Mehrfache zeitlich begrenzte Versetzung von Beamten: FG Münster verneint erste Tätigkeitsstätte

Wenn es um die steuerliche Beurteilung von beruflichen Fahrten geht, ist es üblicherweise von Vorteil, wenn diese nicht als Fahrten zu einer ersten Tätigkeitsstätte gewertet werden, da die Fahrtkosten dann nach Reisekostengrundsätzen geltend gemacht werden können.

Das FG Münster hat nun entschieden, dass bei einem Beamten, der im Wege einer mehrfach verlängerten Versetzung über mehrere Jahre an einer Ausbildungsstätte eingesetzt wird, die Ausbildungsstätte keine erste Tätigkeitsstätte darstellt (FG Münster, Urteil vom 2.9. 2024, 15 K 698/22 E).

Der Sachverhalt:

Der Einfachheit halber erlaube ich mir, aus dem Newsletter Oktober 2024 des FG Münster zu zitieren: Eheleute sind beide als Beamte des Landes Nordrhein-Westfalen tätig. Beide wurden im Jahr 2012 bzw. 2013 von ihrem jeweiligen Dienstort als Lehrpersonen an eine Ausbildungsstätte versetzt. Die jeweilige Stelle war für die Dauer von vier Jahren zu besetzen mit der Möglichkeit zu einer einmaligen Verlängerung um maximal zwei Jahre. Vor Ablauf der vier Jahre verlängerte der Dienstherr den Verwendungszeitraum um weitere zwei Jahre und sodann vor Ablauf dieser zwei Jahre mehrmals um weitere zwei Jahre. Im Anschluss sollte eine Versetzung aus dienstlichen Gründen an eine zu nennende „Wunschbehörde“ erfolgen.

In ihrer Einkommensteuererklärung 2020 machten die Eheleute die Fahrten zur Ausbildungsstätte als Reisekosten geltend. Das Finanzamt berücksichtigte demgegenüber nur die Entfernungspauschale, da die Eheleute jeweils einer ersten Tätigkeitsstätte – der Ausbildungsstätte – zugeordnet seien. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Die angefallenen Fahrten seien nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen, da es sich nicht um Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte gehandelt habe.

Die Begründung in aller Kürze:

Die erste Tätigkeitsstätte werde vorrangig durch den Arbeitgeber bestimmt, hilfsweise mittels quantitativer Kriterien. Entscheidend sei, ob der Arbeitnehmer aus der ex-ante-Sicht nach den arbeits- oder dienstrechtlichen Festlegungen an einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten tätig werden solle. Im Streitfall seien die Kläger der Ausbildungsstätte nicht dauerhaft zugeordnet gewesen. Eine entsprechende dauerhafte dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung habe nicht vorgelegen. Die Kläger seien zwar im Wege der Versetzung der Ausbildungsstätte zugeordnet worden. Und nach der beamtenrechtlichen Konzeption soll der Einzelne grundsätzlich entweder im Rahmen einer kurzfristigen, vorübergehenden Abordnung eingesetzt werden oder durch eine dauerhafte Versetzung Rechtssicherheit für den Beamten geschaffen werden.

Diese Trennung zwischen den beamtenrechtlichen Rechtsinstituten werde in der Praxis jedoch nicht immer eingehalten, sodass es – wie im Streitfall – de facto auch zu zeitlich befristeten Versetzungen komme. Sofern der Bedienstete von vornherein nur zeitlich begrenzt versetzt werde, schlage die beamtenrechtliche Konzeption nicht auf die steuerrechtliche Beurteilung durch.

Im Urteilsfall sollten die Kläger nach den Vorstellungen des Dienstherrn zunächst jeweils nur vorübergehend – für den Zeitraum von vier Jahren – und damit nur für einen Zeitraum von 48 Monaten und nicht von mehr als 48 Monaten – ihren Dienst an der Ausbildungsstätte verrichten. Dies folgt aus den Stellenausschreibungen und einem Erlass des Dienstherrn, dem zu entnehmen ist, dass die Dozenten in der praktischen Aus- und Fortbildung stets rotieren sollen, um die Praxisnähe nicht zu verlieren. Die nachfolgenden mehrfachen Verlängerungen der „Verwendungszeiträume“ beider Kläger durch den Dienstherrn um jeweils zwei Jahre ändern nichts daran, dass es keine dauerhaften Festlegungen bezüglich der Tätigkeitsstätte durch den Dienstherrn gab.

Denkanstoß:

Es gibt mittlerweile eine Reihe von Urteilen, in denen es bei Beamten und Soldaten um die Einordnung von Fahrtkosten geht. Dabei müssen die Gerichte oftmals zwischen den dienstrechtlichen und den tatsächlichen Begebenheiten abwägen.

So hat das Niedersächsische FG wie folgt entschieden: Bei der Versetzung eines Finanzbeamten an ein Finanzamt für Großbetriebsprüfung und gleichzeitiger Rückabordnung an ein anderes Finanzamt im Rahmen der Ausbildung zum Großbetriebsprüfer stellen die Fahrten zum Abordnungs-Finanzamt Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte dar, wenn beim Finanzamt für Großbetriebsprüfung während dieser Zeit keine wesentlichen Arbeitsleistungen erbracht wurden (Niedersächsisches FG, Urteil vom 14.6.2022, 13 K 82/21). Die hiergegen gerichtete Revision wurde zurückgewiesen, allerdings nicht aus materiell-rechtlichen, sondern aus rein verfahrensrechtlichen Erwägungen (BFH-Beschluss vom 19.4.2023, VI R 15/22).

Und das FG Nürnberg hat entschieden, dass eine Soldatin Fahrtkosten vom Wohnort zur Ausbildungsstätte nur in Höhe der Entfernungspauschale abziehen und auch keine Verpflegungsmehraufwendungen ansetzen darf, wenn sie vom militärischen Dienst freigestellt ist, um eine Ausbildung im öffentlichen Dienst zu absolvieren. Die erste Tätigkeitsstätte liegt nicht mehr in der Stammkaserne (FG Nürnberg, Urteil vom 8.3.2023, 5 K 211/22).

Die Materie ist also nicht ganz einfach. Im oben dargestellten Fall des FG Münster wurde übrigens ebenfalls die Revision zugelassen, doch – soweit ersichtlich – nicht eingelegt. Das ist für die Kläger selbstverständlich erfreulich, für die Fachwelt aber schade.

Fahrten von Leiharbeitern zur Tätigkeitsstätte – neues Verfahren beim BFH

Viele Zeit- bzw. Leiharbeitnehmer sind der Auffassung, dass sie ihre Fahrtkosten zum jeweiligen Tätigkeitsort nach Dienstreisegrundsätzen geltend machen und gegebenenfalls sogar Mehraufwendungen für Verpflegung abziehen können. Naturgemäß hat die Finanzverwaltung dazu eine ganz eigene Meinung und lässt zumeist lediglich die Entfernungspauschale und schon gar keine Verpflegungsmehraufwendungen zum Abzug zu. Allerdings ist die Rechtslage auch schwierig.

Es gilt: Der Betrieb des Entleihers ist die erste Tätigkeitsstätte, wenn Leiharbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber einer betrieblichen Einrichtung des Kunden dauerhaft zugeordnet sind. Von einer dauerhaften Zuordnung zum Entleiher ist dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder von vornherein über einen Zeitraum von 48 Monaten an einer Tätigkeitsstätte tätig werden soll (§ 9 Abs. 4 Satz 3 EStG). Bei Leiharbeitnehmern, die in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum Verleiher stehen, hat der BFH entschieden, dass bei nur befristeten Einsätzen im Rahmen eines Leiharbeitsverhältnisses keine dauerhafte Zuordnung zur Entleihfirma und damit dort keine erste Tätigkeitsstätte besteht (BFH-Urteil vom 12.5.2022, VI R 32/20). Weiterlesen

Rettungssanitäter und die erste Tätigkeitsstätte – blickt da noch jemand durch?

Hat ein Arbeitnehmer eine erste Tätigkeitsstätte, darf er Verpflegungspauschalen nur dann steuerlich abziehen, wenn er länger als acht Stunden von seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte beruflich abwesend ist. Ohne erste Tätigkeitsstätte reicht eine mehr als achtstündige Abwesenheit von der Wohnung allein aus. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass viele Steuerpflichtige um die Frage des Vorliegens einer ersten Tätigkeitsstätte streiten.

Der BFH hat mittlerweile mit einer ganzen Serie von Urteilen, etwa zu Lokführern einer Werksbahn, zu Postzustellern, zu Müllwerkern oder zu Mitarbeitern des allgemeinen Ordnungsdienstes, bezüglich des Vorliegens einer ersten Tätigkeitsstätte geurteilt (vgl. z.B. BFH 12.7.2021, VI R 9/19). Und er hat auch zu Rettungsassistenten und zu Rettungssanitätern Stellung genommen. Ich nehme es vorweg:  Immer wenn ich denke, ich hätte die Rechtsprechung des BFH einigermaßen verstanden und könnte eine klare Linie erkennen, belehrt mich der BFH eines Besseren – so auch bei den Rettungsassistenten und -sanitätern. Weiterlesen

Zeitsoldaten: Erste Tätigkeitsstätte bei Ausbildungsverhältnis zu einer Gemeinde

Zeitsoldaten werden oftmals bereits während der Dienstzeit auf das spätere zivile Erwerbleben vorbereitet, beispielsweise indem sie eine Ausbildung im öffentlichen Dienst absolvieren, die entsprechend gefördert wird (§ 5 Soldatenversorgungsgesetz). Werden sie in dieser Zeit vom militärischen Dienst freigestellt, ist in steuerlicher Hinsicht die Frage zu beantworten, wo die erste Tätigkeitsstätte liegt.

Das FG Nürnberg hat diesbezüglich entschieden, dass eine Soldatin Fahrtkosten vom Wohnort zur Ausbildungsstätte nur in Höhe der Entfernungspauschale abziehen und auch keine Verpflegungsmehraufwendungen ansetzen darf, wenn sie vom militärischen Dienst freigestellt ist, um eine Ausbildung im öffentlichen Dienst zu absolvieren. Die erste Tätigkeitsstätte liegt nicht mehr in der Stammkaserne (FG Nürnberg, Urteil vom 8.3.2023, 5 K 211/22). Weiterlesen

Sammelpunkt ist nicht gleich Sammelpunkt

Fahren Arbeitnehmer täglich zu einem Sammelpunkt, um von dort mit einem Fahrzeug des Arbeitgebers zur Baustelle oder zu den Kunden zu fahren, so sind die Fahrten zum Sammelplatz nur mit der Entfernungspauschale abzugsfähig. Etwas förmlicher und genauer ausgedrückt: Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte und hat er nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen (sog. Sammelpunkt), gilt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort entsprechend (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG).

Wie wir bereits im Jahre 2021 durch ein BFH-Urteil erfahren haben, kommt den Wörtern „typischerweise arbeitstäglich“ durchaus eine große Bedeutung zu (BFH-Urteil vom 19.4.2021, VI R 6/21). Weiterlesen

Erste Tätigkeitsstätte oder wenn der Springer nicht springt

Im Jahre 2019 hatte das FG Rheinland-Pfalz entschieden, dass ein Feuerwehrmann, der nach seinem Arbeitsvertrag verpflichtet ist, seinen Dienst an verschiedenen Einsatzstellen zu leisten, keine „erste Tätigkeitsstätte“ hat. Nach diesem Urteil hätte er für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht nur die Entfernungspauschale, sondern die tatsächlichen Fahrtkosten bzw. die Dienstreisepauschale als Werbungskosten geltend machen können (Urteil vom 28.11.2019, 6 K 1475/18).

Doch soeben hat der BFH das Urteil wieder kassiert. Dies ist sowohl materiell-rechtlich als auch verfahrensrechtlich interessant, so dass die Entscheidung nachfolgend vorgestellt werden soll. Weiterlesen

Es bleibt dabei: Müllwerker haben keine erste Tätigkeitsstätte

Hat ein Arbeitnehmer eine erste Tätigkeitsstätte, darf er Verpflegungspauschalen nur dann steuerlich abziehen, wenn er länger als acht Stunden von seiner Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte beruflich abwesend ist. Ohne erste Tätigkeitsstätte reicht eine mehr als achtstündige Abwesenheit von der Wohnung allein aus. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass viele Steuerpflichtige um die Frage des Vorliegens einer ersten Tätigkeitsstätte streiten.

Im Jahre 2021 gab es zunächst eine ganze Serie von BFH-Urteilen, etwa zur Lokführern einer Werksbahn, zu Rettungsassistenten, zu Postzustellern oder zu Mitarbeitern des allgemeinen Ordnungsdienstes, die für die betroffenen Steuerpflichtigen jeweils negativ waren (vgl. z.B. BFH 12.7.2021, VI R 9/19).

Doch dann gab es einen kleinen Lichtstreif am Horizont:  Weiterlesen

Fahrten von Leiharbeitern zur Tätigkeitsstätte – BFH urteilt zugunsten der Arbeitnehmer

Als das steuerliche Reisekostenrecht im Jahre 2014 geändert und aus der regelmäßigen Arbeitsstätte die erste Tätigkeitsstätte wurde, sollte alles besser und einfacher werden. Rund neun Jahre später weiß man, dass nichts besser und schon gar nicht einfacher wurde. Angesichts der unzähligen streitigen Verfahren darf man wohl zurecht die Frage stellen, was die damalige Reform überhaupt für einen Nutzen hatte.

Besonders umstritten waren – und sind – mitunter Fälle rund um Zeit- bzw. Leiharbeitnehmer. Mit zwei Urteilen aus dem Jahre 2019 (VI R 36/16 und VI R 6/17) hatte der BFH zwar versucht, für Klarheit zu sorgen, doch offenbar ist ihm dies nicht zur Gänze gelungen. Jedenfalls ließ ein Urteil des Niedersächsischen FG vom 28.5.2020 (1 K 382/16) aufhorchen. Weiterlesen

Taxi als öffentliches Verkehrsmittel? BFH sagt nach langem Zögern „Nein“

Für Fahrten zur ersten Tätigkeitsstätte ist grundsätzlich nur die Entfernungspauschale steuerlich abziehbar. Bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel darf ebenfalls die Entfernungspauschale geltend gemacht werden. Falls die tatsächlichen Kosten für öffentliche Verkehrsmittel auf das Kalenderjahr bezogen nachweislich höher sind als die Entfernungspauschale, dürfen aber die tatsächlichen Kosten geltend gemacht werden. Fraglich war lange Zeit, ob auch ein Taxi als öffentliches Verkehrsmittel gilt.

Das FG Düsseldorf hatte dies mit Urteil vom 8.4.2014 (13 K 339/12 E) bejaht. Taxikosten konnten danach – wie öffentliche Verkehrsmittel – über die Entfernungspauschale hinaus mit den tatsächlichen Aufwendungen abgezogen werden. Im Jahre 2018 hatte dann auch das Thüringer FG entschieden, dass ein Taxi als öffentliches Verkehrsmittel gilt und demnach die vollen Kosten zum Abzug zugelassen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ist vom Thüringer FG die Revision zugelassen worden; diese ist aber offenbar seitens der Finanzverwaltung nicht eingelegt worden (Urteil vom 25.9.2018, 3 K 233/18). Die Sache schien damit erledigt zu sein. Weiterlesen

BFH bestätigt: Kürzung der Verpflegungspauschalen bei Mahlzeitengestellung auch ohne erste Tätigkeitsstätte

Mit seinem aktuellen Urteil vom 12.07.2021 (VI R 27/19) hat der BFH entschieden, dass die Verpflegungspauschalen im Fall einer Mahlzeitengestellung auch dann zu kürzen sind, wenn der Steuerpflichtige nicht über eine erste Tätigkeitsstätte verfügt. Das richtungsweisende Urteil ist eine schlechte Nachricht für alle Arbeitnehmer, die ohne ortsfeste Tätigkeitsstätte ihre Arbeit an Bord von Fahrzeugen ausführen und bei mehrtägiger Abwesenheit vom Wohnort von ihrem Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung unentgeltlich verpflegt werden.

Die Entscheidung im Überblick

Mehraufwendungen des Arbeitnehmers für die Verpflegung sind nach Maßgabe des § 9 Abs. 4a EStG als Werbungskosten abziehbar. Wird der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig, sind nach § 9 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG für die dem Arbeitnehmer entstandenen beruflichen Mehraufwendungen Verpflegungspauschalen anzusetzen. Auch Arbeitnehmer ohne erste Tätigkeitsstätte können bei längerer beruflicher Auswärtstätigkeit Verpflegungspauschalen beanspruchen. Weiterlesen