Erbschaftsteuer, Solidaritätszuschlag – Bestimmt Karlsruhe die steuerpolitische Agenda bis zur Bundestagswahl?

Ein Fokus auf Umverteilungspolitik und Regulierung, fehlende gleichlaufende politische Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat und zuletzt Haushaltsnöte – es gibt eine Reihe von Gründen, warum die deutsche Politik in den letzten gut 15 Jahren keine richtungsweisenden steuerpolitischen Reformvorhaben jenseits der Einführung umfassender, international abgestimmter Anti-Steuervermeidungsvorschriften angestoßen hat.

Eine Resthoffnung mag noch bestehen, dass die derzeitige Koalition aus SPD, Grünen und FDP in Anbetracht der lahmenden Wirtschaft eine Art Wachstumschancengesetz 2.0 auf den Weg bringt. So richtig vorstellen kann sich das aber in Berlin derzeit niemand. Zu groß ist nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem November 2023 der Abstand zwischen Ausgabenwünschen und finanziellen Möglichkeiten.

Droht damit jenseits eher technischer Anpassungen wie dem Jahressteuergesetz 2024, diverser Kleinigkeiten wie z. B. dem Bürokratieentlastungsgesetz IV und einem aus steuerlicher Sicht vermutlich eher symbolischen Dynamisierungspaket ein weitgehender Stillstand der Steuergesetzgebung?

Der Solidaritätszuschlag im Visier

Ein kräftiger Impuls, steuerpolitisch aktiv zu werden, könnte ausgerechnet wieder aus Karlsruhe kommen. Weiterlesen

Kosten der Erstausbildung: Verfassungshüter entscheiden gegen Studenten und Piloten

Seit vielen Jahren gibt es Streit über die Frage, ob Kosten der Erstausbildung unbeschränkt als – vorweggenommene – Werbungskosten steuerlich zu berücksichtigen sind oder nur beschränkt im Rahmen der Sonderausgaben, wo sie zumeist ohne steuerliche Auswirkung bleiben. Der Bundesfinanzhof hat diese Frage dem Bundesverfassungsgericht bereits vor einigen Jahren vorgelegt. Wahrscheinlich hätten die Betroffenen, aber auch die meisten Steuerberater Haus und Hof darauf verwettet, dass das Bundesverfassungsgericht der Ansicht des Bundesfinanzhofs folgt, wonach die Kosten voll abziehbar sein müssen.

Doch weit gefehlt: Am 10.1.2020 hat das Bundesverfassungsgericht seinen Beschluss vom 19.11.2019 bekannt gegeben. Es bleibt bei der gesetzlichen Regelung, dass Kosten der Erstausbildung nur begrenzt als Sonderausgaben abziehbar sind. Das Urteil hat für Studenten, aber auch für angehende Piloten erhebliche negative Konsequenzen.

Hier ein Auszug aus der Pressemeldung des Bundesverfassungsgerichts:

„Dass Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) nicht als Werbungskosten abgesetzt werden können, verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Dies hat der Zweite Senat mit heute veröffentlichtem Beschluss auf Vorlagen des Bundesfinanzhofs hin entschieden. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass es für die Regelung sachlich einleuchtende Gründe gibt. Der Gesetzgeber durfte solche Aufwendungen als privat (mit-)veranlasst qualifizieren und den Sonderausgaben zuordnen. Die Erstausbildung oder das Erststudium unmittelbar nach dem Schulabschluss vermittelt nicht nur Berufswissen, sondern prägt die Person in einem umfassenderen Sinne, indem sie die Möglichkeit bietet, sich seinen Begabungen und Fähigkeiten entsprechend zu entwickeln und allgemeine Kompetenzen zu erwerben, die nicht zwangsläufig für einen künftigen konkreten Beruf notwendig sind. Sie weist eine besondere Nähe zur Persönlichkeitsentwicklung auf. Auch die Begrenzung des Sonderausgabenabzugs für Erstausbildungskosten auf einen Höchstbetrag von 4.000 Euro (Anm.: Heute sind es 6.000 Euro) in den Streitjahren ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.“

(Beschluss vom 19.11.2019, 2 BvL 22/14, 2 BvL 27/14, 2 BvL 26/14, 2 BvL 25/14, 2 BvL 24/14, 2 BvL 23/14)

Die Richter befassen sich auch ausführlich mit – angehenden Berufspiloten – sowie mit Kosten im Rahmen von Ausbildungsdienstverhältnissen. Danach gilt:

Auch Erstausbildungen, die wie die Pilotenausbildung einen konkreten Veranlassungszusammenhang mit einer später ausgeübten Erwerbstätigkeit aufweisen, schaffen erstmalig die Voraussetzungen für eine selbstbestimmte Lebensführung und vermitteln Kompetenzen, die allgemein die Lebensführung der Auszubildenden beeinflussen.

Schließlich ist auch für die Differenzierung zwischen Erstausbildungen und Erststudiengängen innerhalb und außerhalb eines Dienstverhältnisses ein sachlich einleuchtender Grund gegeben. Das Bestehen eines Dienstverhältnisses hat zur Folge, dass die Auszubildenden zur Teilnahme sowohl an einer betrieblichen als auch an einer schulischen oder universitären Ausbildung verpflichtet sind. Gleichzeitig erhalten sie eine Vergütung, auch für den schulischen Teil der Ausbildung. Es ist deshalb nicht willkürlich, bei den Auszubildenden anfallende Ausbildungskosten (auch) als Aufwendungen zur Sicherung von Einnahmen aus dem Ausbildungsverhältnis zu bewerten. Zwar schafft auch die Erstausbildung, die innerhalb eines Dienstverhältnisses erfolgt, die Voraussetzungen für eine selbstbestimmte Lebensführung und vermittelt Kompetenzen, die allgemein die Lebensführung der Auszubildenden beeinflussen. Die im Rahmen des Ausbildungsdienstverhältnisses bereits aktuell ausgeübte Erwerbstätigkeit ist jedoch ein sachlicher Grund, der den Gesetzgeber berechtigt, zu differenzieren.

Meinung:

Eigentlich halte ich mich mit Kritik an Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts zurück. In diesem Fall muss ich jedoch die Entscheidung harsch kritisieren. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts haben aus meiner Sicht rein fiskalisch geurteilt. Sie sind in steuerlichen Fragen zunehmend mutlos. Dies belegen auch zahlreiche andere Entscheidungen, in denen zwar zumindest die Verfassungswidrigkeit festgestellt worden ist, dem Gesetzgeber jedoch großzügige Übergangsmöglichkeiten belassen worden sind, so dass unterm Strich die Betroffenen doch nicht Recht bekommen haben. Um es deutlich zu sagen: Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht in steuerlichen Fragen verkommen zunehmend zur „Null-Nummer.“ Vorbei sind die Zeiten, als ein Professor Kirchhof das Steuerrecht wirklich unter die Lupe genommen hat. Hoffen wir, dass wenigstens in Sachen „Nachzahlungszinsen“ mehr Mut bei den Verfassungshütern vorhanden ist.

Um noch einmal auf das „Sachliche“ zurückzukommen: Angehenden Berufspiloten zu unterstellen, sie würden ihre Ausbildung sozusagen zur reinen Persönlichkeitsbildung absolvieren, kann wohl ins Reich der Fabeln verwiesen werden. Ich habe keinerlei Verständnis für die Aussage der Verfassungshüter.

Dass dann Ausbildungen im Rahmen eines Dienstverhältnisses wiederum begünstigt sind, ist die „Lex specialis“ für Beamtenanwärter. Ein Schelm, wer …. Sie wissen schon.

Gestaltungstipp:

Letztlich bleibt allen Betroffenen natürlich die Gestaltungsempfehlung des Zuwendungsnießbrauchs. Die Gestaltung ist leicht umzusetzen und führt – über einen kleinen Umweg – mehr oder weniger zum wirtschaftlich gewünschten Ergebnis.

Informationen hierzu:
„Abzugsbeschränkung für Studienkosten umgehen“ (steuerrat24.de)

Lesen Sie hierzu auch meinen Folgebeitrag:
Noch einmal: Erstausbildung und Erststudium

Aufreger des Monats November: Zweitwohnungssteuer verfassungswidrig – aber anwendbar

Die Zweitwohnungssteuer ist für viele Steuerbürger ein Ärgernis. Zwar ist mit ihr oftmals eine gewisse Lenkungsfunktion der Gemeinden verbunden, die verhindern wollen, dass zu viele Zweitwohnungen als reine Feriendomizile genutzt werden. Tatsächlich ist sie aber eine wichtige Einnahmequelle der Kommunen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich zahlreiche Inhaber von Zweitwohnungen gegen die Zweitwohnungssteuer zur Wehr setzen. Dabei haben sie durchaus Erfolg.

Aktuell hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Erhebung von Zweitwohnungsteuern in den bayerischen Gemeinden Oberstdorf und Sonthofen verfassungswidrig ist.

Aber: Die gemeindlichen Satzungen bleiben bis zum 31.3.2020 übergangsweise anwendbar.

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Ist die neue Entfernungspauschale – wieder – verfassungswidrig?

Bürger, die einen langen Arbeitsweg von 21 Kilometern oder mehr zurücklegen müssen, sollen ab dem 1. Januar 2021 von einer erhöhten Entfernungspauschale profitieren. Zur Entlastung der Fernpendler soll unabhängig vom benutzten Verkehrsmittel die Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer um 5 Cent auf 35 Cent angehoben werden. Die – zunächst befristete – Anhebung wird entsprechend auch auf Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung übertragen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und 5 EStG, Entwurf des „Gesetzes zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im Steuerrecht“).

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„Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde vom Sozialgericht wieder aufgehoben“

Diese Überschrift ist doch kreativ – finden Sie nicht auch? Es wäre einmal etwas ganz Neues, wenn ein Sozialgericht in der Lage wäre, sozusagen als nachfolgende und allerletzte Instanz, ein Urteil unserer obersten Verfassungshüter wieder aufzuheben. Wenn Sie mich nun für – sagen wir einmal – etwas sehr einfältig halten, so muss ich Sie enttäuschen, denn die Lorbeeren gebühren einem Träger der Sozialversicherung (Krankenversicherung), den ich hier aber aus verständlichen Gründen nicht namentlich bloßstellen möchte. Tatsächlich hat aber kürzlich die Leserin eines meiner Beiträge einen Brief mit dem genannten Inhalt erhalten. Was war geschehen?

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Sieg beim Verfassungsgericht – trotzdem Kostentragung des BFH-Prozesses

Es gibt immer wieder Urteile, die zwar wohl Recht und Gesetz entsprechen, bei denen das gesunde Rechtsempfinden aber dennoch gestört ist. Dazu gehört meines Erachtens das aktuelle Urteil des BFH vom 16.5.2018 (II R 16/13), in dem es heißt: „Der Kläger, dessen Revision zurückgewiesen wird, hat die Kosten des Revisionsverfahrens auch zu tragen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt auf Vorschriften beruht, die zwar verfassungswidrig sind, deren Anwendung im Streitfall aber aufgrund einer entsprechenden Anordnung des BVerfG zulässig ist.“

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BVerfG entscheidet zur Grundsteuer – Was nun?

Der I. Senat des BVerfG hat endlich die Einheitswerte für verfassungswidrig erklärt, die die Grundlage zur Grundstücksbesteuerung sind. Der Gesetzgeber muss bis zum 31.12.19 das Gesetz verabschieden und das neue Gesetz muss ab 1.1.2025 zwingend umgesetzt werden. Die alte verfassungswidrige Rechtslage wird bis zum 31.12.2024 geduldet. Kann diese Zeitbestimmung eingehalten werden? Weiterlesen

Grundsteuer-Reform: Es kann teuer werden, muss aber nicht, wird es aber wohl!

Weil der BFH (Az: II R 16/13) die Vorschriften über die Einheitsbewertung (spätestens) ab dem 1.1.2009 (zu Recht) für verfassungswidrig hält, hatte er im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens das Bundesverfassungsgericht (Az: 1 BvL 11/14) beauftragt.  Weiterlesen

Versagt das BVerfG in Steuerrechtsfragen?

Wenn Sie mich fragen, ein klares Ja. Dabei zügele ich meinen Ärger schon seit Wochen. Anlass ist die Post des BVerfG. Lapidar wird mitgeteilt, dass die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 598/12 nicht zur Entscheidung angenommen wird. Es ging um die Berücksichtigung der Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit (Arbeitslosenversicherung). Selbstverständlich ist diese Entscheidung von drei Richtern unterschrieben, aber nicht begründet. Weiterlesen