Photovoltaikanlagen: Ermittlung eines Totalüberschusses – in Altfällen immer noch wichtig

Wenn es in einem Beitrag um die Ermittlung eines Totalüberschusses aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage geht, klingt das irgendwie nach einer „alten Kamelle“. Doch es dürfte noch viele Streitfälle aus den Jahren vor 2022 geben, in denen das Finanzamt eine Totalüberschuss- bzw. -gewinnprognose anfordert oder selbst erstellt und mithin die Gewinnerzielungsabsicht infrage stellt.

Für diese Fälle ist ein Urteil des FG Baden-Württemberg vom 13.11.2023 (10 K 646/22) durchaus bedeutsam. Die wesentlichen Aussagen lauten: Beim Betrieb von Photovoltaikanlagen ist für die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht ein Prognosezeitraum von 20 Jahren anzusetzen. Ein Restwert ist nach Ablauf der 20 Jahre nicht anzunehmen.

Der Sachverhalt:

In seiner Einkommensteuererklärung 2018 machte der Kläger einen Verlust aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage durch Bildung eines Investitionsabzugsbetrags geltend. Er erzielte auch 2019 einen Verlust aus dem Betrieb der Anlage. Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer des Streitjahres 2020 erstellte das Finanzamt eine Gewinnprognose. Es ermittelte über eine Gesamtnutzungsdauer von 20 Jahren einen Totalverlust. Daher änderte das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2018 und 2019 und berücksichtigte die bislang angesetzten Verluste aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage nicht mehr. Auch das FG entschied, dass die geltend gemachten Verluste nicht abgezogen werden dürfen.

Die Begründung in aller Kürze:

Ich erlaube mir, hier aus einem Newsletter des FG zu zitieren: „Für die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht bzw. für die Ermittlung eines eventuellen Totalüberschusses ist ein Prognosezeitraum von 20 Jahre zugrunde zu legen. Eine längere Nutzbarkeit – wie vom Kläger behauptet 30 bis 40 Jahre – ist rein spekulativ und stützt sich nicht auf derzeit gesicherte Erkenntnisse. Bei seiner Schätzung der Betriebseinnahmen ging das Finanzamt bei einer Anlage mit 9.900 kWh/kWp von einer jährlichen Stromerzeugung von 9.900 kWh aus. Für den Prognosezeitraum von 20 Jahren ergibt sich hieraus eine Stromerzeugung von insgesamt 198.000 kWh. Dies ist nicht zu beanstanden. Des Weiteren hat das Finanzamt auf Basis der Werte des Jahres 2020 zutreffend einen Anteil von rund 29,04 % (57.500 kWh) für die Einspeisung mit 0,1079 Euro/kWh und einen Anteil von rund 70,96 % für den Eigenverbrauch (140.500 kWh) zugrunde gelegt. Hinsichtlich des selbst verbrauchten Stroms (140.500 kWh) kommt es zu einer als Betriebseinnahme zu erfassenden Entnahme, die mit dem Teilwert anzusetzen ist. Der Teilwert des selbst verbrauchten Stroms entspricht den für seine Erzeugung aufgewandten Kosten.

Ein Restwert der Anlage nach Ablauf der 20-jährigen Nutzungsdauer ist für die Prognose nicht als Einnahme zu berücksichtigen. Zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung des Klägers (spätestens) im Jahr 2018 war kaum vorhersehbar, welche Faktoren in welchem Umfang zu einem nennenswerten Restwert der Anlage beitragen könnten bzw. werden. Die diesbezügliche Unsicherheit besteht fort, so dass eine Ermittlung bzw. Schätzung des Restwerts auf ausreichend gesicherter Grundlage nicht möglich erscheint. Jedenfalls ergibt sich vor diesem Hintergrund kein Restwert, der im Streitfall zu einer positiven Ergebnisprognose führen könnte.

Bei dem Betrieb einer Photovoltaikanlage spricht der Beweis des ersten Anscheins zwar zunächst dafür, dass sie in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird. Nach der Lebenserfahrung ist ein solcher Betrieb typischerweise nicht dazu bestimmt und geeignet, der Befriedigung persönlicher Neigungen des Steuerpflichtigen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen wie eine Tätigkeit im Hobbybereich. Dieser Anscheinsbeweis wird aber bereits dadurch erschüttert, dass nach der Totalgewinnprognose innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren kein Gewinn erzielt werden kann. Dies indiziert das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht“. (Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 1/2024).

Denkanstoß:

Die Urteilsbegründung wurde hier stark verkürzt wiedergegeben. Betroffene sollten sich mit dem Urteil und insbesondere mit den Berechnungsparametern, die die Richter aufgestellt haben, aber intensiv beschäftigen, um dem Finanzamt ihrerseits vorrechnen zu können, dass doch ein Totalüberschuss erzielt werden kann. Sie sollten dabei aber tatsächlich von dem Prognosezeitraum von lediglich 20 Jahren ausgehen.

Man mag den kurzen Prognosezeitraum und die Nichteinbeziehung eines Restwerts kritisieren, doch am Ende hilft es wohl nicht viel. Die Revision wurde nicht zugelassen und es steht zu befürchten, dass sich die Finanzämter – auch außerhalb Baden-Württembergs – auf das Urteil stützen werden.

Es könnte übrigens dann besondere Bedeutung gewinnen, wenn der BFH – überraschend – entscheiden sollte, dass ein vor 2022 gebildeter Investitionsabzugsbetrag für die Anschaffung einer Anlage seit 2022 erhalten bleiben muss, auch wenn die Einnahmen seit 2022 nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei sind. Dann würden die Finanzämter verstärkt in die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht einsteigen.

Neues BMF-Schreiben zu PV-Anlagen: Echte Vereinfachung oder Irreführung der Steuerpflichtigen?

Das BMF hat Anfang Juni eine Vereinfachung für Betreiber kleiner PV-Anlagen bis 10 kW sowie für Betreiber kleinerer Blockheizkraftwerke erlassen: Für solche Anlagen ist auf schriftlichen Antrag aus Vereinfachungsgründen ohne weitere Prüfung in allen offenen Veranlagungszeiträumen zu unterstellen, dass diese nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden.

Bei ihnen liegt grundsätzlich eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei vor. Der Antrag wirkt auch für die Folgejahre. Damit müssen die Antragsteller keine Gewinnermittlung, keine Anlage EÜR und keine Anlage G erstellen. Das wird durchaus viele Betreiber erfreuen, den einen oder anderen Steuerberater vielleicht weniger. Die genauen Voraussetzungen für die Nutzung der Vereinfachungsregelung können Betroffene dem BMF-Schreiben vom 2.6.2021 (IV C 6 – S 2240/19/10006 :006) entnehmen.

Mich irritiert an dem BMF-Schreiben aber folgender Punkt: Weiterlesen

Auslaufen der Einspeisevergütung: Neuorientierung für „alte“ Photovoltaikanlagen

Zäsur für „Altanlagen“

Photovoltaikanlagen, die im Kalenderjahr 2001 in Betrieb genommen wurde, erreichen im nächsten Jahr das Ende der für einen Zeitraum von 20 Jahren garantierten Einspeisevergütung. Auch bereits vor 2001 wurden Photovoltaikanlagen in Betrieb gesetzt, aber eine größere Anzahl der Inbetriebnahmen – und damit eine höhere Relevanz des Auslaufens in 2021 – war erst im Jahr 2001 zu verzeichnen.

Wie geht es anschließend für diese „Altanlagen“ weiter? Eine Frage, die sich die Anlagenbetreiber auch steuerlich stellen müssen. Weiterlesen

Recherchekosten für Biografie – Liebhaberei oder Gewinnerzielungsabsicht?

Nebentätigkeiten, mit denen auf Dauer Verluste eingefahren werden, wertet das Finanzamt gerne als Liebhaberei. Erforderlich ist also eine Gewinnerzielungsabsicht, d.h. über mehrere Jahre hinweg muss als Ergebnis eine „schwarze“ Zahl stehen. Besonders schwierig ist die Prüfung oder – je nach Sichtweise – die Glaubhaftmachung einer Gewinnerzielungsabsicht bei Künstlern. Viele erwirtschaften niemals Gewinne, andere erst nach Jahren. Oder erst die Erben können sich über Gewinne freuen.

Urteil des FG Rheinland-Pfalz

Kürzlich hat das FG Rheinland-Pfalz entschieden, dass ein Steuerpflichtiger, der an einer Biografie über das Leben und Wirken seines Vaters arbeitet, aber sonst nicht weiter schriftstellerisch tätig ist bzw. werden möchte, keine Gewinnerzielungsabsicht hat und die Kosten seiner Recherchen daher nicht steuerlich absetzen kann (Urteil vom 18.9.2019, 3 K 2083/18).

Der Sachverhalt

Der Vater des Klägers war vor und nach dem Zweiten Weltkrieg u.a. als Schauspieler, Regisseur und Filmeditor tätig. Der Kläger arbeitete an seiner Biografie und machte den ihm ab dem Jahr 2011 für Recherchearbeiten entstandenen Aufwand (bis 2016 waren dies rund 20.500 EUR) als Verluste steuerlich geltend. Das Finanzamt erkannt die Verluste nicht an.

Begründung

Bei Schriftstellern – so das Gericht – sei zwar zu berücksichtigen, dass sich ähnlich wie bei Künstlern positive Einkünfte vielfach erst nach einer längeren Anlaufzeit erzielen ließen. Anlaufverluste seien jedoch dann steuerrechtlich nicht anzuerkennen, wenn eindeutig feststehe, dass der Steuerpflichtige von vornherein nicht willens oder in der Lage sei, nachhaltige Gewinne zu erzielen. Dies sei hier der Fall. Es bestünden zwar keine Zweifel daran, dass der Kläger seit 1993 das Leben und berufliche Wirken seines Vaters erforsche. Die Recherchen würden allerdings offensichtlich nicht in ein wirtschaftlich verwertbares Buch münden. Nach Würdigung aller Umstände komme das Gericht daher zu dem Ergebnis, dass der Kläger vor allem aus persönlichen Gründen und Neigungen bzw. aus eigenem Interesse am Leben seines Vaters recherchiert habe.

Weitere Informationen:

Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil v. 18.09.2019 – 3 K 2083/18

Bei Gericht: Interessante Steuerstreitigkeiten im März 2019

Wie gewohnt drei ausgewählte Verfahren, die ganz aktuell anhängig geworden sind. Diesmal geht es um eine Verfassungsbeschwerde gegen die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen, der Abgrenzung eines gewerblichen Betriebs oder einem hobbymäßigem Verkauf von Gegenständen auf eBay und der Frage, ob wirklich für jedes Dienstfahrzeug, welches privat genutzt werden kann, ein geldwerter Vorteil versteuert werden muss. Weiterlesen

Verlustanerkennung trotz negativer Ertragsprognose

Kann die Gewinnerzielungsabsicht nicht mittels einer Ertragsprognose mit positivem Ergebnis untermauert werden, ist es dennoch falsch die Verlusttätigkeit direkt bei der Liebhaberei einzusortieren, wie aktuell ein rechtskräftiges Urteil des FG Baden-Württemberg zeigt.  Weiterlesen

Aktuelles zu Photovoltaikanlagen I – Berücksichtigung von Verlusten bei negativer Gewinnprognose

„In der Kürze liegt die Würze.“ – Manchmal aber auch das Missverständnis.

Das FG Baden-Württemberg führt in einer Pressemitteilung zum Urteil vom 9. Februar 2017 (Az. 1 K 841/15) aus, dass Verluste aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage auch bei negativer Gewinnprognose steuerlich anzuerkennen sein können.

Diese Aussage erscheint weitreichend – und stellt verlockend so manche Streitbeilegung im Rechtsbehelfsverfahren mit der Finanzverwaltung in Aussicht.

Es lohnt sich jedoch, das Urteil im Detail nachzuvollziehen.

Vorwarnung: Für den steuerlichen Berater ist (nur) Enttäuschung vorprogrammiert.

Denn die Pressemitteilung kann nicht wirklich halten, was sie zunächst verspricht…

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