Verlängerung der Bekanntgabefiktion bei Verwaltungsakten ab 2025 – Was bedeutet das für Unternehmen und Bürger?

Mit dem vom Bundestag am 13.6.2024 beschlossenen Postrechtsmodernisierungsgesetz (PostModG), dem der Bundesrat am 5.7.2024 zugestimmt hat, wurden insbesondere die Postzustellzeiten und die Bekanntgabefiktion bei Verwaltungsakten verlängert. Was bedeutet das für Unternehmen und Bürger?

Hintergrund

Digitale Kommunikationswege über Mails und Chats statt über klassische Briefe, eine Zunahme des Online-Handels statt klassischem Einkauf in der Innenstadt haben zu einer schrumpfenden Briefmenge und einem drastischen Anstieg der zu befördernden Pakete geführt. Ziel des am 13.6.2024 vom Bundestag beschlossenen Postrechtmodernisierungsgesetzes – PostModG (BT-Drs.20/10283 in der Fassung der Änderungen des 9.Ausschusses, BT-Drs. 20/11817), dem der Bundesrat am 5.7.2024 zugestimmt hat (BR-Drs. 298/24 (B)) ist es, auch in Zukunft flächendeckend angemessene und ausreichende Postdienstleistungen zu gewährleisten, den fairen Wettbewerb zu stärken, angemessene Arbeitsbedingungen zu fördern und Anreize für einen ökologisch nachhaltigen Postsektor zu setzen.

Neuregelungen durch das PostModG

Derzeit müssen 80 Prozent der heute eingeworfenen Briefe am nächsten Werktag beim Empfänger sein und 95 Prozent am übernächsten Tag. Künftig müssen Universaldienstleister nach § 18 Abs.1 PostModG sicherstellen, dass im Jahresdurchschnitt jeweils mindestens 95 Prozent an dem dritten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag und 99 Prozent an dem vierten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zugestellt werden.

In weiten Regelungsbereichen des täglichen Lebens wird die Bekanntgabefrist jetzt einheitlich ab 1.1.2025 um einen Tag auf vier Tage verlängert. Weiterlesen

Was die Bekanntgabefiktion mit Murphys Gesetz verbindet

Ein Steuerbescheid, der durch die Post übermittelt wird, gilt bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO). In meinem Blog-Beitrag „Bekanntgabefiktion: Wenn der Postmann nicht täglich klingelt“ hatte ich darauf hingewiesen, dass es zunehmend Zweifel an dieser Bekanntgabefiktion bzw. Zugangsvermutung gibt. Diese Zweifel haben zwei Gründe: Zum einen besteht ein gewisses Unbehagen gegen manch privaten Postdienstleister. Zum anderen stellen einige Postdienstleister nicht täglich zu; so erfolgt in einigen Gewerbegebieten am Samstag keine Zustellung.

Bereits im Jahre 2018 hat der BFH die Bedenken aufgegriffen. Mit Urteil vom 14.6.2018 (III R 27/17) hat er wie folgt entschieden: Die Zugangsvermutung für die Bekanntgabe schriftlicher Verwaltungsakte gilt zwar auch bei der Übermittlung durch private Postdienstleister. Bei der Einschaltung eines privaten Postdienstleisters, der mit einem Subunternehmer tätig wird, ist allerdings zu prüfen, ob die organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen des Dienstleisters tatsächlich ausreichend sind, um eine regelmäßige Zustellung innerhalb von drei Tagen zu gewährleisten.

Und das FG Berlin-Brandenburg hat entschieden: Die Zugangsvermutung gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO entfällt, wenn innerhalb der dort genannten Drei-Tages-Frist an einem Werktag regelmäßig keine Postzustellung stattfindet (Urteil vom 24.8.2022, 7 K 7045/20). Im Urteilsfall wurden die maßgebenden Postzusteller als Zeugen vernommen. Diese haben ausgesagt, dass die Post der Klägerin nicht regelmäßig an allen Werktagen zugestellt worden sei. Samstags habe in der Straße, in der die Klägerin wohnt, grundsätzlich keine Postzustellung stattgefunden. Die Zugangsvermutung, also die Drei-Tages-Frist, war nach Auffassung des Gerichts folglich nicht anzuwenden.

Aktuell hat sich das FG Münster den Bedenken des FG Berlin-Brandenburg aber nicht anschließen können. Die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO entfalle nicht, nur weil in einem Gewerbebetrieb am Samstag grundsätzlich keine Zustellung erfolgt (Urteil vom 11.5.2023, 8 K 520/22 E).

Denkanstoß:

Gegen das Urteil des FG Berlin-Brandenburg liegt bereits die Revision vor (Az. VI R 18/22). Auch das FG Münster hat die Revision zugelassen. Ob diese tatsächlich eingelegt worden ist, ist allerdings noch nicht bekannt.

Unabhängig davon kann natürlich nicht oft genug betont werden, dass man Fristen nach Möglichkeit nicht bis zum letzten Tag ausreizen sollte. Gegebenenfalls sollte zunächst fristwahrend Einspruch (oder Klage) erhoben und die Begründung nachgereicht werden.

Wenn die Frist aber tatsächlich versäumt wurde und man auch tatsächlich davon ausgeht, dass ein Steuerbescheid oder eine Einspruchsentscheidung verspätet zugestellt worden sind, so muss dies möglichst detailliert vorgetragen werden. Reine Behauptungen helfen nicht weiter. Es sind Zeugen zu benennen und nach Möglichkeit sollte auch der Briefumschlag, in dem sich der Steuerbescheid oder die Einspruchsentscheidung befunden haben, vorgelegt werden können. Aber zugegeben: Wie es in entsprechenden Fällen oft ist, reiht sich ein Fehler an den nächsten. Das heißt: Wenn schon ausnahmsweise einmal eine Frist versäumt wird, findet sich ausgerechnet bei dem fraglichen Schriftstück der Briefumschlag nicht mehr und ausgerechnet hier fehlt der Posteingangsstempel, und, und, und. Das nennt man dann wohl Murphys Gesetz (sinngemäß: „Es geht alles schief, was schiefgehen kann“).


Bekanntgabefiktion: Wenn der Postmann nicht täglich klingelt

Ein Steuerbescheid, der durch die Post übermittelt wird, gilt bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies ist die Drei-Tages-Frist des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, die über Jahrzehnte unerschütterlich Bestand hatte. Sie stammt aus der Zeit, als die Deutsche Bundespost für die Beförderung von Briefen noch das gesetzliche Monopol hatte. Doch seit die Finanzverwaltung immer öfter private Postdienstleister einsetzt, gibt es Zweifel, ob die Bekanntgabefiktion, also die Drei-Tages-Frist, zu halten ist.

Bereits im Jahre 2018 hat der BFH die Bedenken aufgegriffen. Mit Urteil vom 14.6.2018 (III R 27/17) hat er wie folgt entschieden: Die Zugangsvermutung für die Bekanntgabe schriftlicher Verwaltungsakte gilt zwar auch bei der Übermittlung durch private Postdienstleister. Bei der Einschaltung eines privaten Postdienstleisters, der mit einem Subunternehmer tätig wird, ist allerdings zu prüfen, ob die organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen des Dienstleisters tatsächlich ausreichend sind, um eine regelmäßige Zustellung innerhalb von drei Tagen zu gewährleisten.

Nunmehr hat auch das FG Berlin-Brandenburg Zweifel an der Drei-Tages-Frist geäußert und entschieden: Weiterlesen

Das „Aus“ für die Bekanntgabefiktion?

Viele Steuerberater und Steuerpflichtige haben es schon länger geahnt: Nicht jedes Schriftstück wird innerhalb kürzester Zeit zugestellt. Wenn Briefe am Freitag zur Post gegeben werden, erfolgt die Zustellung in vielen Bezirken erst am Dienstag oder Mittwoch und nicht am Samstag oder Montag. Auch wenn mir diesbezüglich genaues Zahlenmaterial nicht vorliegt: Ich denke jedoch, dass das „Problem“ insbesondere bei der Beauftragung von privaten Postdienstleistern besteht. Nun hat auch der BFH das „Problem“ erkannt und rüttelt gewaltig an der Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO (Bekanntgabe bei Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post). Mit Urteil vom 14.6.2018 (III R 27/17) hat er wie folgt entschieden:

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