Aufreger des Monats November: Kein „nachlaufender“ Betriebsausgabenabzug für befreite PV-Anlagen

Für bestimmte Photovoltaikanlagen gilt seit 2022 eine gesetzliche Ertragsteuerbefreiung (§ 3 Nr. 72 EStG). Im Gegenzug sind Betriebsausgaben seit 2022 nicht mehr abziehbar. Es bleibt aber die Frage, was mit so genannten nachlaufenden Betriebsausgaben geschieht, also etwa eine in 2022 geleistete Umsatzsteuer-Nachzahlung für das Jahr 2021.

Das FG Nürnberg hat diesbezüglich nun entschieden, dass ab dem Veranlagungszeitraum 2022 keine Betriebsausgaben für steuerbefreite Photovoltaikanlagen mehr abgezogen werden dürfen, selbst wenn diese auf steuerpflichtige Einnahmen früherer Veranlagungszeiträume entfallen.

Überraschenderweise stellt das Gericht dabei aber gar nicht auf einen „wirtschaftlichen Zusammenhang“ oder das Abzugsverbot nach § 3c Abs. 1 EStG ab, sondern leitet das Abzugsverbot unmittelbar aus der Vorschrift des § 3 Nr. 72 EStG ab (FG Nürnberg, Urteil vom 19.9.2024, 4 K 1440/23). Weiterlesen

Rückgängigmachung des IAB für PV-Anlage: Erste Niederlage für die Finanzverwaltung

Für bestimmte Photovoltaikanlagen gilt seit 2022 eine gesetzliche Ertragsteuerbefreiung (§ 3 Nr. 72 EStG). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob ein Investitionsabzugsbetrag (IAB), der bis Ende 2021 für die Anschaffung einer Photovoltaikanlage in 2022 ff. gebildet worden ist, rückgängig zu machen ist. Die Frage erhitzt die Gemüter und ist im Rahmen des NWB Experten-Blogs auch heftig diskutiert worden.

Das BMF hat sich jedenfalls – erwartungsgemäß – wie folgt positioniert (BMF-Schreiben vom 17.7.2023, BStBl 2023 I S. 1494): Investitionsabzugsbeträge, die in vor dem 1. Januar 2022 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen und bis einschließlich zum 31. Dezember 2021 noch nicht gewinnwirksam hinzugerechnet wurden, sind nach § 7g Absatz 3 EStG rückgängig zu machen, wenn in nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigte Photovoltaikanlagen investiert wurde.

Das FG Köln hatte sich im Sinne des Fiskus geäußert: Die Rückgängigmachung von IAB für die Anschaffung von ab dem Jahr 2022 steuerbefreiten Photovoltaikanlagen ist nicht zu beanstanden. So lautete der Beschluss des FG Köln vom 14.3.2024 (7 V 10/24) in einem AdV-Verfahren (vgl. Blog „Aufreger des Monats April: Rückgängigmachung des IAB für PV-Anlage oder keine Lust auf Karlsruhe“).

Nun ist der BFH dem Beschluss des FG Köln aber entgegengetreten: Es ist ernstlich zweifelhaft, ob ein im Jahr 2021 gebildeter IAB für eine im Jahr 2022 tatsächlich erworbene und nun steuerbefreite Photovoltaikanlage allein wegen des Inkrafttretens der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 72 EStG rückgängig zu machen ist (BFH-Beschluss vom 15.10.2024, III B 24/24 – AdV). Damit hat die Finanzverwaltung ihre erste Niederlage kassiert, wenn auch nur in einem AdV-Verfahren. Weiterlesen

Photovoltaikanlagen: Ermittlung eines Totalüberschusses – in Altfällen immer noch wichtig

Wenn es in einem Beitrag um die Ermittlung eines Totalüberschusses aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage geht, klingt das irgendwie nach einer „alten Kamelle“. Doch es dürfte noch viele Streitfälle aus den Jahren vor 2022 geben, in denen das Finanzamt eine Totalüberschuss- bzw. -gewinnprognose anfordert oder selbst erstellt und mithin die Gewinnerzielungsabsicht infrage stellt.

Für diese Fälle ist ein Urteil des FG Baden-Württemberg vom 13.11.2023 (10 K 646/22) durchaus bedeutsam. Die wesentlichen Aussagen lauten: Beim Betrieb von Photovoltaikanlagen ist für die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht ein Prognosezeitraum von 20 Jahren anzusetzen. Ein Restwert ist nach Ablauf der 20 Jahre nicht anzunehmen.

Der Sachverhalt:

In seiner Einkommensteuererklärung 2018 machte der Kläger einen Verlust aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage durch Bildung eines Investitionsabzugsbetrags geltend. Er erzielte auch 2019 einen Verlust aus dem Betrieb der Anlage. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer des Streitjahres 2020 erstellte das Finanzamt eine Gewinnprognose. Es ermittelte über eine Gesamtnutzungsdauer von 20 Jahren einen Totalverlust. Daher änderte das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2018 und 2019 und berücksichtigte die bislang angesetzten Verluste aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage nicht mehr. Auch das FG entschied, dass die geltend gemachten Verluste nicht abgezogen werden dürfen.

Die Begründung in aller Kürze:

Ich erlaube mir, hier aus einem Newsletter des FG zu zitieren: „Für die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht bzw. für die Ermittlung eines eventuellen Totalüberschusses ist ein Prognosezeitraum von 20 Jahre zugrunde zu legen. Eine längere Nutzbarkeit – wie vom Kläger behauptet 30 bis 40 Jahre – ist rein spekulativ und stützt sich nicht auf derzeit gesicherte Erkenntnisse. Bei seiner Schätzung der Betriebseinnahmen ging das Finanzamt bei einer Anlage mit 9.900 kWh/kWp von einer jährlichen Stromerzeugung von 9.900 kWh aus. Für den Prognosezeitraum von 20 Jahren ergibt sich hieraus eine Stromerzeugung von insgesamt 198.000 kWh. Dies ist nicht zu beanstanden. Des Weiteren hat das Finanzamt auf Basis der Werte des Jahres 2020 zutreffend einen Anteil von rund 29,04 % (57.500 kWh) für die Einspeisung mit 0,1079 Euro/kWh und einen Anteil von rund 70,96 % für den Eigenverbrauch (140.500 kWh) zugrunde gelegt. Hinsichtlich des selbst verbrauchten Stroms (140.500 kWh) kommt es zu einer als Betriebseinnahme zu erfassenden Entnahme, die mit dem Teilwert anzusetzen ist. Der Teilwert des selbst verbrauchten Stroms entspricht den für seine Erzeugung aufgewandten Kosten.

Ein Restwert der Anlage nach Ablauf der 20-jährigen Nutzungsdauer ist für die Prognose nicht als Einnahme zu berücksichtigen. Zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung des Klägers (spätestens) im Jahr 2018 war kaum vorhersehbar, welche Faktoren in welchem Umfang zu einem nennenswerten Restwert der Anlage beitragen könnten bzw. werden. Die diesbezügliche Unsicherheit besteht fort, so dass eine Ermittlung bzw. Schätzung des Restwerts auf ausreichend gesicherter Grundlage nicht möglich erscheint. Jedenfalls ergibt sich vor diesem Hintergrund kein Restwert, der im Streitfall zu einer positiven Ergebnisprognose führen könnte.

Bei dem Betrieb einer Photovoltaikanlage spricht der Beweis des ersten Anscheins zwar zunächst dafür, dass sie in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird. Nach der Lebenserfahrung ist ein solcher Betrieb typischerweise nicht dazu bestimmt und geeignet, der Befriedigung persönlicher Neigungen des Steuerpflichtigen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen wie eine Tätigkeit im Hobbybereich. Dieser Anscheinsbeweis wird aber bereits dadurch erschüttert, dass nach der Totalgewinnprognose innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren kein Gewinn erzielt werden kann. Dies indiziert das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht“. (Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 1/2024).

Denkanstoß:

Die Urteilsbegründung wurde hier stark verkürzt wiedergegeben. Betroffene sollten sich mit dem Urteil und insbesondere mit den Berechnungsparametern, die die Richter aufgestellt haben, aber intensiv beschäftigen, um dem Finanzamt ihrerseits vorrechnen zu können, dass doch ein Totalüberschuss erzielt werden kann. Sie sollten dabei aber tatsächlich von dem Prognosezeitraum von lediglich 20 Jahren ausgehen.

Man mag den kurzen Prognosezeitraum und die Nichteinbeziehung eines Restwerts kritisieren, doch am Ende hilft es wohl nicht viel. Die Revision wurde nicht zugelassen und es steht zu befürchten, dass sich die Finanzämter – auch außerhalb Baden-Württembergs – auf das Urteil stützen werden.

Es könnte übrigens dann besondere Bedeutung gewinnen, wenn der BFH – überraschend – entscheiden sollte, dass ein vor 2022 gebildeter Investitionsabzugsbetrag für die Anschaffung einer Anlage seit 2022 erhalten bleiben muss, auch wenn die Einnahmen seit 2022 nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei sind. Dann würden die Finanzämter verstärkt in die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht einsteigen.

Aufreger des Monats April: Rückgängigmachung des IAB für PV-Anlage oder keine Lust auf Karlsruhe

Für bestimmte Photovoltaikanlagen gilt seit 2022 eine gesetzliche Ertragsteuerbefreiung (§ 3 Nr. 72 EStG). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob ein Investitionsabzugsbetrag (IAB), der bis Ende 2021 für die Anschaffung einer Photovoltaikanlage in 2022 ff. gebildet worden ist, rückgängig zu machen ist. Die Frage erhitzt die Gemüter und ist im Rahmen des NWB Experten-Blogs auch heftig diskutiert worden.

Das BMF hat sich jedenfalls – erwartungsgemäß – wie folgt positioniert (BMF-Schreiben vom 17.7.2023, BStBl 2023 I S. 1494):

Die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g EStG setzt eine betriebliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht und damit mit prognostiziertem Totalgewinn voraus. Werden in diesen Fällen Einnahmen und Entnahmen ausschließlich aus der Stromerzeugung von Photovoltaikanlagen erzielt, die nach § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG begünstigt sind, gilt Folgendes: Weiterlesen