Bilanzen verheimlichen – ein neuer Trend?

Warum die Verweigerung der Offenlegung von Jahresabschlüssen nicht länger nur Falschparken sein sollte

272.000 Verfahren hat das Bundesamt für Justiz im vergangenen Jahr eingeleitet. Eine Steigerung von über zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr – Tendenz steigend. Erschreckende Zahlen, wie ich finde. Aber auch ich stelle bei der Recherche im Bundesanzeiger immer wieder fest: Zu spät ist die neue Norm. Und „gar nicht“ scheint ein neuer Trend zu sein.

Worum geht es? Um die Offenlegung der Jahresabschlüsse von Kapitalgesellschaften. Denn hier gibt es klare gesetzliche Vorgaben. Schließlich sollen Gläubiger, Anleger und andere Stakeholder über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens informiert werden.

Verweigerung der Offenlegung ist wie falsch parken

Signa, Galeria Karstadt Kaufhof – das sind nur zwei Beispiele für Unternehmen, die es mit den Fristen nicht so genau nehmen. Denn die genannten Regelungen gelten nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich. Die Verweigerung der Veröffentlichung von Jahresabschlüssen im österreichischen Firmenbuch hat nach dem Zusammenbruch des Signa-Imperiums für viel Diskussionsstoff gesorgt. Denn bisher gibt es nur eine Geldstrafe, die das Unternehmen zahlen muss. Und manche Unternehmen treiben es auf die Spitze: Sie zahlen lieber immer höhere Strafen, als ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen.

Auch wenn man nicht von jeder gesetzlichen Regelung überzeugt sein mag: Die rechtzeitige Offenlegung der Zahlen kann nicht nur die Transparenz, sondern auch das Vertrauen von Investoren und Gläubigern stärken. Der Mangel an Fachkräften wird zwar gerne als Ausrede benutzt, dennoch schaffen es die meisten Unternehmen, die Fristen einzuhalten. Bislang ist die Verweigerung der Offenlegung allerdings wie Falschparken: Sie wird mit einem Bußgeld geahndet.

Was sich ändern sollte

Die strikte Verweigerung der Offenlegung von Jahresabschlüssen trotz eindeutiger gesetzlicher Verpflichtung sollte Konsequenzen haben. Und damit meine ich nicht die Erhöhung von Ordnungsgeldern. Weiterlesen

Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB: Aussetzung bis 07.03.2022

Das Bundesamt für Justiz hat auf seiner Homepage bekannt gegeben, dass es gegen Unternehmen, deren gesetzliche Frist zur Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen für das Geschäftsjahr mit dem Bilanzstichtag 31.12.2020 am 31.12. 2021 endet, vor dem 07.03.2022 kein Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB einleiten wird.

Hintergrund

Kapitalgesellschaften sollen insbesondere durch eine Offenlegung ihrer Jahresabschlüsse dem Gläubigerschutz nachkommen. So haben die vertretungsberechtigten Organe in deutscher Sprache gem. § 325 HGB den festgestellten oder gebilligten Jahresabschluss, den Lagebericht, die Erklärungen nach § 264 Abs. 2 S. 3 und § 289 Abs. 1 S. 5 und den Bestätigungsvermerk oder den Vermerk über dessen Versagung sowie den Bericht des Aufsichtsrats und die nach § 161 AktG vorgeschriebene Erklärung beim Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Dies hat spätestens ein Jahr nach dem Abschlussstichtag vom Geschäftsjahr stattzufinden. Das bedeutet z.B. bei einer großen GmbH mit kalenderjahrgleichem Geschäftsjahr, dass die Unterlagen zum 31.12.2020 bis zum 31.12.2021 offengelegt werden müssen. Weiterlesen

Fristverlängerung bis 31.03.2021 – Wollt Ihr uns auf den Arm nehmen?

Steuerberater erhalten zur Abgabe der Steuererklärungen 2019 eine Fristverlängerung um einen Monat, also bis zum 31.03.2021, so das BMF in seiner Mitteilung vom 04.12.2020. Traurig und ein echter Schlag ins Gesicht für unseren Berufsstand.

In Krisensituationen gehören Steuerberater regelmäßig zum ersten Ansprechpartner für Unternehmen und Steuerpflichtige. Schon ohne die Corona-Pandemie sind solche Fälle sehr Arbeits- und Beratungsintensiv. Zum Glück kommt dies in der Regel nicht so häufig vor, dennoch ist so ein Einzelfall „on top“ zum normalen Tagesgeschäft bereits eine besondere Herausforderung. Aktuell reden wir aber nicht mehr von Einzelfällen. Im Gegenteil, in diesen Zeiten sind normal laufende Unternehmen die Ausnahme. Weiterlesen

Bestätigungsvermerk infiziert – teilweise mit existenzbedrohenden Hinweisen

Dem Datum des Bestätigungsvermerks kommt in diesem Jahr eine wichtige Bedeutung zu: Der Ausbruch der Corona-Pandemie ist genau in die Zeit der Erstellung und Prüfung der Jahresabschlüsse gefallen. Zumindest für große Kapitalgesellschaften, die diesen „schnell“ erstellen müssen.

Fortführung des Unternehmens?

Grundsätzlich wird bei der Aufstellung des Jahresabschlusses von der Fortführung des Unternehmens ausgegangen. Wie die letzten Wochen gezeigt haben, kann sich diese Annahme innerhalb kürzester Zeit ändern. Dies wird sich auch im Bestätigungsvermerk bei Vapiano zeigen: Die Restaurantkette hat vor wenigen Wochen Insolvenz angemeldet. Bereits vor der Corona-Krise war das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten. In einem solchen Fall muss ein entsprechender Hinweis in den Bestätigungsvermerk aufgenommen werden, auch wenn dieses Ereignis erst nach dem Bilanzstichtag eingetreten ist. Bei Vapiano ist der Grundsatz der Unternehmensfortführung durch die Anmeldung der Insolvenz nicht mehr gegeben.

Falls der Fortbestand des Unternehmens „nur“ gefährdet ist, muss dazu ein entsprechender Hinweis im Bestätigungsvermerk erfolgen. Sofern der Shutdown der Wirtschaft noch einige Wochen andauern wird, trifft dies möglicherweise auf mehr Unternehmen zu als derzeit befürchtet wird (Stand: 20. April 2020). Dann werden sicherlich noch mehr Unternehmen einem bestehenden Fortführungsrisiko unterliegen.

Wesentliche Unsicherheit bezüglich der Unternehmensfortführung

Bei Bestehen einer wesentlichen Unsicherheit in Bezug auf die Fortführung der Unternehmenstätigkeit muss ein separater Abschnitt im Bestätigungsvermerk eingefügt werden. Diese trägt die Überschrift „Wesentliche Unsicherheit im Zusammenhang mit der Fortführung der Unternehmenstätigkeit“. Inhalt dieses Abschnitts (§ 322 Abs. 2 S. 3f. HGB) verlangt den Hinweis auf die Bestandsgefährdung mit einem entsprechenden Verweis auf die Angaben im Abschluss.

Beispiel: Der Geschäftsbericht des Modeunternehmens Gerry Weber: „…in denen die gesetzlichen Vertreter beschreiben, dass die Fortführung der Unternehmenstätigkeit des Konzerns vor dem Hintergrund der nichtabsehbaren Auswirkungen der Corona-Krise gefährdet ist, wenn die Kostensenkungsmaßnahmen nicht wie geplant umgesetzt werden können und die begonnenen Verhandlungen hinsichtlich der Finanzierungsmaßnahmen nicht zu einem positiven Abschluss gelangen…“ (Geschäftsbericht Gerry Weber 2019, S. 149). Neben Gerry Weber sind bereits mehrere Modeunternehmen in finanziellen Schwierigkeiten. Doch wird der Schrecken größer werden, wenn solche Hinweise auch in Bestätigungsvermerken von ansonsten eher „wirtschaftskrisen-sicheren“ Unternehmen werden. Dann beginnt spätestens die Suche nach dem Knopf, um den Science-Fiction-Film auszuschalten.

Gibt es denn für den Wirtschaftsprüfer auch Pflichten nach der Erteilung des Bestätigungsvermerkes? Dies erfahren Sie in meinem Beitrag in der Zeitschrift „Steuer und Bilanzen“ des NWB-Verlags, der Anfang Mai erscheint.

Lesen Sie dazu auch: