Was die Bekanntgabefiktion mit Murphys Gesetz verbindet

Ein Steuerbescheid, der durch die Post übermittelt wird, gilt bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO). In meinem Blog-Beitrag „Bekanntgabefiktion: Wenn der Postmann nicht täglich klingelt“ hatte ich darauf hingewiesen, dass es zunehmend Zweifel an dieser Bekanntgabefiktion bzw. Zugangsvermutung gibt. Diese Zweifel haben zwei Gründe: Zum einen besteht ein gewisses Unbehagen gegen manch privaten Postdienstleister. Zum anderen stellen einige Postdienstleister nicht täglich zu; so erfolgt in einigen Gewerbegebieten am Samstag keine Zustellung.

Bereits im Jahre 2018 hat der BFH die Bedenken aufgegriffen. Mit Urteil vom 14.6.2018 (III R 27/17) hat er wie folgt entschieden: Die Zugangsvermutung für die Bekanntgabe schriftlicher Verwaltungsakte gilt zwar auch bei der Übermittlung durch private Postdienstleister. Bei der Einschaltung eines privaten Postdienstleisters, der mit einem Subunternehmer tätig wird, ist allerdings zu prüfen, ob die organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen des Dienstleisters tatsächlich ausreichend sind, um eine regelmäßige Zustellung innerhalb von drei Tagen zu gewährleisten.

Und das FG Berlin-Brandenburg hat entschieden: Die Zugangsvermutung gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO entfällt, wenn innerhalb der dort genannten Drei-Tages-Frist an einem Werktag regelmäßig keine Postzustellung stattfindet (Urteil vom 24.8.2022, 7 K 7045/20). Im Urteilsfall wurden die maßgebenden Postzusteller als Zeugen vernommen. Diese haben ausgesagt, dass die Post der Klägerin nicht regelmäßig an allen Werktagen zugestellt worden sei. Samstags habe in der Straße, in der die Klägerin wohnt, grundsätzlich keine Postzustellung stattgefunden. Die Zugangsvermutung, also die Drei-Tages-Frist, war nach Auffassung des Gerichts folglich nicht anzuwenden.

Aktuell hat sich das FG Münster den Bedenken des FG Berlin-Brandenburg aber nicht anschließen können. Die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO entfalle nicht, nur weil in einem Gewerbebetrieb am Samstag grundsätzlich keine Zustellung erfolgt (Urteil vom 11.5.2023, 8 K 520/22 E).

Denkanstoß:

Gegen das Urteil des FG Berlin-Brandenburg liegt bereits die Revision vor (Az. VI R 18/22). Auch das FG Münster hat die Revision zugelassen. Ob diese tatsächlich eingelegt worden ist, ist allerdings noch nicht bekannt.

Unabhängig davon kann natürlich nicht oft genug betont werden, dass man Fristen nach Möglichkeit nicht bis zum letzten Tag ausreizen sollte. Gegebenenfalls sollte zunächst fristwahrend Einspruch (oder Klage) erhoben und die Begründung nachgereicht werden.

Wenn die Frist aber tatsächlich versäumt wurde und man auch tatsächlich davon ausgeht, dass ein Steuerbescheid oder eine Einspruchsentscheidung verspätet zugestellt worden sind, so muss dies möglichst detailliert vorgetragen werden. Reine Behauptungen helfen nicht weiter. Es sind Zeugen zu benennen und nach Möglichkeit sollte auch der Briefumschlag, in dem sich der Steuerbescheid oder die Einspruchsentscheidung befunden haben, vorgelegt werden können. Aber zugegeben: Wie es in entsprechenden Fällen oft ist, reiht sich ein Fehler an den nächsten. Das heißt: Wenn schon ausnahmsweise einmal eine Frist versäumt wird, findet sich ausgerechnet bei dem fraglichen Schriftstück der Briefumschlag nicht mehr und ausgerechnet hier fehlt der Posteingangsstempel, und, und, und. Das nennt man dann wohl Murphys Gesetz (sinngemäß: „Es geht alles schief, was schiefgehen kann“).


Bekanntgabefiktion: Wenn der Postmann nicht täglich klingelt

Ein Steuerbescheid, der durch die Post übermittelt wird, gilt bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies ist die Drei-Tages-Frist des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, die über Jahrzehnte unerschütterlich Bestand hatte. Sie stammt aus der Zeit, als die Deutsche Bundespost für die Beförderung von Briefen noch das gesetzliche Monopol hatte. Doch seit die Finanzverwaltung immer öfter private Postdienstleister einsetzt, gibt es Zweifel, ob die Bekanntgabefiktion, also die Drei-Tages-Frist, zu halten ist.

Bereits im Jahre 2018 hat der BFH die Bedenken aufgegriffen. Mit Urteil vom 14.6.2018 (III R 27/17) hat er wie folgt entschieden: Die Zugangsvermutung für die Bekanntgabe schriftlicher Verwaltungsakte gilt zwar auch bei der Übermittlung durch private Postdienstleister. Bei der Einschaltung eines privaten Postdienstleisters, der mit einem Subunternehmer tätig wird, ist allerdings zu prüfen, ob die organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen des Dienstleisters tatsächlich ausreichend sind, um eine regelmäßige Zustellung innerhalb von drei Tagen zu gewährleisten.

Nunmehr hat auch das FG Berlin-Brandenburg Zweifel an der Drei-Tages-Frist geäußert und entschieden: Weiterlesen

Ein Jahr Einspruchsfrist bei unzureichender Rechtsbehelfsbelehrung

Weist eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht auf die Möglichkeit der elektronischen Einreichung des Einspruchs hin, ist die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig. Die Einspruchsfrist beträgt dann ein Jahr – so kurz und knapp lässt sich eine der Kernaussagen des BFH-Urteils vom 28.4.2020 (VI R 41/17) zusammenfassen. Weiterlesen

Das „Aus“ für die Bekanntgabefiktion?

Viele Steuerberater und Steuerpflichtige haben es schon länger geahnt: Nicht jedes Schriftstück wird innerhalb kürzester Zeit zugestellt. Wenn Briefe am Freitag zur Post gegeben werden, erfolgt die Zustellung in vielen Bezirken erst am Dienstag oder Mittwoch und nicht am Samstag oder Montag. Auch wenn mir diesbezüglich genaues Zahlenmaterial nicht vorliegt: Ich denke jedoch, dass das „Problem“ insbesondere bei der Beauftragung von privaten Postdienstleistern besteht. Nun hat auch der BFH das „Problem“ erkannt und rüttelt gewaltig an der Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO (Bekanntgabe bei Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post). Mit Urteil vom 14.6.2018 (III R 27/17) hat er wie folgt entschieden:

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Mindestanforderungen an eine Rechtsbehelfsbelehrung

Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig, mit der Folge der Verlängerung der Rechtsbehelfsfrist auf ein Jahr, wenn sie in einer der wesentlichen Aussagen (§ 356 Abs. 1 AO) unzutreffend oder derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch bei objektiver Betrachtung die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint.

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