als gefährdet galt.
Denkanstoß:
Von Bedeutung sind auch folgende Aussagen des Gerichts: Maßgeblich ist, dass die Klägerin ihre berufliche Qualifikation und ihre Berufserfahrung zur Erzielung von Einkünften nutzen konnte und auch tatsächlich genutzt hat. Neben ihrer Angestelltentätigkeit hatte die Klägerin zusätzlich Kapazitäten, ihre Arbeitskraft für die Erzielung selbstständiger Nebeneinkünfte als Programmiererin einzusetzen. Selbst wenn ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung beendet worden wäre und sie nicht nahtlos eine neue Stelle gefunden hätte, hätte sie die Möglichkeit gehabt, mit derartigen Tätigkeiten ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Das bedeutet m.E., dass bei der Prüfung, ob die Existenzgrundlage des Unterhaltsempfängers gefährdet war, auch seine potenzielle Arbeitskraft einbezogen werden muss, selbst wenn er gar nicht arbeitet. Mietobjekte zählen ebenfalls zur Existenzgrundlage, und zwar auch dann, wenn die Objekte zur Sicherung der Altersversorgung dienen.
Befriedigend ist das Ergebnis sicher nicht und dem FG Münster muss zugutegehalten werden, dass es ja – zunächst – sogar einen Werbungskostenabzug ermöglichen wollte. Schade, dass der BFH dem nicht gefolgt ist. Ich hatte das BFH-Urteil in dem eingangs erwähnten Blog-Beitrag bereits kritisiert und wiederhole meine Kritik noch einmal. In § 9 EStG heißt es einleitend: „Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.“ Genau solche Aufwendungen hat die Klägerin eigentlich getätigt. Zu einer abweichenden Handhabung bei „rechtsgestaltender Überführung von privaten Unterhaltszahlungen“ findet sich in § 9 EStG nichts.