Aktivierte Entwicklungskosten: Warum Sie bei einer hohen Aktivierungsquote genauer hinschauen sollten

Lohnt sich Forschung und Entwicklung? Diese Frage hatte ich vor vielen Jahren in meiner Doktorarbeit gestellt. Das Ergebnis meiner empirischen Studie: Zumindest in der Wirtschaftskrise wirken sich Forschungs- und Entwicklungskosten nicht positiv auf den Aktienkurs eines Unternehmens aus. Doch das Thema ist nicht nur für börsennotierte Unternehmen relevant.

Alle Unternehmen mit F&E-Aktivitäten können bilanzpolitische Spielräume nutzen, um ihre Gewinne zu steigern. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist dies häufiger der Fall. Damit ist das Thema meiner Dissertation wieder hochaktuell, denn ich habe damals die Jahre der Finanzkrise empirisch untersucht.

Wieso die Aktivierung der Entwicklungskosten branchenabhängig ist

Für die Aktivierung von Entwicklungskosten in der IFRS-Bilanz müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein. Beispielsweise muss eine zuverlässige Abgrenzung zwischen Forschungs- und Entwicklungskosten möglich sein. Genau aus diesem Grund ist die Aktivierung von Entwicklungskosten auch branchenabhängig. Denn nur diese dürfen überhaupt aktiviert werden. Für Forschungskosten gilt ein explizites Aktivierungsverbot, die angefallenen Kosten sind im Jahr ihrer Entstehung sofort als Aufwand zu erfassen. Entwicklungskosten liegen nur dann vor, wenn die Forschungsergebnisse auch genutzt werden können.

Betrachtet man beispielsweise die Bilanzen von Pharmaunternehmen, so findet man nur selten aktivierte Entwicklungskosten. Dies liegt einfach daran, dass über viele Jahre Unsicherheit darüber besteht, ob die Entwicklungen jemals zu Einzahlungsüberschüssen am Markt führen werden. Dies ist eine weitere Voraussetzung, die in einigen Fällen nicht erfüllt sein dürfte. Anders verhält es sich in der Automobilindustrie, in der erfahrungsgemäß ein hoher Anteil der anfallenden Kosten als Entwicklungskosten aktiviert wird. Denn anders als bei einem Pharmakonzern stellt sich hier nicht die Frage, ob das Medikament jemals auf den Markt kommen wird, sondern vielmehr, wann das neue Modell am Markt verkauft werden kann.

Wieso man bei einer hohen Aktivierungsquote genauer hinschauen sollte

Die Kennzahl Aktivierungsquote findet sich beispielsweise in den Geschäftsberichten von Automobilherstellern. Sie gibt den Anteil der aktivierten Entwicklungskosten an den gesamten Forschungs- und Entwicklungskosten an. Je höher die Aktivierungsquote, desto geringer sind die Aufwendungen, die den Gewinn schmälern.

Ein interessantes Beispiel: Die Porsche AG hat eine hohe Aktivierungsquote, die in den letzten Jahren sehr große Sprünge nach oben gemacht hat. Im Geschäftsjahr 2019 lag sie noch bei 44 %, im Geschäftsjahr 2023 bei knapp 74 %. Das entspricht einer Steigerung der Kennzahl um 70 %. Das ist eine ganze Menge.

Aber Vorsicht: Ich kann fachlich nicht beurteilen, was bei der Porsche AG in den letzten Jahren passiert ist, dass der Anteil der aktivierten Entwicklungskosten so deutlich gestiegen ist. Aber als Bilanzexpertin bin ich vorsichtig: Denn hohe Aktivierungen heute bedeuten auch höhere Abschreibungen in der Zukunft. Als Aktionärin der Porsche AG würde ich auf jeden Fall auf der Hauptversammlung nachfragen, warum die Aktivierungsquote in den letzten Jahren so stark gestiegen ist.

Im Jahr 2023 wurden Entwicklungskosten in Höhe von 2 Mrd. € aktiviert. Dies ist angesichts eines Gewinns vor Steuern von 5 Mrd. € ein beachtlicher Betrag. Aber auch die Abschreibungen auf die in der Vergangenheit aktivierten Entwicklungskosten sind nicht mehr unerheblich: Sie belaufen sich im Geschäftsjahr 2023 auf knapp eine Mrd. €.

Und wie so oft gilt auch hier: Die amerikanische Börsenweisheit. Gewinn ist Ansichtssache, Cashflow Tatsache. Denn dem Cashflow ist es völlig egal, ob Entwicklungskosten aktiviert werden oder nicht. Er honoriert nur die Kundeneinlagen, die durch erfolgreiche F&E-Aktivitäten in neue Produkte fließen.

Insbesondere bei einer hohen Aktivierungsquote ist zu prüfen, wie der Gewinn ohne Aktivierung aussehen würde. Langfristig zeigt sich dies zwar in den Abschreibungen, aber bis dahin vergeht einige Zeit.

Weitere Informationen:

Disclosure Overload mal anders oder Informationskürzung à la VW

Veränderung der Berichterstattung zwischen 2015 und 2016 am Beispiel der F&E-Kosten

Die Geschäftsberichte wurden in den letzten Jahren immer umfangreicher frei nach dem Motto „Mehr ist besser“. Siemens hat mit der radikalen Kürzung des Geschäftsberichtes 2015 den Weg Richtung Verschlankung der Berichterstattung eingeschlagen. Der erste „entschlackte“ Geschäftsbericht bedeutet für die betroffenen Mitarbeiter vor allem eines: Viel Arbeit – für den ersten „neuen“ Bericht. In den folgenden Jahren werden sie jedoch (hoffentlich) eine erhebliche Arbeitserleichterung spüren. Denn ein kürzerer Bericht erfordert weniger Korrekturarbeiten, weniger überflüssige Informationen wie beispielsweise aktuelle Fotos der Vorstandsmitglieder.

Bei Volkswagen hat der Bericht 2016 um ca. 17 Seiten zugenommen. Das könnte möglicherweise auch den der Berichterstattung zum Dieselskandal liegen? Ich will es nicht genauer nachprüfen. Denn bei einem Umfang von mehr als 300 Seiten werde ich eine Weile beschäftigt sein. Es bleibt zu hoffen, dass viele Unternehmen ihre Geschäftsberichte einer radikalen Diät unterziehen und diese auf die wesentlichen Inhalte kürzen. Vor allem auch die Dopplung von Informationen bringt den Lesern keinerlei Mehrinformationen. Weiterlesen