Mindestlohn in Deutschland genügt EU-Anforderungen

Der aktuelle gesetzliche Mindestlohn genügt in 2024 und 2025 sowohl den Anforderungen des MiLoG als auch der EU-MindestlohnRL. Angehoben wird ab 1.1.2025 aber (auch) der Mindestlohn für Auszubildende.

Hintergrund

Nach dem Mindestlohngesetz gilt in Deutschland ein flächendeckender allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn für Arbeitnehmer und für freiwillige Praktikanten in Höhe von aktuell 12,41 Euro brutto je Zeitstunde, ab 1.1.2025 beträgt er 12,82 Euro. Der allgemeine Mindestlohn verdrängt nicht Branchenmindestlöhne, soweit sie höher als der allgemeine Mindestlohn sind (§ 1 Abs. 3 MiLoG).  Die Anhebung und Fortschreibung des gesetzlichen Mindestlohnes erfolgt durch eine Empfehlung der Mindestlohn-Kommission, die vom BMAS durch Rechtsverordnung umgesetzt wird. Die Kommission fasst ihre Beschlüsse alle zwei Jahre im Juni jeweils mit Wirkung zum 1.1. des Folgejahres.

Bundesregierung bestätigt EU-Konformität des deutschen Mindestlohnes

Am 23.10.2024 hat die Bundesregierung durch das BMAS die Bekanntmachung der Umsetzung der EU-Mindestlohnrichtlinie im Bundegesetzblatt veröffentlicht. Damit testiert die Bundesregierung, dass die in Deutschland erfolgte Anhebung des Mindestlohnes auf 12,41 Euro brutto/Std. (ab 1.1.2025 dann 12,82 Euro brutto/Std.) den bindenden Vorgaben der EU-Richtlinie entspricht; wäre dies nicht der Fall, hätte die Bekanntmachung nicht erfolgen dürfen, bis eine entsprechende Anhebung nach oben erfolgt wäre. Weiterlesen

Mindestlohnanhebung und Schutz der Tarifautonomie

Bundesarbeitsminister Heil hat Mitte September 2024 unter Hinweis auf EU-Vorgaben eine Anhebung des Mindestlohnes auf 15 Euro/Stunde gefordert. Überschreitet er damit seine Kompetenzen?

Hintergrund

Seit 2015 gilt in Deutschland per Gesetz (MiLoG, BGBl 2014 I S. 1348) ein flächendeckender Mindestlohn. Grundsätzlich gilt der Mindestlohn bundesweit für alle Beschäftigten über 18 Jahre. Auf die Branche (egal ob im gewerblichen oder kaufmännischen Bereich bzw. in Privathaushalten) oder die Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses (z. B. Mini-Job) kommt es grundsätzlich nicht an.

Der Mindestlohn wurde zum 1.10.2022 einmalig durch Änderung des Mindestlohngesetzes auf 12 Euro je Zeitstunde angehoben. Gleichzeitig wurde festgelegt, dass über künftige Anpassungen der Höhe des Mindestlohns weiterhin die Mindestlohnkommission entscheidet – erstmalig wieder zum 30.6.2023 zur Anpassung der Mindestlohnhöhe mit Wirkung zum 1.1.2024. Aktuell beträgt der Mindestlohn nach der 4. MiLoAnpV (v. 24.11.2023, BGBl I Nr.321) bei 12,41 Euro brutto/Stunde, zum 1.1.2025 steigt er auf 12,82 Euro brutto/Std.

In der Alten- und Langzeitpflege sind für die betroffenen Berufsgruppen bereits zum 1.5.2024 durch Verordnung auf mindestens 15,50 Euro brutto/Std. angehoben worden, eine weitere Anhebung erfolgt zum 1.7.2025 – darüber habe ich im Blog berichtet.

Unter Hinweis auf die bis zum 15.11.2024 umzusetzende EU-Mindestlohn-Richtlinie hat Bundesminister Heil jetzt einen Anstieg des allgemeinen Mindestlohnes in den kommenden zwei Jahren auf 15 Euro brutto/Std. als „zwingende Konsequenz“ ins Spiel gebracht.

Wer entscheidet über die Anpassung des Mindestlohns?

Über die Anpassung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns entscheidet nach der Konzeption des MiLoG alle zwei Jahre eine unabhängige Kommission der Tarifpartner, die sich aus Vertretern der Arbeitgeberverbände sowie den Gewerkschaften zusammen­setzt und außerdem von Wissenschaftlern beraten wird. Die Bestimmung des gesetzlichen Mindestlohns durch die sachnäheren Sozialpartner bedeutet ebenfalls eine Stärkung der Tarifautonomie. Weiterlesen

Höhere Mindestlöhne und mehr Urlaub in der Altenpflege

Per 1.5.2024 steigen die Mindestlöhne für verschiedene Beschäftigtengruppen in der Alten- und Langzeitpflege, außerdem steigt die Zahl der Urlaubstage. Ab 1.7.2025 wird der Arbeitslohn abermals angehoben.

Hintergrund

Ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen erzeugten 2021 zusammen eine Bruttowertschöpfung in Höhe von 45,5 Milliarden Euro (ambulant: 21,5 Milliarden Euro; stationär: 24,0 Milliarden Euro). Das bedeutet: Jeder fünfte Euro der Bruttowertschöpfung in der medizinischen Versorgung wird im Pflegebereich erwirtschaftet. In Einrichtungen, die unter den Pflegemindestlohn fallen, arbeiten rund 1,3 Mio. Beschäftigte. Allerdings waren (bzw. sind) die Arbeitsbedingungen im Pflegebereich vielfach wenig attraktiv, vor allem was die Entlohnung der Pflegekräfte anlangt. Seit 1.2.2024 wurde deshalb im Verordnungswege bereits der Mindestlohn angehoben, jetzt folgen die nächsten Schritte.

Gesetzliche Regelung

Die Pflegekommission legt alle zwei Jahre eine Empfehlung zur künftigen Höhe des Mindestlohns vor. Ihre Empfehlungen orientieren sich an der Tarifentwicklung und der wirtschaftlichen Lage. Die Kommission hat acht Mitglieder: vier von Arbeitgeberseite und vier von Arbeitnehmerseite. Damit die Empfehlungen rechtswirksam werden, müssen sie in einer Verordnung umgesetzt werden: der Pflegearbeitsbedingungen-Verordnung des Bundesarbeitsministeriums (BMAS). Die 5. Pflegekommission hatte dem BMAS empfohlen, per 1.2.2024 neue Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche nach § 5 Nr.1 AentG (BGBl. 2009 I S. 799) festzusetzen. Die Höhe des neuen Pflegemindestlohns findet sich in der Sechsten Pflegearbeitsbedingungen-Verordnung vom 28.11.2023, die bereits zum 1.2.2024 in Kraft getreten ist und bis 30.6.2026 gilt.

Zudem wurde mit der Verordnung der Urlaubsanspruch für Beschäftigte in der Altenpflege erweitert. Sie haben Anspruch auf zusätzlichen bezahlten Urlaub über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinaus: bei einer 5-Tage-Woche jeweils neun Tage pro Kalenderjahr. Wenn tarifliche, betriebliche oder arbeitsrechtliche Regelungen schon zusätzliche Urlaubstage vorsehen, gilt diese Regelung nicht.

Wer profitiert wie?

Schon zum 1.2.2024 wurden die Bruttolohnstundensätze angehoben, die jetzt ab 1.5.2024 abermals sukzessive angehoben werden wie folgt:

  • Pflegehilfskräfte: Ab 1.5.2024 = 15,50 Euro/Stunde; ab 1.7.2025 = 16,10 Euro/Stunde
  • Qualifizierte Pflegehilfskräfte mit entsprechender Tätigkeit: Ab 1.5.2024 = 16,50 Euro/Stunde; ab 1.7.2025 =1 7,35 Euro/Stunde
  • Pflegefachkräfte: Ab 1.5.2024 = 19,50 Euro/Stunde; ab 1.7.2025 = 20,50 Euro/Stunde

Wo der spezielle Pflegemindestlohn nicht zur Anwendung kommt, wie zum Beispiel in Privathaushalten, gilt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn von aktuell 12,41 Euro/Stunde.

Bewertung

Die Anhebung der Mindestlohnsätze in der Pflegearbeit ist zu begrüßen: Die Verbesserung der Arbeits- und Entlohnungsbedingungen von Pflegekräften ist ein wichtiger Baustein für die Attraktivität des Pflegeberufs und damit auch eine zwingende Voraussetzung einer funktionierenden Gesundheits- und Pflegewirtschaft.

Bereits seit dem 1.9.2022 können Pflegeeinrichtungen nur dann als solche nach dem SGB XI zugelassen werden, wenn sie hinsichtlich ihrer Beschäftigten, die Leistungen der Pflege oder Betreuung erbringen, besondere Anforderungen an die Entlohnung erfüllen. Tarifgebundene oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen (z. B. der Caritas oder der Diakonie) gebundene Pflegeeinrichtungen müssen ihren in der Pflege oder Betreuung tätigen Beschäftigten denjenigen Arbeitslohn zahlen, der in dem entsprechenden Tarifvertrag oder der kirchlichen Arbeitsrechtsregelung vereinbart ist. Nicht tarifgebundene Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben die Wahl, die bei ihnen beschäftigten Pflege- und Betreuungskräfte entweder mindestens in Höhe eines in der Region anwendbaren Pflege-Tarifvertrags bzw. kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen zu entlohnen oder eine Entlohnung zu zahlen, die nach den definierten Qualifikationsgruppen jeweils im Durchschnitt mindestens der Höhe des jeweiligen regional üblichen Entlohnungsniveaus entspricht.

Im Bereich der Alten- bzw. Langzeitpflege gilt auf der Grundlage des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes bereits seit August 2010 ein spezieller Pflegemindestlohn, der seit dem 1.1.2015 auch für die ambulante Krankenpflege gilt. Mit der aktuellen Sechsten Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen in der Pflegebranche (6. PflegeArbbV) gelten nun seit 1.5.2024 abermals erhöhte Bruttoarbeits(mindest)löhne.

Weitere Informationen

Änderungen beim Minijob seit 1.1.2024

Zum 1.1.2024 ist der gesetzliche Mindestlohn von bislang 12,00 auf 12,41 Euro pro Stunde gestiegen. Damit steigt bundeseinheitlich auch die Verdienstgrenze von bislang 520 auf 538 Euro im Monat für das Jahr 2024, die Jahresverdienstgrenze für Minijobber erhöht sich in 2024 entsprechend auf 6.456 Euro. Was ist zu beachten?

Hintergrund

Minijobs sind geringfügige Beschäftigungen mit begrenztem monatlichem Arbeitsentgelt oder kurzfristige Beschäftigungen mit einem Arbeitseinsatz von maximal 70 Tagen pro Kalenderjahr. Rechtsgrundlage für Mini-Jobs ist das SGB IV. Minijobber gelten nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz als Teilzeitbeschäftigte und haben grundsätzlich die gleichen Rechte wie Vollzeitbeschäftigte etwa bei Kündigung, Krankheit oder Urlaub. Bis 31.12.2023 konnte ein Minijobber steuer- und abgabenfrei maximal 520 Euro im Monat verdienen.

Was hat sich ab 1.1.2024 geändert?

Mit der Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns ist auch die Verdienstgrenze für Minijobber gestiegen. Solange in 2024 der Gesamtverdienst nicht über der voraussichtlichen Jahresverdienstgrenze von 6.456 Euro liegt, können Minijobber in einzelnen Monaten wegen eines schwankenden Lohns auch mal mehr als 538 Euro/Monat verdienen. Im Durchschnitt darf der monatliche Verdienst aber nicht höher als 538 Euro sein. Nur dann liegt weiterhin ein Minijob vor. Weiterlesen

Mindestlohnanhebung: Staatslohnentwicklung oder Sache der Tarifparteien?

Der Mindestlohn soll ab 1.10.2022 auf 12 Euro angehoben werden – aber nicht durch die Mindestlohnkommission, sondern unmittelbar durch den Gesetzgeber.

Was ist davon zu halten?

Hintergrund

Seit 2015 gilt in Deutschland per Gesetz (MiLoG, BGBl 2014 I S. 1348) ein flächendeckender Mindestlohn. Grundsätzlich gilt der Mindestlohn bundesweit für alle Beschäftigten über 18 Jahre. Auf die Branche (egal ob im gewerblichen oder kaufmännischen Bereich bzw. in Privathaushalten) oder die Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses (z.B. 450,- €-Job) kommt es grundsätzlich nicht an. Seit dem 1.1.2021 wird der gesetzliche Mindestlohn nach der Dritten Verordnung zur Anpassung des Mindestlohns – MiLoV (BGBl 2020 I S. 2356) in vier Stufen bis 1.7.2022 weiter angehoben:

1.1.2021: 9,50 € / 1.7.2021: 9,60 € / 1.1.2022: 9,82 € / 1.7.2022: 10,45 €.

Die neue Bundesregierung beabsichtigt jetzt eine Anhebung des Mindestlohns auf 12 € ab dem 1.10.2022.

Wer entscheidet über die Mindestlohnhöhe?

Eigentlich spricht das Gesetz eine eindeutige Sprache: Weiterlesen

Vom Glück dieser Erde und der Unterbrechung eines Praktikums

Praktikanten haben üblicherweise keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, wenn das Praktikum einen Zeitraum von drei Monaten nicht übersteigt. So weit, so gut – oder schlecht (je nach Sichtweise). Eine „findige“ Praktikantin hatte nun aber eine – vermeintlich – famose Idee, um dennoch „ihren“ Mindestlohn durchzusetzen. Sie verlängerte den Drei-Monats-Zeitraum per (ungewollter) Krankheit und (gewolltem) Urlaub. Doch auch wenn sie in einem Reitstall tätig war und das Glück dieser Erde bekanntlich auf dem Rücken der Pferde liegt, blieb ihr der entsprechende Erfolg vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verwehrt.

Weiterlesen

Das BAG sieht auch im Dunklen – der gesetzliche Mindestlohn auch beim Nachtzuschlag

Jüngst hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) abermals zugunsten der Arbeitnehmer im Hinblick auf den gesetzlichen Mindestlohn entschieden. Erst gestern urteilte das höchste deutsche Arbeitsgericht, dass bei Berechnung von Nachtzuschlägen – übrigens: die einzige tatsächlich gesetzlich geregelte Zuschlagsart – der gesetzliche Mindestlohn zugrunde zulegen ist (BAG, Urteil vom 20.09.2017 – 10 AZR 171/16, bisher liegt nur die Pressemitteilung vor).

Weiterlesen

Zulagen und Prämien als Bestandteil des gesetzlichen Mindestlohnes

Das BAG (Urteil vom 21.12.2016 – 5 AZR 374/16) hat sich mit einzelnen Bestandteilen des gesetzlichen Mindestlohnes befasst.

Im Fall arbeitete eine Telefonistin im Schichtdienst 8 Stunden täglich zum Mindestlohn. Sie erhielt:

  • eine Wechselschichtzulage sowie
  • eine Funkprämie für die Funkkanalbedienung und
  • eine Leistungsprämien, die aus verschiedenen Auftragsarten der Telefonannahme und Funkvermittlung ermittelt wurde oder sich nach allgemeinen Kriterien des Umgangs, wie Sprache, Höflichkeit, Korrektheit und Zuverlässigkeit richtete.

Das BAG hat entschieden, dass bei einem Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohnes die Differenz zum gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 Mindestlohngesetz zu einem sog. Differenzanspruch führt. Berechnungszeitraum sei dabei der Kalendermonat.

Der Mindestlohn wird wie folgt berechnet:

Weiterlesen

Bundesfinanzhof widerspricht Finanzverwaltung – Neue Steuervorteile aus außergewöhnlichen Belastungen?

Mit gestern veröffentlichtem Urteil änderte der Bundesfinanzhof die Berechnungsmethode bei der Abziehbarkeit außergewöhnlicher Belastungen. Die Presseabteilung des Gerichts misst der Entscheidung „weitreichende Bedeutung“ zu, die in der Regel zu steuerlicher Entlastung führen soll. Ich habe so meine Zweifel, dass das mal jemand nachgerechnet hat.

Eine rechtliche Analyse der Entscheidung – nur unter dem Aspekt der neuen Berechnungsmethode – fällt knapp aus. Das Gericht wechselt bei der Berechnung von einem Staffel- zu einem Stufentarif. Für die Berechnung der zumutbaren – und insoweit nicht abziehbaren – Belastung ist der Prozentsatz nicht mehr einheitlich nach dem Gesamteinkommen zu bestimmen. Vielmehr wird eine gestufte Berechnung vorgenommen, in welcher der höhere Satz nur auf den Einkommensteil jeder Stufe angewendet wird. Die Begründung der gestuften Berechnung erscheint sehr gut vertretbar. Überhaupt lässt sich gegen Härtefallregelungen ja nicht viel einwenden, insbesondere wenn sie – wie hier – sehr überschaubar bleiben. Doch wie sieht es wirtschaftlich aus? Wer profitiert mit wie viel Euro vom Urteil? Weiterlesen