Umwidmung des Solis in eine Ukraine-, Klima- oder Corona-Abgabe?

Umwidmung des Solis in eine Ukraine-, Klima- oder Corona-Abgabe?

Erneut steht für den BFH die Frage auf der Agenda, ob die – weitere – Erhebung des Solidaritätszuschlags mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Könnte die Abgabe zukünftig etwa für andere Zwecke wie die Bekämpfung der Corona-Pandemie, den Klimawandel oder den Ukraine-Krieg erhoben werden?

Hintergrund

Am 17.1.2023 hatte der BFH sich erneut mit der möglichen Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlages auseinanderzusetzen. Zur Debatte steht, ob die Erhebung für den Zeitraum ab 2020 mit der deutschen Verfassung vereinbar ist. Mein Mitblogger Prof. Jahn hatte berichtet.

Bereits kurze Zeit nach der mündlichen Verhandlung machte der BFH auf seiner Internetseite zusammengefasst publik, worum es in der Sache IX R 15/20 geht und welche Fragestellungen sich dem BFH in dieser Sache stellen.

Grundfrage: Verfassungswidrigkeit des Solis?

Der Solidaritätszuschlag wurde 1995 eingeführt, um die Vollendung der Deutschen Einheit zu finanzieren, da sie einen immensen Finanzbedarf des Bundes auslöste. Dem Gesetzgeber steht grundsätzlich ein Entscheidungsspielraum zu, über die Regelung und den Fortbestand einer Ergänzungsabgabe zu entscheiden. Jedoch stellt sich die Frage, ob die Wiedervereinigung noch 30 Jahre nach der Wende einen besonderen Finanzbedarf begründet, die eine Fortführung des Solidaritätszuschlags weiterhin rechtfertigt. Soweit mit dem Auslaufen des Solidarpakts II der besondere Finanzbedarf des Bundes hinfällig geworden wäre, würde ggf. die Rechtfertigung für die weitere Erhebung des Solidaritätszuschlags entfallen. Damit wäre der Solidaritätszuschlag durch Zeitablauf verfassungswidrig geworden. Es stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber verpflichtet ist, ggf. mit einem Wegfallen des zur Begründung angeführten aufgabenbezogenen Finanzbedarfs auch die dazugehörige Ergänzungsabgabe zu streichen.

Umwidmung in eine Ukraine-, Klima- oder Corona-Abgabe?

Von besonderem Interesse sind die weiteren Ausführungen des BFH auf seiner Internetseite. Denn: Sollte die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Erhebung der Ergänzungsabgabe weggefallen sein, stellt sich gem. BFH-Ausführung „die weitere Frage, ob andere Gründe die Erhebung ab dem Jahr 2021 rechtfertigen. Dabei kann es gem. BFH entscheidungserheblich werden, „ob ggf. ein erhöhter Finanzbedarf in der Folge der Corona-Pandemie, des Ukrainekriegs oder der erforderliche Finanzbedarf zur Bekämpfung des Klimawandels das Fortbestehen des Solidaritätszuschlags begründen können. Hierbei sei auch zu hinterfragen, „ob eine derartige „Umwidmung“ des Solidaritätszuschlags einer ausdrücklichen Entscheidung des Bundestags (Parlamentsvorbehalt) bedarf“.

Urteilsverkündung am 30.01.2023!

Bereits zum Ende des Januars, nämlich am 30.01.2023, wird der BFH in der Sache seine Entscheidung verkünden. Ob er in seiner Entscheidung weitere Ausführungen zu einer etwaigen Umwidmung des Solidaritätszuschlags aufführen wird, darf abgewartet werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit dürften darüber hinaus weitere Aussagen zum Verhältnis des Solidaritätszuschlags zum allgemeinen Gleichheitssatz und den Grundsatz der Steuergerechtigkeit in der Entscheidung getroffen werden. Denn vor diesem Hintergrund, stellt sich mit Sicherheit die Frage, ob es gerechtfertigt ist, den Solidaritätszuschlag nur noch für die obersten 10 Prozent der Einkommensbezieher zu erheben. Ab dem Jahr 2021 werden gut 90 Prozent der Abgabepflichtigen vom Solidaritätszuschlag entlastet. Das hierzu rechtfertigende Gründe vorliegen, die dem BFH genügen, dürfte zumindest fraglich sein.

Es bleibt damit spannend. Weitere Anmerkungen werden Sie spätestens zum Beginn des Februars an gewohnter Stelle von uns erhalten.

Update: Ist die Soli-Erhebung ab 2020 verfassungswidrig?

Am 17.1.2023 hat der BFH (IX R 15/20) abermals zur Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlages (Soli) verhandelt, diesmal für den Zeitraum ab 2020; seine Entscheidung will der BFH Ende Januar 2023 verkünden. Welche praktischen Folgen hat das BFH-Verfahren?

Worum geht es im Streitfall?

Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Das beklagte Finanzamt setzte die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag ab 2020 in Höhe von zuletzt 340 € fest. Die Kläger beantragten (erfolglos) die Herabsetzung der Vorauszahlungen auf 0 €: Zur Begründung beriefen sie sich auf das Auslaufen der Aufbauhilfen für die neuen Bundesländer im Jahr 2019. Da der Soli als Ergänzungsabgabe nur zur Abdeckung von Bedarfsspitzen erhoben werden dürfe, verbiete dieser Ausnahmecharakter eine dauerhafte Erhebung.

Den gegen die Ablehnung gerichteten Einspruch wies das Finanzamt unter Hinweis auf seine Bindung an die Steuergesetze zurück. Das Finanzgericht hat im Klageverfahren den Vorauszahlungsbescheid dahingehend geändert, dass die Vorauszahlungen auf den Solidaritätszuschlag ab 01.01.2021 – in Übereinstimmung mit den ab diesem Zeitpunkt geltenden gesetzlichen Bestimmungen – herabgesetzt werden. Im Übrigen wurde die Klage unter Hinweis auf seine fehlende Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlagsgesetzes 1995 für Veranlagungszeiträume ab 2020 abgewiesen.

Rechtlicher Hintergrund des Soli

Der Solidaritätszuschlag ist eine Ergänzungsabgabe i.S. des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 des Grundgesetzes (GG). Der ursprüngliche Soli von 1991 zur Finanzierung des Golf-Krieges war bis Mitte 1992 befristet. Er wurde dann Mitte der 90er Jahre zur Finanzierung der Zusatzlasten aus der deutschen Wiedervereinigung eingeführt, unbefristet durch das Solidaritätszuschlagsgesetz – SolzG 1995, BGBl 1995 I S. 1959). Der Soli beträgt ab 1998 5,5 % der festgesetzten Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Seit der gesetzlichen Rückführung des Soli müssen seit dem Veranlagungszeitraum 2021 nur noch rund 10 % der Steuerpflichtigen den Solidaritätszuschlag zahlen, Besserverdiener oberhalb bestimmter Einkommensgrenzen unverändert in voller Höhe – ich habe im Blog berichtet. In der Begründung des Gesetzes heißt es, es bestehe weiterhin eine besondere wiedervereinigungsbedingte Finanzlast des Bundes, etwa in der Rentenversicherung, im Arbeitsmarkt, im Bereich der Anspruchs- und Anwartschaftsüberführung und im Hinblick auf besondere Leistungen für die ostdeutschen Bundesländer.

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