Corona-Beherbergungsverbote vor dem knock-out

Das OVG Lüneburg (vom 15.10.2020 – 13 MN 371/20) und der VGH Mannheim (15.10.2020 – 1 S 3156/20) haben die Beherbergungsverbote in den landesrechtlichen Corona–Verordnungen gekippt. Jetzt zeichnet sich ab, dass auch in den anderen Ländern die Beherbergungsverbote fallen. Welche Lehren sind daraus zu ziehen?

Hintergrund

Vor dem Hintergrund des sich ausbreitenden Corona- Infektionsgeschehens haben die Länder Corona- Beherbergungsverordnungen erlassen. Die Beherbergungsverbote gelten in der Regel für Gäste aus deutschen Regionen, in denen der maßgebliche Infektions- Inzidenzwert (50 neue Corona- Fälle pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen) registriert werden. Um beherbergt zu werden, müssen diese Reisenden einen negativen Corona-Test vorlegen, der bei Ankunft nicht älter als 48 Stunden sein darf. Der VGH Mannheim und das OVGE Lüneburg haben die jeweiligen landesrechtlichen Verbote mit sofortiger Wirkung außer Vollzug gesetzt. Die Länder Sachsen und Saarland hatten die die Außervollzugsetzung bereits vorher beschlossen, das Land Bayern will das Beherbergungsverbot ab 17.10.2020 wieder abschaffen.

Was haben die Gerichte entschieden?

In dem Verfahren vor dem VGH Mannheim wollte ein Urlauber aus dem Kreis Recklinghausen in NRW einen Urlaub im Kreis Ravensburg, Baden-Württemberg antreten. Recklinghausen gilt als Corona Hotspot. Der Antragsteller hätte bei Aufnahme in das gebuchte Hotel einen negativen Corona Test vorlegen müssen, den er selbst hätte bezahlen müssen. Hiergegen hat sich der Urlauber erfolgreich vor dem VGH Mannheim zur Wehr gesetzt. Der VGH Mannheim (v. 15.10.2020 – 1 S 3156/20) hat entschieden, dass das Beherbergungsverbot in unverhältnismäßiger Weise in das Grundrecht auf Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1GG) eingreift und deshalb mutmaßlich verfassungswidrig ist. Der Landesgesetzgeber verfolgt mit der Eindämmung der Pandemie zwar den Schutz von hochrangigen Rechtsgütern: Er will Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit einer potentiell großen Zahl von Menschen abwehren und die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems in Deutschland durch die Verlangsamung des Infektionsgeschehens sicherstellen. Allerdings ist ein Verordnungsgeber auch verpflichtet, fortlaufend und differenziert zu prüfen, ob konkrete Grundrechtseingriffe auch weiterhin zumutbar sind und ob das Gesamtkonzept von Beschränkungen und Lockerungen noch in sich stimmig und tragbar ist. Dass gerade Beherbergungsbetriebe, in denen Gäste in abgeschlossenen Räumlichkeiten mit einer überschaubaren Personenanzahl übernachten und deren Kontaktdaten hinterlegt sind, strenger behandelt werden als Besucher von Clubs, Diskotheken Gaststätten, Freizeit – und Sporteinrichtungen oder Einzelhandelsgeschäfte, sei nicht nach vollziehbar.

Das OVG Lüneburg (vom 15.10.2020 – 13 MN 371/20) kommt mit einer etwas abweichenden rechtlichen Beurteilung zum gleichen Ergebnis: ein Beherbergungsverbot für Personen „aus“ Risikogebieten, ohne festzulegen, ob diese Personen dort einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, sei schon nicht hinreichend bestimmt. Außerdem bestünden gravierende Zweifel an der Eignung und Erforderlichkeit des Beherbergungsverbotes, so dass dieses unverhältnismäßig in die grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit der Betreiber von Beherbergungsbetrieben (Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1GG eingreife.

Bewertung

Bei allem Verständnis für die Erforderlichkeit wirksamer infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen zur Eindämmung der Corona – Pandemie ist den Entscheidungen der beiden Oberverwaltungsgerichte ohne Einschränkung zuzustimmen. Ein auf eine bestimmte Wirtschaftsbranche wie das Beherbergungsgewerbe beschränkte Einschränkung der gewerblichen Betätigung erscheint willkürlich (Art. 3 Abs. 1GG) und Ist nicht von einem sachlichen Differenzierungsgrund getragen. Die Entscheidungen belegen auch: was die Politik nicht konsensual entscheiden kann, richtet notfalls die Rechtsprechung und ruft den Stellenwert grundrechtlicher Freiheitsrechte in Erinnerung. Das inzwischen die Länder Sachsen, Saarland und nunmehr auch Bayern von ihren ordnungsrechtlichen Beherbergungsverboten abrücken, zeigt die politische Zerrissenheit, wenn es um ein wirksames Infektionsschutz rechtliches Instrumentarium geht. Die Entscheidungen machen auch deutlich, dass Föderalismus in Deutschland in bestimmten Krisensituationen durchaus seine Schwächen hat: ein Flickenteppich unterschiedlichster Länderregelungen ist der Bevölkerung nicht plausibel erklärbar und führt zur Inakzeptanz angeordneter Verbote. Dies wirft die Frage auf, ob nicht besondere Umstände wie die Corona- Pandemie erfordern, dass entgegen dem Föderalismus-Gedanken ein einheitlicher bundesgesetzlicher Rahmen geschaffen werden muss, der ein einheitliches flächendeckendes infektionsschutzrechtliches Handeln in Deutschland zulässt.

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