Weiterbildungs-Qualifizierungsgeld und Ausbildungsgarantie: Streit zwischen Bundesrat und Bundesregierung

Der Bundesrat fordert Anpassungen beim Qualifizierungsgeld und der Ausbildungsgarantie in seiner Stellungnahme (BT-Drs. 20/7116) zum Entwurf des geplanten Weiterbildungsgesetzes (BT-Drs. 20/6518); doch die Bundesregierung lehnt Änderungen ab. Scheitert das Gesetz?

Hintergrund

Die Bundesregierung will mit ihrem am 28.4.2023 im Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf (BT-Drs.20/6518) die Förderinstrumente der Arbeitsmarktpolitik für Beschäftigte und Ausbildungssuchende weiterentwickeln, um der beschleunigten Transformation der Arbeitswelt zu begegnen, Arbeitslosigkeit aufgrund von Strukturwandel zu vermeiden, Weiterbildung zu stärken und die Fachkräftebasis zu sichern. Vorgesehen ist insbesondere die Einführung eines „Qualifizierungsgeldes“ für Beschäftigte, denen durch die Transformation der Arbeitswelt der Verlust von Arbeitsplätzen droht, bei denen Weiterbildungen jedoch eine zukunftssichere Beschäftigung im gleichen Unternehmen ermöglichen können.

Fördervoraussetzungen sollen ein strukturwandelbedingter Qualifizierungsbedarf eines „nicht unerheblichen Teils der Belegschaft“ und eine entsprechende Betriebsvereinbarung oder ein betriebsbezogener Tarifvertrag sein. Das Qualifizierungsgeld soll unabhängig von Betriebsgröße, Alter oder Qualifikation der Beschäftigten gezahlt und als Entgeltersatz in Höhe von 60 Prozent beziehungsweise 67 Prozent des Nettoentgelts, das durch die Weiterbildung entfällt, geleistet werden. Ferner will die Regierung eine Ausbildungsgarantie einführen, um allen jungen Menschen, die nicht über einen Berufsabschluss verfügen, den Zugang zu einer vollqualifizierenden, möglichst betrieblichen Berufsausbildung zu eröffnen. Dabei soll die primäre Verantwortung der Wirtschaft für die Ausbildung des Fachkräftenachwuchses erhalten bleiben. Weiterlesen

Gesetzliche Ausbildungsgarantie – Zauberformel oder Mogelpackung?

Am 28.4.2023 hat der Bundestag erstmals einen Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Weiterbildungs- und Ausbildungsförderung beraten und an die Ausschüsse überwiesen. Mit dabei ist eine „Ausbildungsgarantie“ mit dem Ziel, Nachwuchsprobleme der Wirtschaft zu bekämpfen und jungen Menschen ohne Bildungsabschluss eine berufliche Perspektive zu eröffnen. Wie sind die Pläne zu bewerten?

Hintergrund

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) beziffert die Zahl der offenen Stellen in Deutschland auf 1,8 Millionen. 80 Prozent der Stellen benötigen hiervon einen Berufsschulabschluss oder ein Hochschulstudium, nur 20 Prozent der Stellen sind hiernach für Ungelernte und Minderqualifizierte geeignet. Mit einer Novelle zum Fachkräfteeinwandrungsgesetz – am 27.4.2023 in erster Lesung im Bundestag behandelt – will die Bundesregierung Abhilfe schaffen: Erleichterte Zuwanderung und Abbau von Beschäftigungshemmnissen, ich habe im Blog berichtet.

Aber nicht nur am Fach- und Arbeitskräftemarkt herrscht Flaute. In etlichen Wirtschaftsbranchen besteht bereits seit Jahren Nachwuchsmangel bei den Auszubildenden. Dennoch sind aktuell mehr als 2,3 Millionen junge Menschen ohne Berufsabschluss, im Jahr 2020 waren es nach Regierungsangaben 1,38 Millionen Menschen im Alter von 20 bis 30 Jahren. Es gibt seit Jahren ein Überangebot an Ausbildungsplätzen: per 30.9.2020 konnten 68.900 Ausbildungsstellen, also13 Prozent aller gemeldeten betrieblichen Ausbildungsstellen nicht besetzt werden. Damit setzt sich der Trend einer steigenden Anzahl unbesetzter Ausbildungsstellen fort. Die Koalitionäre der Bundesregierung wollen deshalb jetzt u.a. das Versprechen einer Ausbildungsgarantie umsetzen, wie bereits im Koalitionsvertrag 2021 vereinbart.

Was plant die Bundesregierung konkret?

Die Bundesregierung will mit ihrem Gesetzentwurf die Förderinstrumente der Arbeitsmarktpolitik für Beschäftigte und Ausbildungssuchende weiterentwickeln, um der beschleunigten Transformation der Arbeitswelt zu begegnen, Arbeitslosigkeit aufgrund von Strukturwandel zu vermeiden, Weiterbildung zu stärken und die Fachkräftebasis zu sichern, z.B. mit der Einführung eines Qualifizierungsgeldes.

Der aktuelle Gesetzentwurf des BMAS sieht in einem umfangreichen Paket auch Maßnahmen einer „Ausbildungsgarantie“ vor, z.B. geförderte Kurzpraktika, einen Mobilitätszuschuss und bessere Beratungen durch die Arbeitsagenturen und Jobcenter vor. Das BMAS geht hierbei davon aus, dass ab 2024 zwischen 3000 und 4000 junge Menschen zusätzlich in außerbetrieblichen Ausbildungsstätten untergebracht werden können, die keine „normale“ Ausbildung in einem Betrieb beginnen können. Ziel ist, allen jungen Menschen, die nicht über einen Berufsabschluss verfügen, den Zugang zu einer vollqualifizierenden, möglichst betrieblichen Berufsausbildung zu eröffnen. Dabei bleibe die „primäre Verantwortung der Wirtschaft für die Ausbildung“ des Fachkräftenachwuchses unangetastet, heißt es im Gesetzentwurf.

Was ist davon zu halten?

Ohne Einschränkung zu begrüßen ist, dass der Gesetzgeber von der Einführung einer branchenübergreifenden Ausbildungsumlage zur Finanzierung der Ausbildungsgarantie Abstand nimmt. Solche Überlegungen waren schon früher zum Scheitern verurteilt, weil die Unternehmen tatsächlich seit Jahren mehr Ausbildungsplätze anbieten als am Ende tatsächlich besetzt werden können. Vernünftig ist auch, Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen nur ergänzend zu nutzen, quasi als „Ultima Ratio“, weil sie eine persönliche Ausbildung und Erziehung im Betrieb nicht ersetzen kann.

Wichtig ist aber auch, dass junge Menschen Unterstützung bei der Suche einer Ausbildungsstätte sowie während und nach der Ausbildung erhalten. Ob der BMAS das Versprechen einer Ausbildung (mit Abschluss!) „garantiert“ mit dem jetzigen Entwurf einlösen kann, erscheint zweifelhaft, erst recht für den „Wunschberuf“. Deswegen lehnen dies nach einer aktuellen DIHK-Ausbildungsumfrage 80 Prozent der Unternehmen ab. Besser wäre stattdessen eine Chancengarantie: Jeder ausbildungsinteressierte Jugendliche, der bis Ende September ohne Ausbildungsplatz ist, erhält drei Angebote für eine betriebliche Ausbildung – wenn auch nicht immer im Wunschberuf – alles andere wäre Augenwischerei. Nun bleibt abzuwarten, welche Verbesserungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren noch umsetzungsfähig sind.

Weitere Informationen:


Bundeskabinett beschließt Ausbildungsprämien

Von der Corona-Krise gebeutelte Unternehmen sollen zur Förderung der Ausbildungsbereitschaft eine Ausbildungsprämie von bis zu 3.000 Euro für jeden in diesem Jahr geschlossenen Lehrvertrag erhalten. Die Eckpunkte hat das Bundeskabinett am 24.6.2020 beschlossen. Weiterlesen